Wall Street lässt sich wenig anmerken

Zinserhöhung der Fed berührt Investoren kaum - Gefahr geht von hohen Erwartungen an Steuerpläne aus

Wall Street lässt sich wenig anmerken

Wenn die Notenbank die Zinsen erhöht, steigt an der Börse der Druck auf die Aktienkurse, lautet eine Binse. Fünfzehn Monate nach dem Start in den jüngsten Straffungskurs der Fed ist ein Ende des Bullenmarktes in den USA allerdings nicht abzusehen. Für Ernüchterung könnte vielmehr die neue Regierung sorgen.sp New York – Die US-Notenbank hat mit der Zinserhöhung am vergangenen Mittwoch die Erwartungen der Marktakteure erfüllt. Dem Bullenmarkt in den USA dürfte auch 15 Monate nach dem zaghaften Start in den laufenden Zyklus einer vorsichtigen Straffung der Geldpolitik aber nicht so schnell die Puste ausgehen. Schon vor dem mit ungewöhnlich deutlichen Signalen angekündigten Zinsschritt hatte sich die Wall Street kaum etwas anmerken lassen.”Ein Bärenmarkt wird nicht von einer Zinserhöhung verursacht, sondern davon, dass die Fed die Zügel zu stark anzieht”, erklärte Richard Bernstein von Richard Bernstein Advisors schon vor dem Treffen des Offenmarktausschusses der Fed in der vergangenen Woche. Ein Blick zurück auf vergangene Zinserhöhungszyklen bestätigt das zumindest für vergleichbare Zeitpunkte, also jeweils 15 Monate nach Start in einen Zyklus. Über diesen Zeitraum in einem neu gestarteten Zyklus hat sich der S & P 500 zum letzten Mal vor dreißig Jahren rückläufig entwickelt. Im laufenden Zyklus, den die Fed im Dezember 2015 mit der ersten Zinserhöhung seit einem Jahrzehnt startete, hat der Index in den vergangenen 15 Monaten rund 16 % zugelegt. Es ist die beste Performance in einem solchen Zyklus seit zwei Jahrzehnten (siehe Grafik).”Dieser Zyklus ist anders”, kommentiert Patrick Schafer von J.P. Morgan Private Bank. Denn während die Fed die Zinsen von einem historisch niedrigen Niveau nur vorsichtig anhebt und mittlerweile bei einer Federal Fund Rate von 0,75 bis 1,0 % angelangt ist, hat die Börse weiter starken Auftrieb dank steigender Unternehmensgewinne sowie der Aussicht auf Steuersenkungen und den Abbau von Regulierung, die die US-Regierung versprochen hat.Nicht nur die Investoren sind optimistisch, auch die Manager. Der CEO Economic Outlook Index, den der Business Roundtable, eine Vereinigung von Unternehmenslenkern erhebt, ist im ersten Quartal so stark gestiegen wie noch nie seit Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Sprung um 19,1 Punkte auf nunmehr 93,3 hob den Index auch zum ersten Mal seit sieben Quartalen wieder über den langjährigen Durchschnittswert von 79,8. Liegt der Wert oberhalb von 50 Punkten, signalisiert der Index eine Expansion mit Blick auf Umsatz, Investitionen und Beschäftigung. Der Ausblick auf die Geschäfte in den nächsten sechs Monaten kletterte auf 123,8 Punkte und liegt jetzt auf dem höchsten Wert seit fünf Jahren. CEO als Chief Euphorie OfficerVon den 141 befragten CEOs, die mehr als 6 Bill. Dollar Umsatz und rund 15 Millionen Beschäftigte repräsentieren, gab nach Angaben des Business Roundtable mehr als die Hälfte an, dass die Regierung mit einer Steuerreform am ehesten zu einem wachstumsfreundlicheren Umfeld beitragen könnte. Die hohen Erwartungen an die Steuerpläne der Regierung stellen für den Bullenmarkt in den USA derzeit denn auch die größere Gefahr als eine etwas straffere Geldpolitik der Fed dar.Erste Anzeichen dafür lassen sich an der Entwicklung des Russell 2000 Index ablesen, in dem die Aktien von US-Mittelständlern enthalten sind. Nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten Anfang November legte der Index bis zum Jahresende um 14 % zu, weil sich gerade die kleineren und stärker am Inland orientierten Unternehmen Entlastung durch die neue Administration versprachen. Für den S & P 500, in dem viele Unternehmen enthalten sind, die ihre Steuerquote schon heute deutlich unter die geltenden Unternehmenssteuersätze in den USA drücken, indem sie etwa ihre zu großen Anteilen im Ausland erzielten Gewinne außerhalb der US-Grenzen parkten, fiel die Trump-Rally in den ersten Monaten mit 6,2 % bescheidener aus. Seit dem Jahreswechsel haben sich die Verhältnisse allerdings umgedreht. Während der S & P 500 noch einmal 6,2 % oben drauf gepackt hat, konnte der Russell 2000 nur noch um 2,5 % zulegen.”Da ist schon einige Enttäuschung über eine Verschiebung der Steuerreform eingepreist, die kleineren Unternehmen mehr zu schaffen machen würde”, sagt Jim McDonald von Northern Trust. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, hat bereits signalisiert, dass die angekündigten Steuersenkungen für Unternehmen und den Mittelstand erst nach dem Sommer kommen werden.