TECHNISCHE ANALYSE

Wall Street steuert auf Entscheidung zu

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 20.4.2016 Seit dem Frühjahr 2015 befinden sich die meisten internationalen Indizes in einer Korrekturphase. Das Geschehen der letzten Handelstage deutete auf den ersten Blick an, dass diese Phase ein Ende...

Wall Street steuert auf Entscheidung zu

Von Stephen Schneider *)Seit dem Frühjahr 2015 befinden sich die meisten internationalen Indizes in einer Korrekturphase. Das Geschehen der letzten Handelstage deutete auf den ersten Blick an, dass diese Phase ein Ende gefunden haben könnte. Tatsächlich hellte sich das mittel- und langfristige technische Bild auch massiv auf, dennoch bleiben letzte Aspekte, die Skepsis hervorrufen. So rangiert z. B. der Dow Jones Industrial Index knapp unter seinem Rekord. Im Bereich von 18 200 bis 18 350 Punkten sind mehrere Widerstände identifizierbar. Gleichzeitig lässt sich bei 18 250 Zählern ein mögliches rechnerisches Ziel konstruieren, das einen Wendepunkt markieren könnte. Das Überwinden dieser Marken wird vermutlich eine sehr hohe Dynamik erfordern. Grundsätzlich wollen wir dem Index diese Dynamik nicht absprechen, jedoch wird ein Ausbruch vor allem in Verbindung mit den dargestellten Indikatoren mehr als schwierig. So steht der RSI kurz vor seinem Sprung in den überkauften und damit überhitzten Bereich. Meist folgt einer solchen Bewegung eine kurze, etwa eine Woche andauernde Korrektur. In der aktuellen Konstellation dürfte sich aber bis Monatsende eine negative Divergenz bilden, die dann eine übergeordnete Korrektur fordert. Sollte sich der Index an die idealtypischen Vorgaben halten, dürfte er über gut drei Wochen korrigieren. Schwacher MaiWird der Mai damit seinem Ruf als schwacher Monat erneut gerecht werden? Fast scheint es so, obwohl sich die alte Börsenweisheit “Sell in May and go away” meist nur nach mittelfristigen Aufwärtstrends bewahrheitet hat. Die Bewegung seit Mitte Februar kann aber noch nicht als Trend gewertet werden, obwohl sie eine sehr steile und überdurchschnittlich lange Tendenz zeigt. Der eingangs genannte Widerstandsbereich dürfte dem Ansturm der Optimisten vermutlich also – zumindest zunächst – standhalten. Anschließend müssen die Bären aber aufpassen, dass sie nicht in die Falle tappen, denn der im Mai erwartete Rücksetzer könnte nur eine Art “Anlaufnehmen” darstellen. Sollte der Ausbruch anschließend (im Juni?) gelingen, würde ein mittelfristiges Kaufsignal generiert. Das übergeordnete Bild dürfte sich gleichzeitig rapide bessern, denn die Anzeichen würden dann auf ein Ende der langfristigen Korrektur hindeuten. Setzt der Index anschließend auf das Ausbruchsniveau auf und prallt erneut nach oben weg, dürfte sich sogar ein neuer Trend etablieren. Das nächste Ziel läge dann bei 20 500 Zählern. Die Tatsache, dass der Dow in diesem Fall den Anstieg von 2011 bis Frühjahr 2015 in einem knappen Jahr und im Rahmen einer Seitwärtsbewegung konsolidiert hätte, würde zu dem idealtypischen Verhalten des Index passen.Zu euphorisch wollen wir aber noch nicht werden, denn zum einen muss der Index zunächst tatsächlich signifikant nach oben ausbrechen, zum anderen findet der Dow auch im Wochenchart eine markante Hürde. Diese lässt sich auf Schlusskursbasis konstruieren und verläuft bei knapp 18 000 Punkten. Kann der Index bis Freitag anziehen oder sein aktuelles Niveau zumindest halten, wäre aber ein weiterer Stolperstein hin zu einem neuen Aufwärtstrend aus dem Weg geräumt. Dax hinkt hinterherVor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, wie sich der Dax im Kielwasser der Wall Street entwickeln wird. Aktuell trifft er auf seine 200-Tage-Linie, die er in der Vergangenheit in vergleichbaren Konstellationen aber meist – zumindest kurzfristig – übertreffen konnte. Sollte dies auch aktuell gelingen, wäre der Weg frei bis knapp 10 700 Punkte. Hier findet sich ein rechnerisches Ziel, das nur sehr schwer zu überwinden sein dürfte. Sollte es die Bullen dennoch nicht aufhalten können, wäre der nächste Wendepunkt bei etwa 11 000 Zählern zu suchen. Im mittelfristigen Vergleich hinkt der Dax aber etwas hinterher. Anders als beim amerikanischen Index besteht bei ihm noch die Gefahr, dass es sich bei der Bewegung seit Mitte Februar lediglich um eine zwischenzeitliche Erholung im Rahmen eines intakten Abwärtstrends handelt, der eine mehrmonatige Abwärtswelle folgen wird. Die Wahrscheinlichkeit neuer Tiefstkurse ist mit dem jüngsten Übertreffen des Widerstands bei 10 100 Punkten zu Anfang der Woche sicherlich gesunken, ein nochmaliger Rücksetzer, der dann für eine Art “W-Formation” im übergeordneten Bild sorgen wird, ist aber nicht auszuschließen.Zu diesem Bild gesellen sich Unsicherheiten am Rentenmarkt. Im Chart der zehnjährigen Bundrendite scheinen die kurz- und gleichzeitig die mittelfristigen Indikatoren einen Boden auszubilden. Sollten die Sätze in den kommenden Tagen um etwa 20 Stellen anziehen, wird also nicht nur ein kurz-, sondern auch ein mittelfristiges Signal generiert. In der Folge dürften die Sätze nochmals um etwa 50 Stellen zulegen. Nach einem erneuten Rücksetzer sind Niveaus oberhalb der 1 %-Marke wahrscheinlich. Eine solche Bewegung würde wiederum ein übergeordnetes Signal mit sich bringen und für einen langfristigen Renditeanstieg sprechen.Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Dow Jones Industrial Index einen neuen, mittelfristigen Aufwärtstrend starten könnte. Zunächst sollten Anleger aber mit einem mehrwöchigen Rücksetzer rechnen. Gelingt anschließend der Ausbruch über die historischen Höchstkurse, wäre der Weg für weitere Gewinne von etwa 15 % frei.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der WGZ Bank.