Vietnam erholt sich von Baisse

Trotz erhöhter Risiken bleibt das Land auf rasantem Wachstumskurs - Gewinne um 32 Prozent gestiegen

Vietnam erholt sich von Baisse

Nach einer Baisse, die den VN-Index um mehr als 20 % gedrückt hat, erholt sich der vietnamesische Aktienmarkt. Gestützt wird er von einem hohen BIP-Wachstum und sehr stark gestiegenen Unternehmensgewinnen.Von Ernst Herb, HongkongDie gestiegenen globalen Unwägbarkeiten schienen lange Zeit völlig an Vietnam und seiner Börse vorbeizugehen. Getragen von boomenden Exporten, einem robusten Privatkonsum und rasant anteigenden ausländischen Direktinvestitionen legte der Hauptindex des Landes im Vorjahr 48 % und im ersten Quartal 2018 weitere 22 % zu. Die Rally wurde insbesondere auch von ausländischen Investoren angetrieben, die trotz der steigenden Zinsen in den USA und der damit einhergehenden erhöhten Volatilität an den Schwellenländermärkten in den ersten fünf Monaten des Jahres Nettokäufe im Wert von rund 300 Mill. Dollar getätigt haben. Doch angesichts der deutlich über den regionalen Vergleich gestiegenen Bewertungen war es nur eine Frage der Zeit, bis der vietnamesische Aktienmarkt dem Gesetz der Schwerkraft gehorchen würde.Nachdem der VN-Index Anfang April die Allzeitmarke von 1 200 Zählern durchbrochen hatte, ist er kurz danach zeitweise um über 20 % eingebrochen. Trotz dieser wuchtigen Korrektur kann dennoch nicht von einer Flucht aus vietnamesischen Werten die Rede sein. Das zeigt sich schon daran, dass die Anfang 2017 begonnene Kursrally von weniger als 20 Hauptwerten getragen wurde. Genau diese Aktien haben im April und Mai besonders starken gelitten.Denn infolge eines hier erreichten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) von weit über 30 war es nur eine Frage der Zeit, bis Investoren Gewinne mitnehmen würden. Dabei sticht vor allem die Aktie der Vingroup hervor, die nach Angaben der Analysten des Finanzhauses Vina Capital zeitweise KGVs von 50 erreicht hatte. Die Aktie dieses Mischkonzerns und zwei ihrer Töchter machen rund ein Viertel der Marktkapitalisierung der im VN-Index vertretenen Titel aus. Hochvolumige IPOsDer Hauptindex kam auch wegen einer ganzen Reihe von erfolgreichen Börsengängen, die eine Umschichtung der Anlageportfolios nach sich gezogen haben, unter Abgabedruck. Seit Anfang des zweiten Quartals haben die IPOs des Finanzhauses Techcombank sowie des Immobilienkonzerns Vinhomes den zwei Gesellschaften insgesamt 2,3 Mrd. Dollar in die Kassen gespült. Der Staat selbst hat 2017 im Rahmen des laufenden Privatisierungsprogrammes für rund 1 Mrd. Dollar Beteiligungen an 29 Unternehmen veräußert.Dabei sind die auch im Vergleich zu anderen Schwellenländerbörsen relativ hohen Bewertungen dank des überdurchschnittlich hohen Gewinnwachstums zumindest teilweise durchaus gerechtfertigt. So konnten die notierten Gesellschaften im ersten Quartal im Durchschnitt einen 32 % höheren Gewinn als im selben Zeitraum des Vorjahres ausweisen, wobei Finanzwerte wie etwa die Vietcom Bank mit einem Plus von 59 % oder HDB mit 184 % besonders gut abgeschnitten haben.Nach den Kursrückgängen der vergangenen Wochen werden mittlerweile viele der günstiger gewordenen Aktien wieder als Kaufgelegenheiten wahrgenommen. Der VN-Index, der am Montag rund 6 % über dem Stand von Anfang des Jahres lag, konnte seit Ende Mai denn auch einen Teil seines in den vorangegangenen Wochen verloren gegangenen Territoriums zurückgewinnen.Dabei wurde die Laune der Investoren in den vergangenen Tagen auch von einer ganzen Reihe von Frühindikatoren aufgeheitert. So weist etwa der Einkaufsmanagerindex der verarbeitenden Industrien, der im Mai um 1,2 auf 53,9 Punkte angestiegen ist, auf ein sich weiter verbesserndes Geschäftsklima hin. Auch ist Vietnam 2018 in der von der Weltbank jährlich zusammengestellten Liste der Länder mit den niedrigsten unternehmerischen Hürden 14 Ränge nach oben gestiegen. Das gute Geschäftsklima zeigt sich auch daran, dass im Vorjahr über 100 000 neue Unternehmen gegründet worden sind.Ökonomen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) gehen denn auch davon aus, dass die sechstgrößte südostasiatische Volkswirtschaft im laufenden Jahr mit 7,1 % schneller expandieren wird als 2017, als das Bruttoinlandsprodukt um 6,8 % expandierte. Das heißt allerdings nicht, dass in Vietnam nicht auch Gefahren wie etwa der relativ hohe Anteil der im lokalen Bankensystem vorhandenen Risikokredite oder auch die Korruption lauern. Klumpenrisiko SamsungVietnam ist auch eine der weltweit am meisten von Exporten abhängigen Volkswirtschaften. Sollte etwa der Welthandel infolge der global zunehmend protektionistischen Tendenzen einen massiven Rückschlag erleben, wäre Vietnam davon besonders stark betroffen. Auch lebt das Land mit dem Großinvestor Samsung, der mit seinen über 100 000 lokalen Angestellten 2017 für 22 % aller Exporte verantwortlich war, mit einem erheblichen Klumpenrisiko.Nicht zuletzt streitet Vietnam im rohstoffreichen Südchinesischen Meer mit China über territoriale Ansprüche. Das Reich der Mitte ist zwar Vietnams wichtigster Handelspartner, doch ist Hanoi damit auch latent wirtschaftlichen Sanktionen Pekings ausgesetzt. All diese Faktoren haben in der Vergangenheit an den Börsen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt periodisch für erhöhte Volatilität gesorgt. Es kann damit gerechnet werden, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird.