Wenige Gewinner in Spanien
Die spanische Börse hat sich vom Schock der Corona-Pandemie immer noch nicht erholt und bildet auch im Oktober das Schlusslicht der großen Marktplätze Europas in diesem Jahr. Die Wiederbelebungsversuche durch die Fusionen im Bankensektor konnten dem Ibex 35 jedoch bislang nicht richtig auf die Beine helfen.Von Thilo Schäfer, Madrid Der Schwergewichtsindex der Madrider Börse taumelt seit drei Wochen unterhalb der 7 000 Punkte, weit entfernt von seinem im Februar markierten Jahreshöchststand von mehr als 10 000 Punkten. Die Coronakrise hat Spanien besonders hart getroffen. Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes Mitte März fiel der Ibex 35 auf sein Jahrestief von 5 800 Punkten und hat seitdem immerhin gut 10 % zugelegt. Der am Dienstag erreichte Stand von 6 936 Zählern bedeutet seit Jahresbeginn aber immer noch ein Minus von 27 %.Abgesehen von den globalen Faktoren wie der Ungewissheit über die Wahlen in den USA und den Brexit macht die Lage der Pandemie in Spanien den Anlegern Sorgen. Denn die zweite Infektionswelle hat das Land härter getroffen als die europäischen Nachbarn, was sogar zur Abriegelung der Hauptstadt Madrid geführt hat. Die Regierung verschlechterte in ihrer am Dienstag vorgelegten Haushaltsrahmenplanung die Prognose für dieses Jahr um zwei Punkte auf einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 11,2 %. 2021 soll die Wirtschaft dann um 7,2 % wachsen.Einige Analysten beklagen die mangelnde politische Stabilität im Lande. Die Minderheitsregierung von Sozialisten und Linken ringt um eine Mehrheit für den dringend nötigen neuen Haushalt, da derzeit noch der völlig überholte Plan von 2018 in Kraft ist. Das ist besonders im Hinblick auf die Milliarden an Hilfsgeldern aus dem europäischen Wiederaufbaufonds wichtig. Für Susana Felpeto, Direktorin für Aktienmärkte der Privatbank ATL Capital in Madrid, sind diese Impulse für den Ibex jedoch nicht ausschlaggebend, da viele Unternehmen ihr Geschäft im Ausland machen.”An der Börse haben wir das Schlimmste wahrscheinlich schon hinter uns”, sagt die Analystin. “Die Bestrafung der Kurse war so hart, dass sich die Preise wohl erholen werden, bevor das Geschäft besser wird”, so Felpeto. Das könnte ihrer Meinung nach für den Tourismussektor, den wichtigsten Wirtschaftszweig Spaniens, gelten. Ibex-Konzerne wie IAG, die Holding der Fluglinien British Airways und Iberia, der halbstaatliche Flughafenbetreiber Aena, der Reise-IT-Konzern Amadeus und die Hotelkette Meliá haben alle seit Jahresbeginn deutlich mehr verloren als der Index. Rapide TalfahrtDie rapide Talfahrt der spanischen Börse nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie erklärt sich zum guten Teil mit dem traditionell großen Gewicht der Banken. Zur schwindenden Ertragskraft durch das andauernde Negativzinsumfeld kamen die drohenden Zahlungsausfälle infolge der Coronakrise hinzu. Die Anfang September angekündigte Fusion von Caixabank und Bankia, den dritt- und viertgrößten Kreditinstituten des Landes, hatte daher einen erlösenden Effekt auf die Anleger. Die Kurse der Fusionspartner stiegen zeitweise um zweistellige Sätze.Die Fusion, die Anfang 2021 vollzogen werden soll und durch die das größte Geldinstitut auf dem heimischen Markt entsteht, zog auch andere Bankaktien mit sich. Denn es gab Spekulationen über weitere Schritte in der Branche. Am Montag bestätigten die börsennotierten Unicaja und Liberbank, die jedoch nicht zum Ibex 35 gehören, Kontakte über einen Zusammenschluss, nachdem eine Fusion im vorigen Jahr noch gescheitert war. Nun richten sich alle Blicke auf BBVA und Banco Sabadell, die nach Ansicht der Analysten unter Zugzwang stehen. Doch die Belebung der Börse durch den Finanzsektor kann die Verluste durch das Sars-CoV-2-Virus nicht aufheben. Alle der sechs Banktitel des Ibex liegen 2020 im Minus, wobei Bankia mit -28 % am besten abschneidet. Der Branchenprimus Santander hat mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Die Vorsitzende Ana Botín lässt sich davon nicht beeindrucken und kündigte neulich den Erwerb von 3,5 Millionen Optionen an, die einen Kursgewinn von mehr als 30 % bis 2022 voraussetzen. Versorger im PlusDie Banken haben mittlerweile ihren Platz als wichtigster Sektor des Ibex 35 an die Energiewirtschaft abtreten müssen. So ist der Stromversorger Iberdrola mit einem Jahresgewinn von mehr als 20 % mittlerweile das zweitgrößte Unternehmen des Index mit einer Marktkapitalisierung von 68 Mrd. Euro, nur noch übertroffen vom weltweit führenden Textilkonzern Inditex. Auch Siemens Gamesa und Endesa gehören zu den wenigen Werten im grünen Bereich. Bei Anlegern gelten die Versorger in Krisenzeiten als sicherer Hafen.Der Spitzenreiter der Börse ist Pharma Mar, die im September in den Schwergewichtsindex aufgenommen wurde. Dank der Erwartungen an ein Krebsmittel ist der Kurs seit Januar um 165 % gestiegen. Damit hat der Pharmakonzern Cellnex abgelöst, die auf ein Plus von fast 50 % kommen. Der Betreiber von Telefonmasten ist der Liebling der Anleger, wie auch die Kapitalerhöhung im August bewies. Das Angebot von Aktien im Wert von 4 Mrd. Euro war um das 46-Fache überzeichnet. Die Analysten von Berenberg sehen weiteres Wachstumspotenzial.