GASTBEITRAG

Was wir aus der Marktkorrektur lernen können

Börsen-Zeitung, 19.3.2016 Wie nach jeder Marktkorrektur haben sich die Kommentatoren auch nach den Einbrüchen zu Beginn des Jahres vor allem mit der Frage beschäftigt, wer denn nun der Verursacher war. Ganz oben auf der Liste wurde die chinesische...

Was wir aus der Marktkorrektur lernen können

Wie nach jeder Marktkorrektur haben sich die Kommentatoren auch nach den Einbrüchen zu Beginn des Jahres vor allem mit der Frage beschäftigt, wer denn nun der Verursacher war. Ganz oben auf der Liste wurde die chinesische Zentralbank gehandelt, dicht gefolgt von der US-Notenbank Fed. Im weiteren Kreis: sinkende Liquidität und prozyklisches Risikomanagement. Und natürlich durften auch die üblichen Verdächtigen, der Ölpreis und der Hochfrequenzhandel, nicht fehlen. Der Wunsch, einen Schuldigen zu finden, ist verständlich. Viel entscheidender sind jedoch die tieferen Gründe für die Unsicherheit an den Märkten und die Frage, wohin die Reise nach dem etwas holprigen Start ins Jahr nun geht. Was können wir also aus den aktuellen Spekulationen über den Zustand der Märkte lernen? Verdacht fällt auf FedNatürlich fällt der Verdacht nicht umsonst zuerst auf die Fed und die People’s Bank of China. Wie schon im August geht die Angst um, das chinesische Wachstum könnte eine harte Landung hinlegen. Diese wäre mit einer substanziellen Abwertung des Renminbi verbunden, die wiederum die Gefahr der Deflation mit sich bringen könnte. Die Märkte hegen Zweifel daran, dass die chinesischen Währungsreserven, so enorm sie auch erscheinen mögen, ausreichen, um die Kapitalabflüsse aufzufangen. Vor diesem Hintergrund könnte die Entscheidung der Zentralbank, den Wechselkurs des Renminbi teilweise vom Dollar zu lösen, der Auslöser gewesen sein. Die Fed wiederum hatte durch die widersprüchlichen Äußerungen der Mitglieder des Board of Governors für Unsicherheit bezüglich ihres zukünftigen Kurses gesorgt. Angesichts schlechter Zahlen aus dem produzierenden Gewerbe sorgten sich viele Beobachter um die Folgen zukünftiger Zinserhöhungen. Zinsrisiken aufgebautIn beiden Beweisketten spielen die Zinsen eine zentrale Rolle. Die Korrektur deutet darauf hin, dass sich an den Märkten Zinsrisiken aufgebaut haben. Diese könnten auch im weiteren Jahresverlauf dafür sorgen, dass es in unregelmäßigen Abständen zu heftigen Schocks kommt. Diese episodisch aufflammende Verunsicherung darf aber nicht mit einer generellen Schwäche verwechselt werden. Denn die fundamentale Entwicklung gibt weiter Anlass zur Zuversicht.Schauen wir uns noch einmal die Faktoren an, die derzeit für Unsicherheit sorgen. Denn die Verlangsamung des Wachstums in China verläuft weitaus kontrollierter, als es die Reaktionen der Märkte vermuten lassen. Daher dürfte auch die Angst vor Kapitalabflüssen stark übertrieben sein. Die nach wie vor niedrigen Ölpreise wiederum sorgen zwar zweifellos kurzfristig für Probleme. Es handelt sich jedoch um ein Problem des Angebots, das in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Dabei ist die Nachfrage keineswegs eingebrochen, sie konnte nur nicht mit dem Wachstum des Angebots mithalten. Mittelfristig dürfte es also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Ölpreise als Wachstumstreiber für die Weltwirtschaft erweisen werden. Und schließlich wird auch die Fed die Zinsen vor allem dann erhöhen, wenn es der Wirtschaft gut geht. Die Industrieproduktion in den USA mag derzeit schwächeln, doch dem deutlich größeren Konsumsektor geht es gut. Das gilt auch im Rest der entwickelten Welt. Die Gewinnerwartungen in den USA, Europa und Japan sind weiter positiv.Aufgrund einer möglicherweise strafferen US-Geldpolitik dürfte in diesem Jahr vor allem die Liquidität für Unsicherheit sorgen, was bereits jetzt in den Schwellenländern zu spüren ist. Global gesehen sind die geldpolitischen Bedingungen deutlich restriktiver, als es die niedrigen realen Zinsen auf den ersten Blick vermuten lassen. Eine Straffung in den USA würde die lockere Geldpolitik aus Europa und Japan, wo die Zeichen weiter auf quantitative Lockerung stehen, aufwiegen. An den Märkten dürften die Politik der Fed und die Frage, wie sie das Zusammenspiel ihrer Maßnahmen mit der Geldpolitik in den anderen Industriestaaten abstimmt, in diesem Jahr eine entscheidende Rolle spielen.Lange Zeit war es beim Risikomanagement vorteilhaft, ein breiteres Spektrum defensiver Anlagen ins Auge zu fassen und strukturell zu diversifizieren, anstatt sich auf kurzfristiges Market Timing zu stützen. Da Staatsanleihen momentan wohl nicht mehr als defensive Anlageklasse bezeichnet werden, stellt sich die Frage, welche Assets an ihre Stelle treten könnten. Die Antwort auf diese Frage ist besonders schwer zu finden, weil Anleihen Investoren in der Vergangenheit zuverlässig Erträge beschert haben und in aller Regel eine negative Korrelation mit Aktien aufgewiesen haben.Leider ist diese “goldene Ära” inzwischen wohl vorüber. Hedging wird teurer, ist gleichzeitig aber immer weniger effektiv. Die Wertentwicklung von noch komplexeren defensiven Anlagen ist schwieriger vorauszusagen als die von konventionellen Absicherungen. Strategien, die Portfolios vor Volatilität schützen sollen, sind ein gutes Beispiel dafür, denn sie haben die Tendenz, drastisch von den zugrundeliegenden Aktien abzuweichen. Auch konventionelle Absicherung, zum Beispiel durch Investments in Gold, bringt keine laufenden Einkünfte und kann bei Kursrückgängen kostspielig werden.Investoren müssen sich also auf abwartende und launische Märkte vor einem insgesamt positiven fundamentalen Hintergrund einstellen und diese beiden Faktoren in ihren Portfolios berücksichtigen. Wir könnten uns in ein sogenanntes “Risk on, Risk off”-Marktumfeld bewegen, das sich ganz ähnlich wie in den Jahren 2010 und 2012 anfühlen dürfte, mit Marktteilnehmern, die zwischen Risikofreude und Risikoaversion hin- und herschwanken. Investoren müssen daher für Resilienz, also Belastbarkeit in ihren Portfolios sorgen.Auch hier gilt es, die fundamentale Entwicklung hinter den Marktbewegungen im Blick zu behalten und insbesondere die defensiven Positionen mit Bedacht zu wählen. Beispielsweise könnte sich der Dollar nach drei starken Jahren erstmals wieder schwächer entwickeln als der Euro und der Yen. Denn der Dollar ist der fundamentalen Entwicklung quasi vorausgeeilt und derzeit stärker, als es die Zinsdifferenz eigentlich rechtfertigt.Anleihen dürften sich insgesamt strukturell eher schwach entwickeln. In einigen Segmenten, wie etwa bei hochverzinslichen Papieren oder solchen aus den Schwellenländern, ist auch die Neubewertung noch nicht abgeschlossen. Aus unserer Sicht werden Aktien allerdings zu nicht übertriebenen Bewertungen gehandelt, insbesondere nach der Marktkorrektur zum Jahreswechsel. Die Risikoprämien gegenüber Anleihen sind hoch. Für zyklische Aktien dürfte sich das unsichere Umfeld jedoch als herausfordernd erweisen, während Investoren weiter bereit sein dürften, für Substanzwerte zu zahlen. Interessanterweise finden sich auch in missachteten Sektoren wie Finanzen, Rohstoffe und Energie Titel, die ihren Preis durchaus wert sind, auch wenn die Gewinndynamik in diesen Sektoren derzeit negativ ist. Volatiles UmfeldEs wird zudem oft pauschal angenommen, in einem volatilen Marktumfeld wären die “Large Caps”, aus denen sich die großen Indizes zusammensetzen, die bessere Wahl. Allerdings finden sich auch im Segment mittelgroßer Unternehmen aussichtsreiche Titel. Eine zu enge Bindung an Indizes könnte sich daher gegenüber einem Bottom-up-Ansatz als nachteilig erweisen. Das gilt insbesondere, da sich in einem Jahr des Übergangs und der Unsicherheit, wie wir es 2016 wohl erleben werden, regelmäßig Chancen durch Fehlbewertungen ergeben. Wer diese nutzen will, kommt um eine aktive Titelselektion nicht herum.—-Philip Saunders, Leiter der Fonds GSF Global Strategic Managed Fund und Investec Managed Growth Fund bei Investec