IM INTERVIEW: ARMIN ZINSER, SOCIÉTÉ DE GESTION PRÉVOIR

"Wie ein Staat, der Mehrwertsteuer erhebt"

Der Fondsmanager hält große Stücke auf Adyen und Wirecard - Firmen mit hoher Kapitalintensität und Staatseinfluss meidet er

"Wie ein Staat, der Mehrwertsteuer erhebt"

Das Abschneiden der europäischen Aktienmärkte in diesem Jahr ist enttäuschend, insbesondere wenn man die Rekordfahrt der Wall Street im Blick hat. Dass mit Stock Picking dennoch auch im Euroraum etwas zu holen sein kann, zeigt Armin Zinser, Fondsmanager bei Gestion Prévoir. Mit 9 % hat er in diesem Jahr bislang einen ansehnlichen Ertrag erzielt und die Aktienmärkte des Euroraums deutlich outperformt.- Herr Zinser, wie beurteilen Sie die eher mäßige Entwicklung an den Aktienmärkten im Euroraum?Für mich als auf Euroland fokussierten Assetmanager ist die Entwicklung frustrierend. Die Indizes haben immer um die 0 % herumgeschwankt. Eine Ausnahme ist der CAC 40, der rund 1 % zugelegt hat. Damit hat er den Dax outperformt.- Was sind die Ursachen der Underperformance des Dax?Ein Grund ist die stärkere Exportlastigkeit der deutschen Wirtschaft beziehungsweise des Dax. Dadurch wirkt sich der Handelskonflikt viel stärker aus als in vielen anderen europäischen Ländern. In Frankreich ist mit Ausnahme vielleicht der großen Luxusgüterunternehmen und von Airbus diese starke Exportabhängigkeit so nicht gegeben. In Deutschland kommen politische Fehler und hausgemachte Managementfehler etwa im Bankenbereich oder bei Bayer hinzu. Die Übernahme von Monsanto war ein kapitaler Fehler.- Warum?Wenn die Amerikaner etwas Großes loswerden wollen, ist da in der Regel etwas faul. Wären die Aussichten bei Monsanto tatsächlich so gut, wie sich das Bayer vorgestellt hat, wäre es zu der Transaktion erst gar nicht gekommen. Es ist meiner Meinung nach alles andere als ein Zufall, dass es erst jetzt zu den Glyphosat-Klagen gekommen ist. Die Amerikaner wollten Monsanto meiner Meinung nach loswerden. Wir erleben hier ein Chrylser 2.0.- Sie erwähnten politische Fehler. Welche wären das?Im Handelskonflikt hat Donald Trump recht, nicht im Ton, aber in der Sache. Irgendwie müssen die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte ins Lot gebracht werden, vor allem, was China betrifft, aber eben auch Deutschland. Was mich am meisten stört, ist, dass große Organisationen wie die OECD nicht eingeschritten sind.- Warum schneidet der amerikanische Aktienmarkt so deutlich besser ab als die europäischen?Weil die Gewinnentwicklung viel besser ist und die US-Konjunktur viel stärker. Die Wirtschaftsleistung Europas liegt immer noch unter dem Niveau von vor zehn Jahren, die US-Wirtschaft wuchs zuletzt um 4 %. Ferner sind die US-Banken viel stärker als die nach wie vor mit schweren Problemen kämpfenden europäischen Banken.- Nach welchen Kriterien wählen Sie Aktien aus?Entscheidend ist für mich die potenzielle Gewinnrevision nach oben. Der Haupttreiber von Aktien ist die erwartete zukünftige Gewinnentwicklung. Ich arbeite mit einem Modell. In einem Screening-Prozess werden zunächst 4 000 Werte untersucht. Als Ergebnis bleibt eine Shortlist mit rund 300 Titeln übrig. Die werden dann manuell angeschaut. Die 100 wichtigsten Werte, die im Portfolio am stärksten gewichtet sind, werden am intensivsten angeschaut. Derzeit befinden sich 160 Aktien in meinen beiden Portfolios. No-Brainers brauche ich nicht regelmäßig anzuschauen, etwa eine Berthold Hermle, von der ich weiß, dass sie läuft und die keinen Hedgefonds interessiert. Anders sieht dies etwa bei 1&1 Drillisch aus. Das Unternehmen wird wahrscheinlich an der 5G-Lizenzauktion teilnehmen. Daher ist es wichtig, dass ich sie jeden Tag genau verfolge.- Sie sind in dem noch relativ neuen Börsenwert Adyen investiert. Was gefällt Ihnen an dieser Aktie?Adyen ist ein Zahlungsdienstleister mit sehr hohen zukünftigen Wachstumsraten. Adyen und Wirecard sind wie ein Staat, der Mehrwertsteuer erhebt. Sie erhalten für jede Transaktion eine Gebühr. Die Gewinnaussichten sind extrem gut. Das sehr hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis ist völlig belanglos. Diese Aktien würde ich auch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 160 kaufen. Ebenso eine Amazon. Alle drei Unternehmen stehen erst am Anfang, haben sehr hohe Wachstumsraten und sollten im Laufe der Jahre immer stärker werden.- Was für ein Wachstumspotenzial muss gegeben sein, damit eine Aktie für Sie in Frage kommt?Ich erwarte ein Umsatzwachstum in den drei zurückliegenden Jahren und voraussichtlich den beiden kommenden Jahren von 5 %. Die Unternehmen müssen stärker wachsen als die Weltwirtschaft beziehungsweise Marktanteile gewinnen. Auch das Gewinnsteigerungspotenzial muss bei mindestens 5 % liegen. Neben fundamentalen Gesichtspunkten schaue ich auch auf die technische Seite, beispielsweise auf das Momentum.- Wie hoch können einzelne Titel in Ihrem Portfolio gewichtet werden?Werte, die nach meiner Einschätzung optimal sind, können eine Gewichtung von bis zu 5 % haben. Titel, bei denen etwas schiefgehen kann, können auf maximal 1 % kommen. Insgesamt können diese Aktien auf eine Gewichtung von maximal 20 % kommen. Optimale Werte aus meiner Sicht sind etwa Wirecard und Sartorius. Sartorius hat sogar eine Gewichtung von 7 %. Die Aktie liegt oberhalb der Gewichtungsgrenze, weil sie so stark gestiegen ist, dass ich sie nicht schnell genug rausverkaufen konnte.- Sie erwähnten Amazon als Titel, den Sie favorisieren. Sind Sie denn nicht auf den Euroraum fokussiert?Mindestens 90 % des Portfolios müssen im Euroraum angelegt sein. Darüber hinaus kann ich bis zu 10 % in anderen Industrieländern anlegen. Das ermöglicht mir etwas Diversifizierung. Zu den Aktien des Portfolios zählt beispielsweise auch die amerikanische Nvidia. Hierbei geht es um das Zukunftsthema autonomes Fahren. Nvidia hat bei diesem Thema Continental völlig übertroffen. Meiner Einschätzung nach werden wir das autonome Fahren in fünf bis zehn Jahren haben, und Nvidia ist der wichtigste Zulieferer.- Was sind für Sie denn Kriterien, von bestimmten Aktien die Finger zu lassen?Ich versuche zu vermeiden, in Firmen zu investieren, die von Rohmaterialienpreisen zu abhängig sind. Denn es besteht das Risiko, dass die Preise hochgehen, und wenn diese dann nicht weitergereicht werden können, haben diese Unternehmen ein Problem. Außerdem meide ich Unternehmen, die kapitalintensiv sind. Alstom ist beispielsweise sehr kapitalintensiv und außerdem noch einem starken Staatseinfluss ausgesetzt. Auch Siemens ist sehr kapitalintensiv. Bei diesem Konzern habe ich auch das Problem, dass er aufgrund der Hunderte Töchter schwer zu analysieren ist. Ich habe einfach nicht die Zeit, mich so intensiv um einen einzelnen Wert zu kümmern. Warum sollte ich das auch tun, wenn es so viele gute Unternehmen gibt, die nicht so einen enormen Aufwand erforderlich machen?- Sie erwähnten einen hohen Staatseinfluss auf ein Unternehmen als ein Problem. Worin bestehen da die Probleme?Ich bin long Entrepreneur und short Government. Ein Staat hat andere Motive als ein Unternehmen. Airbus bildet in dieser Hinsicht vielleicht eine Ausnahme. Prinzipiell halte ich aber keine Unternehmen mit staatlichen Beteiligungen, etwa eine Renault. An dem Automobilhersteller hält der französische Staat 20 %. Generell ist es in Frankreich schwieriger als in Deutschland, Firmen ohne staatliche Beteiligung zu finden. In Frankreich wird halt Industriepolitik betrieben.- Wie hat sich Ihr Portfolio im bisherigen Jahresverlauf geschlagen?Der Prévoir Perspective C hat um 8,6 % gelegt, der für Institutionelle Prévoir Perspective I 9,2 %. Zum Vergleich: Der Euro Stoxx 300 ist um 1,4 % gestiegen.- Sie halten auch die Aktie des Finanzdienstleisters Hypoport. Was gefällt Ihnen an dieser Aktie?Hier gefällt mir das starke Wachstum des Unternehmens. Das Gewinnwachstum ist extrem stark. Hypoport ist es gelungen, immer mehr Geschäft von den Sparkassen zu gewinnen. Natürlich profitiert das Unternehmen vom Immobilien-Boom in Deutschland. Das bedeutet, dass man aus dem Wert auch wieder rausgehen sollte, wenn die Zinsen hochgehen. Irgendwann werden die Immobilienpreise aufhören, so stark zu steigen wie in den zurückliegenden Jahren. Allerdings sehen wir in Deutschland diesbezüglich einen Nachholeffekt im Vergleich zu anderen Ländern wie unter anderem Frankreich.- Wann droht denn Ihrer Einschätzung nach Ungemach seitens der Zinsen?Die Europäische Zentralbank wird bis zum Abgang von Präsident Mario Draghi nichts machen. Schauen wir uns die Situation in Italien an, aber auch in Frankreich, dann ist klar: Wir können uns keine höheren Zinsen erlauben. Meiner Meinung nach werden die Zinsen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten nicht steigen.Das Interview führte Christopher Kalbhenn.