DEVISENWOCHE

Volatilität vor der Trendwende

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 5.3.2019 Trotz der Fülle an Nachrichten über den immer noch nicht endgültig vereinbarten Brexit, den immer noch schwelenden Handelsstreit zwischen den USA und China und zeitweise besorgniserregender Meldungen...

Volatilität vor der Trendwende

Von Holger Achnitz *)Trotz der Fülle an Nachrichten über den immer noch nicht endgültig vereinbarten Brexit, den immer noch schwelenden Handelsstreit zwischen den USA und China und zeitweise besorgniserregender Meldungen aus einigen Schwellenländern sind die impliziten Wechselkursvolatilitäten für die meisten Währungspaare auch zu Beginn dieses Jahres weiter gefallen. Die FX Strategy Group der Citigroup fasst die Volatilität der G10-Währungen in einem betragsgewichteten Index mit einer Laufzeit von drei Monaten zusammen und kommt zu dem Schluss, dass er momentan nur unwesentlich oberhalb der in früheren Jahren erreichten Tiefpunkte handelt und vermutlich kurz vor einer größeren Trendwende steht. Hierfür sind mehrere wesentliche Gründe anzuführen. Ende des ZyklusSo droht das nahende Ende des gegenwärtigen Konjunkturzyklus: Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Volatilität in den letzten Jahren war die ultraleichte Geldpolitik der großen Zentralbanken und das damit geschaffene positive Umfeld für risikobehaftete Anlagen. Trotz des durch die Fed zuletzt kreierten Spielraums für gegebenenfalls notwendige Zinssenkungen bleibt die Kapazität der Notenbanken bei immer noch sehr niedrigen Zinsen und hohen Bilanzsummen gering, um bei Bedarf angemessen auf einen Abschwung zu reagieren.In einem solchen Szenario ist aber eine Ausweitung der Risikoprämien für Aktien und Unternehmensanleihen wahrscheinlich, die traditionell mit einem Anstieg der Wechselkursvolatilität einhergeht – nicht zuletzt, weil im Devisenmarkt aktive Banken Optionen kaufen, um die den Portfolien von langlaufenden Termin- und Optionsgeschäften inhärenten Kreditrisiken zu begrenzen (Management der sogenannten Credit Valuation Adjustments). Eintrübung der IndikatorenAußerdem trüben sich die globalen Konjunkturindikatoren ein: Der Citi Economic Data Change Index steht auf dem niedrigsten Niveau seit der Krise in der Eurozone (2012). Eine quantitative Analyse belegt eine sehr belastbare Beziehung zwischen sich eintrübender Konjunktur und steigender Volatilität (und umgekehrt) für praktisch alle G10-Währungen gegenüber dem Dollar. Die aktuelle Unsicherheit über die nahe Zukunft des globalen Wirtschaftswachstums sollte daher den Bias zu höherer Volatilität begünstigen. Ferner sind die Zentralbanken schwerer einzuschätzen: Die sich zuletzt eher beschleunigende Verschlechterung der vorausschauenden Konjunkturindikatoren führt dazu, dass Investoren die Aktionen der Zentralbanken im Moment schwerer prognostizieren können. Die Aussagen von Fed-Chairman Jerome Powell im Dezember und Januar waren eindrucksvolle Beispiele hierfür. Solche Ereignisse lassen zunächst nur die Tagesvolatilität steigen, allerdings mit einem deutlich höheren Ausmaß als noch vor zehn Jahren, vermutlich aufgrund der heute wegen gestiegener Regulierung geringeren Anzahl an Marketmakern, die wiederum mit kleineren Limiten ausgestattet sind als früher. Langsamere DiversifizierungAußerdem ist eine verlangsamte Diversifikation von Währungsreserven festzustellen: Im letzten Jahr hat sich die Akkumulation der Währungsreserven deutlich verlangsamt. Ursächlich hierfür ist sicher das bereits 2018 schwächere Wachstum verglichen mit den Jahren zuvor und als Folge dessen weniger zu konvertierende Exporteinnahmen. Es ist anzunehmen, dass sich dieses Phänomen auch in diesem Jahr wiederholt. Die Manager von Währungsreserven erzielen eine Diversifikation üblicherweise durch balancierte und weitgehend marktneutrale Handelsstrategien. Ein Rückgang oder Ausbleiben dieser Aktivitäten könnte ebenfalls einen Anstieg der Schwankungen an den Währungsmärkten begünstigen. Rückzug von HändlernVerstärkt werden diese makroökonomischen Faktoren durch seit einiger Zeit immer wieder zu beobachtende Rückgänge der Liquidität in verschiedenen Währungspaaren, wie zuletzt z. B. im japanischen Yen oder dem Schweizer Franken zu sehen – beide aufgrund ihres Zahlungsbilanzüberschusses sogenannte “Safe Haven”-Währungen. Diese geschehen durch einen zumeist gleichzeitigen Rückzug von Hochfrequenzhändlern, die zu bestimmten Zeitpunkten den Handel vorübergehend einstellen und damit einen temporären Ausfall des für G10-Währungspaare meist typischen Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage verursachen. Optionen im FokusFür am Devisenmarkt tätige Akteure sollte die Konsequenz der voraussichtlich steigenden Volatilität sein, Devisenoptionen wieder stärker in den Fokus ihrer Währungsstrategie zu rücken.Spekulanten profitieren von der Wertsteigerung gekaufter Optionen bei einem Anstieg der Volatilität während der Laufzeit; sie repräsentieren somit eine interessante Alternative zu klassischen Carry Trades. Für Unternehmen und auf die Absicherung von Fremdwährungsportfolios ausgerichtete Investoren sollte der Kauf von Optionen als Alternative in Betracht gezogen werden, um die sonst bei Termingeschäften in den meisten Währungen anfallenden und nicht rückholbaren Sicherungskosten aufgrund der aktuell hohen Zinsdifferenz zur europäischen Gemeinschaftswährung zu vermeiden.—-*) Holger Achnitz leitet den Währungshandel bei der Citigroup in Deutschland.