DEVISENWOCHE

Was Joe Biden für den Dollar bedeutet

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 19.1.2021 Am Mittwoch wird Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA vereidigt. Was bringt die neue Administration an Impulsen für die US-Dollar-Wechselkurse? Mit dem Doppel-Wahlsieg der Demokraten in Georgia,...

Was Joe Biden für den Dollar bedeutet

Von Ulrich Leuchtmann *)Am Mittwoch wird Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA vereidigt. Was bringt die neue Administration an Impulsen für die US-Dollar-Wechselkurse? Mit dem Doppel-Wahlsieg der Demokraten in Georgia, der ihnen die Kontrolle über beide Kongresskammern beschert hat, ist der Weg offen für ein umfassendes Fiskalpaket, das eine Ergänzung zum im vergangenen Jahr verabschiedeten Corona-Hilfspaket (3,4 Bill. Dollar) darstellt. Geplant sind weitere 1,9 Bill. Dollar, also rund 9 % des Bruttoinlandsprodukts der USA. Kommt es so wie geplant, dürfte das Haushaltsdefizit der US-Bundesregierung auch 2021 bei nahezu 15 % des BIP liegen, wie schon 2020. Diese expansive Fiskalpolitik dürfte zu einem Wachstumsschub führen.Lange konzentrierte sich der Devisenmarkt vor allem auf die inflationären Effekte des zu erwartenden Post-Corona-Booms: Die Markterwartung für die durchschnittliche Inflation in den kommenden zwei Jahren stieg von 1,5 % (Anfang November) auf 2,2 % Anfang Januar. Und die langfristigen (5Yx5Y) Inflationserwartungen stiegen auf nahezu 2,4 %. Die erwartete Reinflationierung wird vom Markt als dauerhaft angenommen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist aber nicht davon auszugehen, dass die Fed bei solchen Inflationsraten nennenswert gegensteuern würde. Zumindest nicht mittels Zinserhöhungen. Schließlich will sie entsprechend ihrer neuen Strategie ein Überschießen der Inflation über das 2-%-Ziel tolerieren. Höhere Inflationserwartungen sind somit nicht primär ein Signal für höhere US-Zinsen, die den Dollar attraktiver machen würden, sondern lediglich die Aussicht auf eine schnellere Erosion der heimischen Kaufkraft des Greenbacks, die ihn am Devisenmarkt weniger attraktiv erscheinen lässt. Daher wertete der Dollar bis Anfang Januar deutlich ab, und daher sahen wir in der Spitze Euro-Dollar-Kurse um 1,2350.Doch hat das sich nun abzeichnende US-Fiskalpaket natürlich auch realwirtschaftliche Konsequenzen. Die hohen US-Wachstumsraten, die wir erwarten, dürften die Renditeaussichten für US-Wertpapiere und -Direktinvestitionen verbessern. Wir haben bereits einen sichtbaren Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen gesehen. Mehr könnte folgen. Dadurch dürfte auch der Dollar weiteren Auftrieb erhalten.Doch wie weit kann die Dollar-Erholung tragen? Auch wenn die US-Inflation tatsächlich in den Bereich knapp über 2 % steigen wird, dürfte die Fed weiterhin ihren Leitzins bei 0 % belassen. Ihre neue Strategie impliziert, dass sie erst dann den Zielkorridor für den Fed-Funds-Satz erhöht, wenn ein deutliches Überschießen der Inflation über das 2-%-Ziel zu erwarten ist. Hinzu kommt, dass die Langfristfolgen der Corona-Rezession die Arbeitslosenquote noch lange Zeit über Vollbeschäftigungsniveaus halten dürften. Kein exzessiver Inflationsdruck, aber auch keine Vollbeschäftigung: Die Fed dürfte noch lange keinen Anlass sehen, über Zinserhöhungen auch nur nachzudenken. Sie wird Inflation um 2 % gerne akzeptieren. Damit sind aber (a) die Renditen für kurze Laufzeiten weiterhin in niedrigen Bereichen verankert und sind (b) einer Versteilung der US-Renditekurve Grenzen gesetzt.Gleichzeitig kann ein fiskalischer Stimulus, wie er in den USA in diesem Jahr zu erwarten ist, nicht von Dauer sein. Lässt sein Effekt nach, dürften die Wachstumsraten in den USA wieder auf “Normalniveaus” fallen. Das heißt: 2022 dürfte der fiskalische Boom verpuffen. Egal, wie stark er bis dahin ausfällt, es wird nicht gelingen, den Pfad des US-BIP wieder auf Vor-Corona-Niveaus zu heben. Corona hat dauerhafte Wirkungen auf Produktion und Konsum. Damit sind Teile des Anlage- und Humankapitals dauerhaft ökonomisch entwertet, und die Kapazität der US-Wirtschaft ist dauerhaft reduziert. Daran ändert auch Bidens Fiskalpolitik nichts.Ich traue dem Devisenmarkt zu, dass er schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres beginnt, durch den fiskalischen Boom hindurchzuschauen. Ebenso wie der Rentenmarkt dürfte er dann die fiskalischen Sondereffekte wieder peu à peu auspreisen. Was dann bleibt, sind zum einen eine hohe Bewertung des Dollar, die durch die neue US-Geldpolitik nicht mehr gerechtfertigt ist. Zum anderen erzeugt die expansive Fiskalpolitik neue USD-negative Effekte: höhere Staatsverschuldung und eine stärker steigende Nettoverschuldung der USA. So viel also derzeit für einen stärkeren Dollar spricht, von Dauer dürfte diese Stärke nicht sein.Kurzfristig mag der Dollar auch dadurch Auftrieb erhalten, dass die Kommunikation der neuen US-Administration geordneter und durchdachter ausfallen dürfte als die der Vorgängerregierung. Der scheidende Präsident war dafür berüchtigt, mit Forderungen nach einem schwachen Dollar für Furore am Devisenmarkt zu sorgen. Und viele andere in der Administration äußerten sich ebenfalls zur Dollar-Politik, so dass das Ganze nicht selten in Kakophonie endete, die unnötige Volatilität der Dollar-Wechselkurse zur Folge hatte. Die neue Finanzministerin Janet Yellen dürfte das professioneller angehen. Das könnte sie schon in der Anhörung vor dem Kongress heute deutlich machen. Und sie wird die USA wieder zum Verteidiger marktbestimmter Wechselkurse machen, also von verbalen Interventionen weitgehend absehen. Das ist gut für geordnete Devisenmärkte, aber spricht an sich nicht für die eine oder andere Richtung der Dollar-Wechselkurse. Auch Yellen dürfte keinen Anlass sehen, den Dollar künstlich starkzureden. “A strong dollar is in the US interest”, ließen Vorvorgänger von Yellen einst den Markt wissen. Sie wird den Dollar nicht künstlich schwachreden. Dazu hat sie keinen Anlass. *) Ulrich Leuchtmann leitet das Devisen-Research der Commerzbank.