NACH DEM GRIECHEN-REFERENDUM - DEVISENWOCHE

Warum Griechenland dem Euro nicht schadet

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 7.7.2015 Nach dem griechischen Referendum wird ein Grexit (die Einführung einer eigenen Währung in Griechenland) immer wahrscheinlicher. Dem Euro schadet das nicht. Zugegeben, sowohl zum Handelsauftakt...

Warum Griechenland dem Euro nicht schadet

Von Ulrich Leuchtmann *)Nach dem griechischen Referendum wird ein Grexit (die Einführung einer eigenen Währung in Griechenland) immer wahrscheinlicher. Dem Euro schadet das nicht. Zugegeben, sowohl zum Handelsauftakt vergangene Woche (als das Referendum angekündigt wurde) als auch diese Woche (als sich das Ergebnis des Referendums zu Handelsbeginn abzeichnete) eröffnete der Euro-Dollar-Kurs im asiatischen Handel sichtbar niedriger. Doch konnten die Verluste beide Male schnell wieder aufgeholt werden. Nachhaltige Euro-Schwäche sah man nicht. Im Gegenteil: Gegenüber dem Durchschnitt der G10-Währungen konnte die Gemeinschaftswährung seit Anfang Mai zulegen – obwohl sich eine Zuspitzung der Griechenland-Krise schon eine ganze Weile andeutete.Der Devisenmarkt scheint im Gegensatz zu anderen Märkten (Peripherie-Anleihen, Aktien) gegenüber schlechten Nachrichten aus Griechenland taub zu sein. Wie kommt das? Sind die Devisenhändler etwa ignorant oder überoptimistisch, und kommt das große Erwachen in Form von Euro-Schwäche später? Ich glaube nicht.Die Eurozone besitzt heute starke Mechanismen zur Eindämmung von Krisen. Insbesondere das OMT-Versprechen der EZB war 2012 in einer schwierigen Situation äußerst erfolgreich. Die Drohung allein reichte damals aus, um die Märkte hinreichend zu disziplinieren und die Renditeaufschläge für krisengeschüttelte Staatsanleihen nachhaltig zu senken. Das OMT-Versprechen gilt weiterhin. Der EZB-Rat hat in Stellungnahmen wiederholt seine Entschlossenheit betont, “alle ihm innerhalb seines Mandats zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen” – ein deutlicher Wink mit der OMT-Drohung. OMT-Drohung giltÄhnlich wie 2012 kann man davon ausgehen, dass die OMT-Drohung auch heute ausreicht, um Ansteckungseffekte auf Euroraum-Anleihenmärkte hinreichend zu begrenzen. Die EZB dürfte auch im Fall eines Grexit nicht OMT aktivieren müssen. Zwar stiegen die Renditeaufschläge für italienische und spanische Staatsanleihen seit Mitte März an. Doch sind sie von Krisenniveaus immer noch meilenweit entfernt. Eine Spirale wie 2011/12, in der höhere Renditen die fiskalischen Risiken ansteigen ließen und zu noch höheren Risikoaufschlägen bzw. Renditen führten, ist nicht abzusehen. Die OMT-Drohung wirkt!Die langen Verhandlungen mit Griechenlands Regierung haben deutlich gemacht, dass ein möglicher Grexit kein Unfall wäre, der jederzeit mit einem anderen Land wieder vorkommen könnte. In der Tat hat der von vielen als zu weitreichend empfundene Kompromisswille der europäischen Institutionen deutlich gemacht, dass ein Grexit die Folge des offenen Reformunwillens der griechischen Regierung wäre. Damit ist Griechenland ein Sonderfall. Zudem wären schwerwiegende wirtschaftliche Folgen eines Grexit ein mahnendes Beispiel dafür, dass die Wiedereinführung einer nationalen Währung kein Pappenstiel wäre, der aufgrund zyklischer Erwägungen in Frage käme. Sorgen, ein Grexit könne die Währungsunion in einen Club verwandeln, aus dem man beliebig austreten könne, erscheinen angesichts dieser Umstände unbegründet. Solche Sorgen belasteten den Euro, denn eine Währungsunion, die ständig ihre Mitglieder bei der Stange halten muss – zur Not mit Unterstützung der EZB -, wäre kaum in der Lage, eine nachhaltig stabile Währung zu emittieren. Nachhaltigere UnionLetztendlich enthielte eine “harte” Haltung der Geberländer auch positive Aspekte für den Euro, selbst wenn das zum Grexit führt. Dabei will ich gar nicht auf Chauvinismen à la “ein Problem weniger” abstellen. Nein, ein in wirtschaftlicher Krise versinkendes Griechenland wäre immer ein Problem für ein halbwegs verantwortungsvolles Europa. Jedoch würde eine “harte Haltung” ein wesentliches Strukturproblem Europas lösen.Mit dem ersten Hilfspaket für Griechenland in 2010 wurde die No-Bail-out-Klausel der EU-Verträge außer Kraft gesetzt (wenn auch nicht in juristischem, so doch in ökonomischem Sinn). Damit befand sich Europas Währungsunion in einem gefährlichen Schwebezustand. Denn einerseits wurde Euroraum-Ländern finanzielle Verantwortung für das Wohl und Wehe anderer Euroraum-Länder aufgebürdet. Andererseits fehlen in einem Europa ohne politische Union die Mitspracherechte über Entscheidungen, die fiskalische Risiken begründen. Das schaffte Konflikte, die Europa beschädigten. Kehrt Europa zu einer Politik zurück, in der finanzielle Rettung von Krisenländern systemischen Krisen vorbehalten bleibt, kann kaum noch jemand annehmen, dass solche Konflikte zum Dauerzustand würden. Zunehmende politische Stabilität könnte Europas Währung stabiler machen.Wir rechnen weiterhin mit schwächeren Euro-Dollar-Notierungen. Im nächsten Jahr halten wir weiterhin die Parität für erreichbar. Allerdings dürften dafür eher ein starker Dollar und die zyklische Komponente der EZB-Geldpolitik verantwortlich sein. Von Krisen im Euroraum dürfte aus heutiger Sicht kaum eine Belastung für Europas Währung ausgehen.—-*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.