FAKTOR-INVESTING - GASTBEITRAG

Von allein wird das Beta nicht smart

Börsen-Zeitung, 22.2.2017 Factor Funds, die letzte Evolution der Smart-Beta-Fonds, werden als Weg zwischen aktivem Portfoliomanagement und passiven Strategien gesehen. Doch damit sie ihren Mehrwert dauerhaft entfalten können, müssen einige wichtige...

Von allein wird das Beta nicht smart

Factor Funds, die letzte Evolution der Smart-Beta-Fonds, werden als Weg zwischen aktivem Portfoliomanagement und passiven Strategien gesehen. Doch damit sie ihren Mehrwert dauerhaft entfalten können, müssen einige wichtige Aspekte beachtet werden.Faktorbasiertes Investieren erfreut sich auch in Europa zunehmender Beliebtheit und kann durchaus Vorteile bringen. Damit es aber nachhaltig funktioniert, sollte man vor dem Investieren analysieren, wie die jeweiligen Ergebnisse erzielt werden, wie die Faktoren konstruiert sind, welche offenen und versteckten Kosten damit verbunden sind und nicht zuletzt, wie die einzelnen Faktoren untereinander korrelieren.Die Entstehung dieses Anlegesegments lässt sich auf die Erkenntnis zurückverfolgen, dass historische Überschusserträge von aktiven Anlagestrategien zum Teil auf systematische Faktoren zurückgeführt werden konnten. Es spielen dabei bestimmte Verhaltensmuster eine Rolle, die durch die Forscher der Behavioral Finance aufgezeigt wurden, wie etwa Anchoring – also das Extrapolieren erlebter Ereignisse -, aber auch stilbasierte Faktoren wie die Value- oder Small-Cap-Prämie.Warum sollte man diese Alpha-Quellen, also Überrenditequellen, nicht zu niedrigeren Kosten erschließen können? Aktuelle Analysen erlauben sehr differenzierte Einsichten in den Markt, da macht es wenig Sinn, die Allokation nur aufgrund der Marktkapitalisierung eines Indizes zu entscheiden.Die Herausforderung jedoch war und ist es, Muster zu identifizieren, die nicht nur historisch funktioniert haben und sich plakativ in sogenannten “Backtests” darstellen lassen, sondern vor allem jene Marktineffizienzen herauszuarbeiten, die auch in der Zukunft wiederholbar sind oder neu entstehen könnten. Es existiert dazu eine Fülle akademischer Forschung, die sich auch ständig weiterentwickelt. Es ist also wichtig, immer auf dem letzten Stand zu sein. Interaktion im Auge behaltenNicht weniger bedeutsam für den nachhaltigen Anlageerfolg mit Faktorinvestments ist die Untersuchung der Interaktion der Faktoren untereinander, aber auch mit existierenden traditionellen Portfoliobestandteilen. Hier gilt es ungewollte Überlappungen und Klumpenrisiken zu vermeiden. Jede Allokation zu Faktorfonds muss in das Gesamtdepot eingepasst werden und darf nicht isoliert betrachtet werden. Zum Beispiel kann es passieren, dass Unternehmen mit einer hohen Korrelation zwischen zwei Faktoren ausgeschlossen werden müssen. So kann ein kleineres Unternehmen bei “Value” und im “Nebenwerte”-Faktor punkten, aber wenn diese beiden Faktoren höher bewertet werden, kann es schnell zu einer ungewollten Übergewichtung in diesem Unternehmen kommen.Noch komplexer wird diese Analyse dadurch, dass auch das Zusammenspiel der Faktoren ständigen Veränderungen unterworfen ist, so dass man sehr wachsam auf eventuelle Trendwenden achten muss.Bei der Auswahl der Faktoren sollte man im ersten Schritt zwischen jenen trennen, die konstant einen Mehrwert liefern, wie etwa “Value”, “Momentum” oder “Qualität”, und jenen, die eher episodisch Zusatzerträge generieren, wie zum Beispiel “Nebenwerte” oder “hohes Beta”.Im nächsten Schritt kann man aus diesen Erkenntnissen eine neutrale Modellallokation konstruieren. Im finalen Schritt schließlich empfiehlt sich die Überprüfung der aktuellen Marktkonstellation in Bezug auf die Phase im Marktzyklus in den einzelnen Weltregionen, bevor eine Meinung hinsichtlich der bestmöglichen Positionierung in den jeweiligen Faktoren geformt wird.So sollte man beispielsweise in konjunkturellen Expansionsphasen tendenziell die Faktoren “Value”, “Momentum” und “Qualität” übergewichten, in Rezessionen würden diese Faktoren hingegen eine geringere Rolle im Portfolio spielen. In Erholungsphasen liefert neben “Qualität” auch der Faktor “Nebenwerte” meist überdurchschnittliche Erträge. Transaktionskosten beachtenSelbstverständlich gleicht kein Zyklus dem anderen, und die individuellen Umstände müssen angemessen berücksichtigt werden. Doch auch andere Aspekte müssen beachtet werden. Die Kostenfrage steht hier weit oben auf der Wichtigkeitsskala. Nicht nur die Verwaltungsgebühren sollten beachtet werden, auch beim Portfoliomanagement ist ein Fokus auf eine Begrenzung der Transaktionskosten anzuraten. So ist etwa die Umschlagquote beim Faktor “Value” eher gering, bei “Momentum” jedoch hoch. Dieser Umstand muss in die Kosten-Nutzen-Rechnung einbezogen werden, was bei “Backtests” oft vernachlässigt wird.Das stetige Wachstum des Markts für Faktor-Investments bedeutet auch, dass in einigen “crowded trades” eventuell vorhandenes Alpha zunehmend wegarbitragiert wird, hier gilt es wachsam zu sein. Im aktuellen Marktumfeld stellen wir fest, dass die Faktoren “Qualität”, “Dividenden” und “niedrige Volatilität” recht teuer sind.Faktorbasiertes Investieren ist längst keine Nische mehr, aber die Komplexität des Themas bedeutet, dass Investoren die verschiedenen Strategien im Markt genauer unter die Lupe nehmen sollten.——–David Hutchins, Lead Portfolio Manager Multi-Asset Solutions Europe, Middle East, Africa, AB