Wachstum nur bei Neuaufstellung

Citigroup sieht Telekombranche am Scheideweg - Digitale Transformation muss gemeistert werden

Wachstum nur bei Neuaufstellung

Der Datenverkehr hat dank Smartphones und Digitalisierung aller Lebensbereiche massiv zugenommen. Profitiert haben aber nicht die Telekomkonzerne und deren Aktionäre, wie die Citigroup in einer Studie schreibt. Die Unternehmen müssten neue Wege finden, um noch Geld zu verdienen.amb Frankfurt – Telekommunikationsaktien gelten wegen stetiger Cash-flows und hoher Dividendenrenditen eigentlich als defensiv. Nach Ansicht der Citigroup müssen sich die Anbieter von Festnetz- und mobiler Sprachtelefonie aber auf schwierige Zeiten einstellen. Der Grund: die Digitalisierungswelle. Einer Studie der US-Bank zufolge haben die Telekomunternehmen zwei Möglichkeiten: Entweder sie bleiben bei ihrem Geschäftsmodell als einfacher Infrastrukturanbieter, die Analysten sprechen von “dump pipe” – mit der Folge niedrigerer Wachstumsraten – oder sie setzen auf die digitale Transformation. Telekomunternehmen wären dann nicht mehr nur Verkäufer von Telefonverbindungen, sondern Anbieter digitaler Dienstleistungen in Zukunftsbereichen wie dem Internetfernsehen (IPTV), dem Internet der Dinge (IoT) oder der Virtual Reality (VR).Telefonieren hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert, mit dem “alten” Telefonieren über Festnetz zu Hause oder in Telefonzellen hat die heutige Welt, in der fast jeder ein Smartphone hat, nichts mehr zu tun. Derweil haben die traditionellen Telekomunternehmen ihre Infrastruktur massiv ausgebaut. Gewinne und Umsätze steigern konnten die Unternehmen in den vergangenen Jahren allerdings kaum, wie die Citigroup schreibt, explosiv gewachsen seien nur die Internetunternehmen. Das Auseinanderklaffen von Telekommunikationsunternehmen und Internetdienstleistern zeige sich auch an der Börse: So ist der Branchenindex S & P Internet in den vergangenen fünf Jahren um 15,83 % p. a. gestiegen, der S & P Telecommunication Services hingegen nur um 6,2 % p. a.Gesättigte Märkte, zunehmende Regulierung und heftiger Wettbewerb – das sind der Studie zufolge die Gründe für das nur langsame Wachstum in der Telekommunikationsbranche. Die Zukunft sieht nach Ansicht der US-Bank nicht besser aus: Etwa müsse noch sehr viel Geld in den Aufbau der Mobilfunkübertragungstechnik 5G gesteckt werden. Zudem machten neue Geschäftsmodelle – zum Beispiel von Adressen, die ausschließlich Mobilfunkmasten oder Verbindungen über Satelliten anbieten – den Unternehmen zu schaffen. Nicht zuletzt gebe es Konkurrenz durch die sogenannten OTT-Anbieter (“over the top”) wie Whatsapp und Skype, die die Netze belasteten, an denen die Netzbetreiber aber nichts verdienten. Investitionen nötigEntscheidend sei daher, den steigenden Datenfluss zu Geld zu machen. Selbst der teilweise Verkauf von Infrastruktur könne Sinn machen, um die nötigen Investitionen zu stemmen, ebenso das Teilen von Infrastruktur, etwa von Mobilfunktürmen oder Leitungen. Als Zukunftsfelder sehen die Analysten zum Beispiel Internetfernsehen (IPTV), Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) inklusive Telematik, Finanzdienstleistungen (Fintech), Big Data und Virtual Reality. “Die Telekommunikationsunternehmen können davon profitieren, garantiert ist der Erfolg aber nicht”, heißt es in der Studie. Die Bank sieht Gewinner und Verlierer.Konkrete Empfehlungen sprechen die Analysten nicht aus. Sie nennen aber erste Beispiele für erfolgversprechende Strategien: Hervorgehoben wird etwa Verizon mit dem Kauf des Yahoo-Kerngeschäfts und der auf Fuhrparkmanagement spezialisierten Softwarefirma Fleetmatics. Die hohen Investitionen des japanischen Mobilfunkanbieters NTT Docomo und von Singtel aus Singapur in Content-Verbreitung, Internetfernsehen, Finanzdienstleistungen, Online-Werbung, E-Commerce und Big Data kommen auch gut an.Ebenfalls gemeinsame Angebote einiger westeuropäischer Unternehmen, etwa Telefónica und Swisscom, werden gelobt. Ebenfalls auf dem richtigen Weg seien Telekommunikationskonzerne aus Schwellenländern wie MTN aus Südafrika, Vimpelcom aus Russland, Turkcell aus der Türkei, PLDT aus den Philippinen und Safaricom aus Kenia, die alle wichtige Schritte in Richtung E-Commerce sowie digitale Plattformen für Finanzen und Unterhaltung unternommen hätten. Ebenfalls genannt wird der nach dem Spin-off der Infrastruktur-Assets erste infrastrukturfreie ehemalige Monopolist O2 Czech Republic mit Fokus auf IPTV, E-Commerce und B2B-Geschäft. Anders als zum Teil vermutet sei der Markt im Übrigen noch nicht an Google & Co. verloren, heißt es. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple, Google, Facebook, Nike, Coca-Cola und Huawei verkauften nicht nur ein Produkt, sondern setzten auf ein einmaliges Kundenerlebnis und nutzten zudem Skaleneffekte – ein Weg, der auch den Telekommunikationsunternehmen offenstehe. Zeichen der Zeit erkanntDie Deutsche Telekom ist für die Citigroup übrigens ein Unternehmen, das die Zeichen der Zeit erkannt hat, wie Citigroup-Autor Willi Weber in einem bereits im Juni veröffentlichten Blog über Trends in der Branche schrieb. So sei der Bonner Konzern in das vielversprechende Cloud-Geschäft eingestiegen. “Das Angebot kommt gut an, auch deshalb, weil viele Kunden ihre Daten aus Sicherheitsgründen lieber in Europa speichern wollen, als sie auf US-Server zu stellen.” Ein weiterer Pluspunkt sei die ausgesprochen positive Entwicklung bei T-Mobile USA.Auch von anderen Analysten wird die Deutsche Telekom derzeit fast durchweg zum Kauf empfohlen. So haben zuletzt BNP Paribas, Goldman Sachs, UBS, HSBC, Merrill Lynch, Kepler Cheuvreux und Barclays mit “Buy” oder “Outperform” votiert, lediglich J.P. Morgan, die Berenberg Bank und die Commerzbank stufen die Aktie auf “Hold”. Goldman Sachs (Kursziel 19,50 Euro) nennt den nachlassenden Wettbewerbsdruck im deutschen Mobilfunkmarkt als Grund, auch wenn die Wachstumsperspektiven begrenzt blieben, zudem sei der Festnetzmarkt attraktiv. Laut HSBC (Kursziel 18 Euro) entwickelt sich T-Mobile US überdurchschnittlich, die europäischen Aktivitäten machten zwar langsame, aber beständige Fortschritte.Kepler (Kursziel 18 Euro) zufolge winkt der Telekom dank des starken heimischen Festnetzgeschäfts und der voraussichtlichen Wende in den USA weiteres Wachstum, das Papier biete zudem die Aussicht auf einen möglichen “Kick” durch einen Verkauf oder eine Allianz der US-Tochter. Für die Aktie spreche auch die attraktive Bewertung.Etwas zurückhaltender zeigt sich dagegen J. P. Morgan: Das dritte Quartal der europäischen Telekommunikationsunternehmen werde nicht gerade “inspirierend” ausfallen, daher wird der Sektor trotz der in diesem Jahr “dramatisch unterdurchschnittlichen” Kursentwicklung immer noch vorsichtig eingeschätzt. Anlegern könnten sich jedoch in Kürze Kaufgelegenheiten bieten, denn die Umsatzaussichten dürften sich ab Mitte des kommenden Jahres bessern.