Ukraine-Konflikt

Weizenpreis könnte kräftig steigen

Der Ukraine-Konflikt könnte auf den Weizenmarkt durchschlagen und für einen kräftigen Preisanstieg sorgen. Sowohl Russland als auch die Ukraine sind bedeutende Weizenproduzenten.

Weizenpreis könnte kräftig steigen

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Weizenpreis ist seit 2018 deutlich gestiegen. Binnen eines Jahres hat sich das Getreide an der Londoner Terminbörse Liffe um 16% verteuert, am Chicago Board of Trade (CBoT) sogar um 20%. Viele Analysten gehen davon aus, dass sich der Preisanstieg fortsetzen wird. Gründe dafür sind unter anderem die Preissteigerungen von Düngemitteln aufgrund der Verteuerung von Erdgas, aus denen Dünger gewonnen wird, sowie aktuell auch die zunehmenden geopolitische Spannungen.

In Chicago hatte der Weizenpreis im November 2021 mit 875 US-Cent je Scheffel ein Neunjahreshoch markiert. Damals waren die Aussichten für die Weizenernten in wichtigen Produzenten-Ländern wie USA, Kanada und Russland nach unten revidiert worden. So ging der internationale Getreiderat IGC von einem Angebotsdefizit von 5 Mill. Tonnen aus. Allerdings sorgten bessere Ernten in Argentinien und Australien dann wieder dafür, dass der IGC seine Erwartung eines Angebotsdefizits auf 2 Mill. Tonnen korrigierte. Die Analysten der Commerzbank erklären den zwischenzeitlichen Preisrückgang mit dieser etwas weniger angespannten Marktsituation.

Nun jedoch rückt die Geopolitik in den Mittelpunkt des Interesses. Russland und die Ukraine stehen zusammen für rund 30% der weltweiten Weizenproduktion. Ein Krieg in der Ukraine könnte für Ernte- und Exportausfälle sorgen, die derzeit nach Einschätzung der meisten Analysten noch nicht eingepreist sind, angesichts eines Weizenpreises von aktuell 794 US-Cent. Damit unterscheidet sich die Situation auf dem Weizenmarkt von der Lage auf den Energiemärkten, an denen es mit Blick auf den Ukraine-Konflikt bereits kräftige Preisanstiege gibt. Gemessen daran halten die Akteure am Weizenmarkt den Ausbruch eines Kriegs derzeit noch für unwahrscheinlich, eine geopolitische Prämie ist im Weizenpreis noch nicht zu erkennen.

Ukrainische Häfen im Blick

Die Ukraine, die schon immer als die Kornkammer Europas galt, exportiert ihre Agrarrohstoffe vor allem über die fünf Häfen Odessa, Mykolayiv, Kherson, Mariupol und Berdyansk. Die Häfen dürften von einer bewaffneten Konfrontation in der Ukraine betroffen sein, zumal in dieser Region ein größerer Anteil der Bevölkerung russischstämmig ist, sodass Russland im Fall eines Krieges an einer Kontrolle über diese Region interessiert sein könnte. Damit würde sich auch ein Landkorridor nach Transnistrien mit seiner russischstämmigen Bevölkerung ergeben. In dem Fall wäre aber eine Rest-Ukraine gezwungen, neue Exportwege zu finden. Ein in Kürze ausbrechender Krieg würde auch die Aussaat im Frühjahr möglicherweise verhindern oder zumindest behindern. Würde sich ein Krieg bis zum Herbst hinziehen, wäre die Ernte gefährdet.

Die im Fall einer militärischen Zuspitzung erwarteten westlichen Sanktionen gegen Russland könnten sich auch auf die Preise für Agrarrohstoffe oder im Fall von finanziellen Maßnahmen auf die Möglichkeit der Importeure, für die russischen Lieferungen zu bezahlen, auswirken. Das hätte ebenfalls den Ausfall der Lieferungen zur Folge. Die russische Regierung hat für Erdgas bereits angekündigt, dass im Fall des Ausfalls von Zahlungen auch die Lieferungen eingestellt werden.

In der Erntesaison 2021/22 dürfte die Ukraine gemäß der Prognose des IGC 24,5 Mill. Tonnen Weizen exportieren. Davon wurden nach Informationen des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums bereits 17 Mill. Tonnen verkauft. Für Russland werden Ausfuhren von 33,4 Mill. Tonnen erwartet. Insgesamt, so haben die Analysten der Commerzbank errechnet, könnten rund 16 Mill. Tonnen Weizen aus Russland und der Ukraine von einer möglichen Beeinträchtigung der Transportwege betroffen sein. „Diese Menge durch andere Anbieter auszugleichen, dürfte sich als schwierig erweisen“, befürchten sie. Daher würde es in jedem Fall zu einem kräftigen Rückgang der Lagerbestände in anderen Exportländern kommen. Die Analysten der Commerzbank halten einen Preisanstieg bis auf 850 US-Cent für denkbar. „Sollte die Lage eskalieren und größere Mengen Weizen aus Russland und der Ukraine wegfallen, ist mit noch deutlich höheren Notierungen zu rechnen“, befürchten sie.

Was die kommende Ernte der Saison 2022/23 betrifft, liegen derzeit nur wenige Schätzungen vor. Der IGC rechnet aber damit, dass die weltweite Produktion das vierte Jahr in Folge steigen und auf ein neues Rekordniveau klettern wird. Dem stehe aber wahrscheinlich eine ebenfalls rekordhohe Nachfrage gegenüber, sodass keine wesentliche Änderung der weltweiten Lagerbestände erwartet wird. Nach einer Beilegung der Ukraine-Krise könne es wegen des nahezu ausgeglichenen Weizenmarktes eine Normalisierung geben, erwartet die Commerzbank. Die Preise könnten daher im Jahresverlauf nachgeben, angesichts der Erwartung einer weltweit steigenden Weizenernte. Für das Jahresende geht die Bank daher von 750 US-Cent je Scheffel aus.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.