Widerstand gegen große Rotation

Hohe Bewertungen, geringe Erwartungen und ein starkes 2013 dämpfen Aktienoptimismus der Investoren

Widerstand gegen große Rotation

Viele US-Analysten und Marktteilnehmer sind trotz des starken Aktienjahres nach wie vor überzeugt, dass die große Rotation aus Anleihen in den Equity-Markt erst noch bevorsteht. Die Deutsche Bank etwa hat in ihrem Jahresausblick betont, dass das Gros der Investoren Aktien noch immer untergewichtet habe. Kurzfristig sollten Investoren sich deshalb aber nicht auf steigende Kurse einstellen. Vieles spricht dafür, dass die Rotation – wenn überhaupt – erst spät im Jahr einsetzt.Von Sebastian Schmid, New YorkNachdem das Aktienjahr 2013 so viel besser gelaufen ist als gedacht, sehen viele Analysten und Marktteilnehmer auch 2014 mit Optimismus entgegen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos haben Milliardäre wie Bill Gates, deren Reichtum 2013 um mehr als eine halbe Billion Dollar angewachsen ist, auch für 2014 eine kräftige Vermögensmehrung dank steigender Aktienkurse prognostiziert. In ihrem Anfang Januar vorgestellten Jahresausblick geht die Deutsche Bank sogar davon aus, dass viele Investoren noch immer vor einem Wechsel aus der Anlage in Anleihen hin zur Anlage in Aktien zurückschrecken. Unterstützt werde die Fortsetzung der Rally am Aktienmarkt von der Tatsache, “dass viele Investoren Aktien in ihrem Portfolio noch immer untergewichtet haben. Bislang haben relativ wenige Gäste den Weg zur Aktienmarktparty gefunden.” Das könne zu einem Ansturm auf Aktien und dann zu kräftig steigenden Kursen führen (siehe Grafik). Allerdings erst zum Jahresende. Das Gros der Rotation erwartet die Deutsche Bank für 2015. Das Jahresendziel für den US-Leitindex S & P 500 bleibt mit 1 850 Zählern eher bescheiden, während für Ende 2015 weiterhin 2 000 Punkte in Aussicht gestellt werden.Angesichts der Erwartung steigender Zinsniveaus und damit fallender Anleihekurse scheint diese Einschätzung nicht ganz ungerechtfertigt. Wer aber tatsächlich – wie von der Deutschen Bank offenbar vielfach beobachtet – bislang an der Seitenlinie ausgeharrt hat und damit den kräftigsten Anstieg im US-Markt in den vergangenen 16 Jahren ungenutzt ausgesessen hat, der dürfte sich gleich aus mehreren Gründen fragen, ob jetzt wirklich der richtige Einstiegszeitpunkt ist.So bot 2013 auf den zweiten Blick sogar noch mehr Grund zum Wechsel von Bonds zu Equity, als die beste Performance seit den neunziger Jahren ausweist. Verglichen mit US-Staatsanleihen, die laut Bank of America Merrill Lynch und Bloomberg mehr als 3 % an Wert verloren haben, ist der Renditevorsprung des S & P 500 nämlich sogar so groß wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr. 1978 wurde das letzte Mal eine Outperformance von mehr als 33 % registriert. Zudem ist der Abstand zwischen Nettogewinnrendite der Unternehmen, die im US-Leitindex 2013 bei knapp 5,8 % lag, zur durchschnittlichen Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen (knapp 2,9 %) so niedrig wie zuletzt vor fast drei Jahren. Laut Bloomberg hat der S & P 500 2011 in dem halben Jahr im Anschluss an die geringe Bewertungslücke fast ein Fünftel an Wert verloren – der kräftigste Rückgang in der Erholung seit der Finanzmarktkrise.Während sich die Bewertungen börsennotierter US-Konzerne nahe ihren Rekordhochs oder zumindest einem Mehrjahresbestwert bewegen, ist die Bärenstimmung unter Analysten so verbreitet wie zuletzt vor einer Dekade. Es spricht einfach derzeit noch wenig dafür, dass sich das lange ersehnte Umsatzwachstum bald einstellt. Beispiele waren diese Woche etwa United Technologies oder IBM. Beiden gelang es zwar im vierten Quartal, das ohnehin nicht mehr sonderlich hoch gesteckte Ergebnisziel der Analysten zu übertreffen. IBM verzeichnete aber bereits das siebte Quartal mit Umsatzrückgang in Folge – noch dazu war es der höchste Rückgang der sieben Perioden. United Technologies verfehlte die Erlösprognose und schlug das Gewinnziel nur deshalb, weil die Auslieferung einiger Militärhubschrauber an Kanada – ein defizitäres Geschäft – ins neue Jahr verschoben wurde.Der Deutschen Bank widersprechend befand deshalb jüngst Daniel Alpert von Westwood Capital in einem Radiointerview mit Bloomberg, dass Aktien “zu hoch bewertet sind, um sich noch eine wesentliche Rotationsbewegung vorzustellen”. Wie viele andere US-Investoren sieht er die Anlage in einer höheren Barreserve derzeit als attraktivere Option verglichen mit der Rotation in Aktien. Die Annahme von Deutsche-Bank-US-Aktienstratege David Bianco muss allerdings deswegen noch längst nicht falsch sein. Schließlich weist Bianco darauf hin, dass die Rotation erst Ende 2014 denkbar sei. Viele Investoren stufen den Aktienmarkt aktuell zwar als sehr verwundbar wegen der hohen Bewertungen ein. “Aktien bleiben aber die einzige Attraktion in der Stadt”, fasst Howard Ward, Chief Investment Officer von Gamco Investors, die Situation zusammen.Auch Hedgefonds-Manager John Paulson schließt sich ihm an. Im Wesentlichen, weil er damit rechnet, dass das konjunkturelle Wachstum endlich beschleunigen wird. “Wir sind erst in der Mitte des Konjunkturzyklus.” Craig Effron, Mitgründer des New Yorker Hedgefonds Scoggin, setzt in seinen Investments ebenfalls auf einen Anstieg des Aktienmarktes, der ihm 2013 rund 25 % Zugewinn beschert hat. “Vergangenes Jahr zu dieser Zeit war ich sicher, dass es ein gutes Jahr wird.” Dieses Jahr sei er weniger sicher. “Es wird eine Periode geben, in der es dreckig zugeht.”