Vom Ende der Ü30-Party am Aktienmarkt

Fondsmanager Bert Flossbach kauft in der Korrektur nach und fordert Daimler zur Aufspaltung auf

Vom Ende der Ü30-Party am Aktienmarkt

sts Frankfurt – Droht dem Aktienmarkt ein Ende der Rally, kann es gar zu einem Crash kommen? Bert Flossbach winkt halbwegs entspannt ab. Während andere zu Wochenbeginn Untergangsfantasien schürten, kaufte der Fondsmanager bereits zu niedrigeren Einstiegskursen Aktien nach. “Jetzt wird es wieder günstig”, sagte Flossbach am Dienstagabend in Frankfurt vor Journalisten. Ganz entspannt ist der Gründer und Miteigentümer der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch aus Köln (Verwaltetes Vermögen: 36 Mrd. Euro) aber nicht. Die Lage in Italien lässt ihn über die Zukunft des Euro grübeln, zum Trend zu nachhaltigen Anlagen findet er kritische Worte, und die Performance seines Engagements bei Daimler verärgert ihn.Am Aktienmarkt ging mit der jüngsten Korrektur Flossbach zu Folge eine “Ü30-Party” zu Ende. Er bezieht sich auf Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis jenseits von 30, also sehr hoch bewerteten Titeln. Diese Werte, viele davon Momentum-Aktien, seien “entlüftet” worden, der Dax sei inzwischen nahezu an einem Punkt angekommen, an dem die überschüssige Luft heraus sei – wenngleich der wichtigste deutsche Index bei schlechten Nachrichten immer wieder mal um 500 Punkte abrutschen könne. Der Dax ist Flossbach allerdings “zu eng”, auch weil sein Flaggschifffonds Multiple Opportunities inzwischen mit einem Volumen von rund 12,65 Mrd. Euro einfach zu groß ist für den Dax. Der Aktienanteil betrug am 30. September 67,5 %, die Kassenhaltung 15,4 %, der Rest entfiel im Wesentlichen auf Edelmetalle und Rentenpapiere. Mit den jüngsten Zukäufen ist Flossbach zufolge der Aktienanteil gestiegen. Seine größten Positionen waren Ende September Nestlé, Berkshire Hathaway, Daimler, Philip Morris, Reckitt Benckiser und BMW. Drohendes VakuumDoch gerade die beiden Autowerte treiben Bert Flossbach um, bei Daimler agiert er ein wenig wie ein aktivistischer Investor. Flossbach von Storch hält laut Bloomberg-Daten 1,7 % an dem Stuttgarter Konzern und ist damit neungrößter Aktionär. Bei Daimler fehlen Bert Flossbach Einschätzung nach “gute Eigentümer-Manager als Korrektiv”. Das Unternehmen hebe seine bestehenden Werte nicht, ist er überzeugt. Durch eine Aufspaltung in einen Pkw- und einen Lkw-Produzenten könne der Börsenwert um die Hälfte gesteigert werden, zeigt er sich überzeugt. Insofern sei es richtig, dass Vorstandschef Dieter Zetsche und Finanzchef Bodo Uebber im kommenden Jahr das Unternehmen verlassen werden. Allerdings drohe in der Zwischenzeit ein Vakuum, warnte er, zumal vom Aufsichtsrat wenig Impulse ausgingen. Während Flossbach auf Einzeltitel-Jagd geht – ausdrücklich lobte er Johnson & Johnson, bei BASF hat er jüngst zugegriffen – sieht er aus Italien dunkle Wolken heranziehen. “Die neue Regierung haut auf den Putz, und der Markt stellt die Nachhaltigkeit von Italiens Staatsfinanzen in Frage”, fasste er zusammen.Die Dramatik ergebe sich aus Finanzierungsbedarf des Landes bis Ende 2019. Flossbach bezifferte diesen auf 463,6 Mrd. Euro, wobei er eine Nettoneukreditaufnahme von 61,6 Mrd. annimmt und dafür ein Haushaltsdefizit von rund 3 % der Wirtschaftsleistung unterstellt. “Italien muss dafür Neu-Investoren finden”, sagte Flossbach. Die italienischen Banken dürften kaum noch Appetit auf weitere Staatsanleihen ihres Landes haben und die EZB wird ab nächstem Jahr nur noch ihre Bestände rollen. “Draghi lässt Markt wirken”Er rechne auch damit, dass die EZB die Dinge laufen lassen wird. “EZB-Präsident Mario Draghi wird den Markt wirken lassen. Also bleibt nur noch, was Erdogan gespürt hat.” Er bezog sich darauf, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jüngst erst dann zur Kehrtwende bereit war, als das Land drohte kein frisches Kapital mehr zu bekommen. Fiskalunion “eine Utopie”Für die Lage in Italien, so räumte Flossbach aber ein, gebe es keine einfache Lösung. Es stelle sich auf Dauer aber die Frage, was der Euro noch Wert sei, wenn ein Land mit hohen Schulden der EZB die Pistole auf die Brust setzen könne. Denn klar sei: Lasse man Italien fallen, “dann wackeln die Türme”. Eine Lösung könne in einer Fiskalunion liegen, aber deren Durchsetzung “ist eine Utopie”. Flossbach prognostizierte, die Währungsunion werde in ihrer derzeitigen Zusammensetzung das Alter von 49 Jahren der lateinischen Münzunion nicht erreichen – wobei es einen anders zusammengesetzten Euro auch in 100 Jahren noch geben könne.Skeptisch äußerte sich Flossbach zu sogenannten nachhaltigen Finanzprodukten. “Mit dem Thema Nachhaltigkeit wird Schindluder getrieben, das verkauft sich besser”, sagte er. Es handele sich um einen vagen und schwammigen Begriff, bei dem zudem die ökologische Seite gegenüber den Aspekten Soziales und Governance dominiere. Kritik übte er insbesondere an Überlegungen, sogenannte ESG-Anlagen bei der Eigenkapitalunterlegung regulatorisch zu bevorzugen. In diesem Fall drohe eine Fehlallokation von Kapital. Flossbach, der im Multiple Opportunities knapp 10 % an Gold hält, bezeichnete das Edelmetall als “das nachhaltigste Geld”.