Wall Street schüttelt sich nach China-Panik

Keine Entwarnung nach Erholung der Aktienkurse am Dienstag - SEC überprüft Apple-CEO Cook

Wall Street schüttelt sich nach China-Panik

Von Sebastian Schmid, New YorkVerkehrte Welt an der Wall Street. Normalerweise gibt der US-Aktienmarkt den Börsen weltweit die Richtung vor. In den vergangenen Handelstagen sorgte indes Chinas Börsen-Crash dafür, dass auch US-Titel dramatisch an Wert einbüßten. Der Rückgang des S & P 500 um knapp 7 % am Freitag und am Montag entsprach dem kräftigsten Kursrutsch binnen zwei Tagen seit dem Höhepunkt der Finanzkrise im Dezember 2008. Am Dienstagmittag in New York sah es zwar zunächst so aus, als ob die US-Aktien nach der Leitzinssenkung in China das Gröbste hinter sich haben könnten. Der Leitindex S & P 500 notierte klar fester. Das muss aber nicht viel heißen. Die Verunsicherung am Markt blieb auch am zweiten Wochentag greifbar. Selbst am Montag hatte der US-Leitindex untertägig für Stunden nur gut 1 % unter Vortagesschluss tendiert, während in Europa und Asien die Kurse im hohen prozentual einstelligen Bereich nachgegeben hatten. Erst am Nachmittag war der S & P 500 noch auf ein Minus von knapp 4 % eingebrochen. Deals gefährdetEine anhaltende US-Aktienmarktschwäche könnte mannigfaltige Folgen haben. So wachsen unter den US-Finanzmarktteilnehmern bereits die Zweifel an dem zuvor für September bereits fest eingeplanten Zinsanhebungsschritt der Notenbank Fed. Das M & A-Rekordjahr hängt ebenfalls in der Schwebe. Zwar sind zunächst vor allem Deals im Reich der Mitte gefährdet. Aber auch in den USA dürfte angesichts der Kursverluste mancher Kaufinteressent vorsichtiger werden.Besonders besorgt zeigen sich die Technologieinvestoren wegen der China-Krise. Die Aktien von Branchenstars wie Apple, Amazon, Google, Netflix oder Facebook verloren in den vergangenen Tagen dramatisch an Wert. Insbesondere den iPhone-Hersteller traf die Panik wegen des Börsen-Crashs in China knüppeldick. Die Apple-Aktie, die am 20. Juli noch bei 132 Dollar geschlossen hatte, sackte am Montag zeitweise unter 100 Dollar ab. Den Investoren macht die hohe Abhängigkeit des teuersten börsennotierten Konzerns der Welt vom China-Geschäft zu schaffen. Das Reich der Mitte war für den Konzern aus Cupertino (Kalifornien) in den vergangenen Jahren der Wachstumstreiber schlechthin. Im Ende Juni abgelaufenen dritten Quartal hatte das Unternehmen den dortigen Umsatz auf 13,2 Mrd. Dollar mehr als verdoppelt. Damit steht die Region bereits für mehr als ein Viertel der Konzernerlöse.Apple-Chef Tim Cook beeilte sich am Montag, nach dem Absturz der Apple-Aktie aufkommende Sorgen zu zerstreuen. In einer E-Mail an den CNBC-Moderator Jim Cramer, der eine beliebte Anlegersendung leitet, schrieb Cook, er werde täglich über die Entwicklung in China informiert. “Ich kann versichern, dass wir in Juli und August weiter starkes Wachstum in China festgestellt haben”, schrieb er. Das iPhone-Wachstum habe sich in den vergangenen Wochen sogar beschleunigt, der App Store habe sich zuletzt besser denn je entwickelt.Bei den Anlegern hatte die über Twitter weiter verbreitete E-Mail Cooks den gewünschten Effekt. Die Apple-Aktie legte am Dienstag am Vormittag um 5,1 % auf 108,38 Dollar zu und stoppte damit zumindest den Abwärtstrend. Die etwas unbedachte Offenheit des Apple-Chefs in einer privaten E-Mail-Kommunikation könnte ihm nun allerdings Probleme bereiten. Die US-Wertpapieraufsicht SEC prüft, ob Cook Offenlegungspflichten verletzt hat, indem er Insiderinformationen an Cramer weitergereicht hat.Während die Apple-Aktie mit den Aussagen Cooks wieder auf positives Terrain zurückfand, haben die US-Aktienindizes insgesamt von der Zinssenkung der chinesischen Zentralbank profitiert. Diese hat den Leitzinssatz um einen Viertelprozentpunkt auf 4,6 % reduziert. Bis zum späten Vormittag legte der S & P 500 daraufhin um 2,7 % auf 1 945 Zähler zu. Auch Dow Jones Industrial Index und Nasdaq Composite kletterten um mehr als 2,5 %. Späterer Zinsschritt erwartetWedbush-Aktienstratege Michael James zeigte sich “wenig überrascht” davon, dass die Märkte am Dienstag einen Teil der Verluste aufgeholt haben. Allerdings sei es fraglich, ob das Niveau gehalten werde. Das Einzige, was sicher scheine, sei eine hohe Volatilität. Auseinander gehen die Meinungen darüber, ob eine Zinsanhebung der Fed im September die Verunsicherung im Markt verringern oder verstärken würde. Allerdings geben Händler laut Bloomberg dem Zinsschritt im kommenden Monat nur noch eine Chance von 1 zu 4. Vor der Yuan-Abwertung war die Wahrscheinlichkeit noch auf 1 zu 2 beziffert worden. Die Notenbanker wollen sich indes nicht zu schnell von der Erhöhung abbringen lassen. Atlantas Fed-Präsident Dennis Lockhart erklärte Anfang der Woche, er rechne weiter mit höheren Zinsen noch im laufenden Jahr. Schon jetzt ist aber absehbar, dass die erwartete Annäherung der Inflationsrate an den Zielwert von 2 % mit der Yuan-Abwertung und den sinkenden Ölpreisen vorerst ausbleiben dürfte.