DEVISENWOCHE

Von der Dollar-Stärke zur Schwäche des Euro

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 28.2.2017 Trotz vieler Gewitterwolken zu Jahresbeginn waren die ersten Wochen am Devisenmarkt durch vergleichsweise geringe Volatilität gekennzeichnet. Ursächlich hierfür war die Auflösung von...

Von der Dollar-Stärke zur Schwäche des Euro

Von Holger Achnitz *)Trotz vieler Gewitterwolken zu Jahresbeginn waren die ersten Wochen am Devisenmarkt durch vergleichsweise geringe Volatilität gekennzeichnet. Ursächlich hierfür war die Auflösung von Dollar-Long-Positionen in moderatem Umfang, wobei Marktakteure in ihrer Gesamtheit trotzdem weiterhin von einer weiteren Aufwertung ausgehen. Die Gründe hierfür seien an dieser Stelle nochmals kurz erwähnt. Erstens: Hohe Erwartungen an den fiskalischen Stimulus der neuen US-Administration (Infrastrukturinvestitionen und Reform der Unternehmenssteuern, beides vermutlich Bestandteil der ersten Ansprache von Präsident Trump vor dem Kongress), inzwischen reflektiert durch um 0,5 % gestiegene Kapitalmarktzinsen und stark gestiegene US-Aktienindizes. Zweitens: Erwartung weiterer Zinserhöhungen durch die US-Notenbank im weiteren Jahresverlauf. Bekanntlich haben aber nicht nur Medaillen, sondern auch Währungspaare zwei Seiten, warum nunmehr auch eine Einschätzung der Euro-Perspektive für die kommenden Wochen lohnen sollte:1. Das Auf und Ab der Kandidaten in den Umfragen vor der französischen Präsidentschaftswahl hat in der vergangenen Woche über den Transmissionsriemen OAT-Bund-Spread auch den Euro erfasst und vereinzelt zu erhöhter Intraday-Volatilität geführt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Effekt verstärkt, je näher der Wahltermin rückt. Besondere Beachtung verdient wie immer in solchen Phasen der Euro-Franken-Wechselkurs.2. Eher für den Euro spricht eine Reihe von jüngst veröffentlichten Konjunkturdaten, die die Eurozone insgesamt auf dem besten Wachstumskurs seit der globalen Finanzkrise sehen und damit in absehbarer Zeit das Ende der außerordentlichen geldpolitischen Maßnahmen einleiten sollten.3. Am wichtigsten für die Kursentwicklung des Euro in den kommenden Monaten wird jedoch die Entwicklung von Zahlungsbilanz, Direktinvestitionen und privaten Portfolio Flows sein, die sogenannte “Private Basic Balance”. Exportstärke stabilisiertZur Erinnerung: Die Eurozone erzielt einen durchschnittlichen Zahlungsbilanzüberschuss von zuletzt satten 31 Mrd. Euro im Monat, das sind etwa 3 % ihrer Wirtschaftsleistung. Private Portfolio Flows (im wesentlichen Anleihe- und Aktienkäufe institutioneller Investoren) schlagen seit Anfang 2015, d.h. dem Beginn des quantitativen Easings der EZB, mit Mittelabflüssen in einer Größenordnung von 35 Mrd. Euro zu Buche. Direktinvestitionen – die kleinste dieser drei Größen – weisen typischerweise einen Negativsaldo von 5 bis 10 Mrd. aus, aber 2016 gab es einen Zufluss von 5 Mrd. Euro. In Summe ergibt sich also ein Gleichgewicht, so dass der Euro-Dollar-Kurs seit zwei Jahren – ungeachtet aller zwischenzeitlich diskutierten Krisenszenarien – in einer Spanne von fünf bis acht US-Cents verharrt. Anders gesagt: Exportstärke und ein Mangel an hiesigen Investitionsmöglichkeiten halten den Euro auf niedrigem Niveau stabil. Dies könnte sich aus den folgenden Gründen in diesem Jahr ändern:1. Die Folgen des Brexit: Ungefähr ein Drittel des oben genannten Zahlungsbilanzüberschusses stammt aus dem Handelsbilanzüberschuss mit Großbritannien. Auch wenn sich die britischen Konsumenten bisher als weitgehend resistent gegenüber steigenden Preisen gezeigt haben, ist zu erwarten, dass früher oder später höhere Importpreise einen Nachfragerückgang nach Gütern aus der Eurozone bewirken und sich somit negativ auf die Handels- und damit die Zahlungsbilanz auswirken. Wahlen führen zu Unruhe2. Wahlen im Kern der Eurozone: Die in diesem Jahr noch anstehenden Wahlen sollten zumindest temporär einen Anstieg der impliziten Währungsvolatilität verursachen. Diese hat in den vergangenen Jahren mit den Direktinvestitionen in der Eurozone korreliert, d. h., steigende Volatilität verursacht einen Rückgang von Investitionen. Insofern besteht ein Risiko für den wie beschrieben zuletzt positiven Saldo von Investitionen, da politische Unsicherheit die Investitionstätigkeit typischerweise hemmt. Der im Vergleich zu Frankreich und Deutschland politisch betrachtet eher weniger wichtigen Wahl in den Niederlanden am 15. März kommt aus Sicht der Citigroup-Analysten eine höhere Bedeutung zu, da je nach Ergebnis steigende Risikoprämien (z. B. Spreads zu Bunds) die Folge sein können.3. Folgen der Geld- und Fiskalpolitik: Wie bereits erwähnt, hat sich das Zinsniveau in den USA seit der Präsidentschaftswahl moderat nach oben bewegt. Die meisten Analysten erwarten eine Fortsetzung dieses Trends, wobei das Ausmaß durch die jetzt noch nicht genau bekannte Ausweitung der Staatsverschuldung sowie von der weiteren konjunkturellen Entwicklung und der Antwort der Federal Reserve hierauf abhängt. Während auch in der Eurozone nach Jahren restriktiver Haushaltspolitik moderate Erleichterungen wahrscheinlich sind, werden die Effekte hier später wirken als auf der anderen Seite des Atlantiks. Daher sollte trotz der jüngsten Konsolidierung das in den USA höher bleibende Zinsniveau weiterhin als Magnet für Anlagegelder fungieren.Fazit: Die realwirtschaftlichen Zahlungsströme, reflektiert in der Handels- und Zahlungsbilanz, sollten noch im ersten Halbjahr zu einem weiteren Rückgang des Euro und letztendlich zu einem Bruch des im Januar verzeichneten Tiefstkurses von 1,0317 Dollar führen.—-*) Holger Achnitz ist Leiter des Devisenhandels bei Citi Deutschland.