GASTBEITRAG

Warum uns die Märkte 2018 Kopfzerbrechen bereiten

Börsen-Zeitung, 6.1.2018 Volkswirtschaften und Märkte verwirrten Anleger und Ökonomen in den vergangenen zwölf Monaten gleichermaßen. Bisher gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich dies 2018 ändern wird. Besonders schwierig einzuschätzen war der...

Warum uns die Märkte 2018 Kopfzerbrechen bereiten

Volkswirtschaften und Märkte verwirrten Anleger und Ökonomen in den vergangenen zwölf Monaten gleichermaßen. Bisher gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sich dies 2018 ändern wird.Besonders schwierig einzuschätzen war der weltweite Anstieg der Aktienmärkte: Eine ganze Reihe von Schlagzeilen hätte unter normalen Umständen die Bereitschaft der Anleger gedämpft, in riskantere Anlagen wie Aktien zu investieren. Der unorthodoxe Politikstil Donald Trumps, die zähen Brexit-Verhandlungen, der zunehmende Nationalismus in Europa, die anhaltende Unruhe im Nahen Osten und die instabile Lage auf der Koreanischen Halbinsel bildeten in diesem Jahr die Kulisse für Kursgewinne an den Aktienmärkten. Es wird allmählich alles teurerZwar blieben die Märkte insgesamt gelassen, doch Situationen, die vermeintlich unter Kontrolle zu sein scheinen, können rasch eskalieren und eine Verkaufswelle auslösen. Im neuen Jahr wird es wichtiger denn je sein, diese geopolitischen Bedrohungen wachsam zu verfolgen.Noch verblüffender ist, dass die Märkte im Großen und Ganzen nicht günstig sind. Am Kurs-Gewinn-Verhältnis – einer Kennzahl, an der sich bekanntlich ablesen lässt, ob eine Aktie günstig bewertet ist, – wird deutlich, dass viele der bedeutendsten Indizes, einschließlich des FTSE All Share, des S & P 500 und des MSCI Emerging Markets, alle nahe an ihren historischen Höchstständen gehandelt werden.Gerade aufgrund dieser Kombination aus beunruhigenden Schlagzeilen und hohen Bewertungen ist die Aktienmarkt-Rally kein Anlass zu ausgelassener Freude. Allgemein besteht der Eindruck, dass die Party so nicht mehr lange weitergehen kann und mit Kursrückgängen zu rechnen ist. Solche Unkenrufe sind nichts Neues, insbesondere von Anlegern, die nicht ausreichend in der aktuellen Rally investiert sind und auf einen Ausverkauf für ihren Einstieg warten. Diesmal spricht aber mehr dafür, dass tatsächlich eine Korrektur bevorsteht. Inflation muss mitspielenDas Wirtschaftswachstum dürfte sich 2018 weiterhin unterstützend auf die Märkte auswirken. Die Industrieländer profitieren bekanntermaßen von einem sehr gut ausbalancierten Umfeld – dem sogenannten Goldlöckchen-Prinzip: Das Wachstum ist nicht so stark, dass die Inflation angeheizt wird, aber auch nicht so schwach, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt. Doch der Inflationsausblick dürfte im neuen Jahr weiter ein Problem bleiben. Es ist fraglich, wie lange das Lohnwachstum in Ländern wie Großbritannien und den USA bei einem angespannten Arbeitsmarkt so moderat bleiben kann. Die Diskussion um die Phillips-Kurve dürfte weitergehen – also ob eine niedrige Arbeitslosigkeit unvermeidlich Druck auf Löhne und Inflation ausübt. Die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer in puncto Löhne ist zweifelsohne schwächer als früher, da durch den zunehmenden Online-Kauf von Produkten aus Niedriglohnländern im Grunde billige Arbeit importiert wird. Letztlich scheint die Phillips-Kurve aber dennoch zu funktionieren, selbst wenn der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Lohnentwicklung durch Globalisierung und Technologie geschwächt ist.Der technologische Fortschritt gewinnt in allen Bereichen der Weltwirtschaft an Boden und begrenzt oder drückt die Preise von Waren und Dienstleistungen. Sollte die Inflation steigen, werden die Fed und andere Notenbanken das Tempo ihrer Zinsanhebungen voraussichtlich steigern. Schwieriger BalanceaktNach diesem Szenario könnte sich das neue Jahr sichtbar anders entwickeln als das alte. Ein Umfeld steigender Zinsen würde Aktien eher als Anleihen zugutekommen. Allerdings könnte das Vertrauen der Märkte erschüttert werden, sobald die höheren Zinsen zu einem Anstieg der Ausfallraten bei Anleihen führen, Insolvenzen von Unternehmen und Privatpersonen auslösen und so das Wirtschaftswachstum bremsen. Über mehrere Jahre hinweg wurde der Risikopreis nun durch Konjunkturmaßnahmen der Notenbanken wie Zinssenkungen und Anleihekaufprogramme verzerrt. Jede Zinsnormalisierung könnte schmerzhafte Folgen haben, insbesondere dann, wenn sie zu rasch erfolgt. Bedenkt man, wie lange die Zinsen niedrig waren, stellt sich die Frage, wo der Normalwert überhaupt liegt, wenn von einer Normalisierung die Rede ist. Sollte dem ein zehn- oder 20-jähriger historischer Durchschnitt zugrunde gelegt werden oder ein noch längerer Zeitraum? Ein weiteres Rätsel für 2018.Alles in allem dürften die Notenbanker die Zinsen jedoch nur langsam anheben, um zu verhindern, dass das mit der quantitativen Lockerung mühsam in Gang gebrachte Wirtschaftswachstum wieder ausgebremst wird. Dennoch sollten Wachsamkeit und eine diversifizierte Anlagenallokation zur Risikominderung beitragen. Bei insgesamt hohen Bewertungen ist auch das, was relativ (nicht absolut) gesehen günstig ist, bedeutend. Langfristige TrendsEin letzter Gedanke dazu: Es ist zwar menschlich, bei Investitionen in Jahreszyklen zu denken, doch die Märkte sind ein Kontinuum und die langfristigen Trends, die als Renditetreiber fungieren, werden nur allzu leicht vergessen: Bevölkerungsalterung im Westen, aber eine recht junge Demografie in den Schwellenländern, zunehmende Bedeutung künstlicher Intelligenz, das aufstrebende China und die USA, die trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten noch immer eine der innovativsten Volkswirtschaften der Welt sind. Ertragspotenzial begrenztVor diesem Hintergrund sollten sich die Aktienerträge recht passabel entwickeln, sofern die Inflation nicht in die Höhe schießt und die Zinsen nur langsam, aber stetig steigen. Durch die nahe an ihren historischen Höchstständen liegenden Marktbewertungen dürften die für 2018 möglichen Erträge allerdings nach oben begrenzt sein. In einem inflationären Umfeld heißt der Schlüssel im Anleihesegment hingegen Flexibilität. Eine Strategie, die in alle Bereiche des Anleihemarktes investieren kann, hat meines Erachtens bessere Aussichten, ein möglicherweise schwieriges Jahr für Anleihen gut zu überstehen. Die langfristigen Anlagetrends sprechen indessen für die Schwellenländer, doch in diesem Bereich ist immer Entschlossenheit nötig, um die typische Volatilität reifender Volkswirtschaften zu meistern.—-Edward Bonham Carter, Vice-Chairman bei Jupiter Asset Management