GASTBEITRAG ZUR SERIE ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (67)

Wie marktneutral sind Risikoprämien?

Börsen-Zeitung, 17.4.2019 Wie alle Long/Short-Strategien beziehen alternative Risikoprämien-Strategien (ARP-Strategien) ihre Attraktivität im Portfoliokontext aus geringen gemeinsamen Schwankungen mit Anlageklassen, die Investoren ohnehin schon im...

Wie marktneutral sind Risikoprämien?

Wie alle Long/Short-Strategien beziehen alternative Risikoprämien-Strategien (ARP-Strategien) ihre Attraktivität im Portfoliokontext aus geringen gemeinsamen Schwankungen mit Anlageklassen, die Investoren ohnehin schon im Portfolio besitzen (Aktien, Bonds, Rohstoffe etc.). Veranschaulicht wird dies mit niedrigen durchschnittlichen Ko-Variationen zwischen ARP und traditionellen Anlageformen.Diese Analysen geben zwar die Diversifikationsvorteile von ARP in ruhigen Zeiten recht gut wieder, sie verdecken aber zumeist den Blick auf das für Investoren Wesentliche: Wie verhalten sich ARPs in extremen Börsenszenarios, also in Zeiten, die durch stark fallende Preise für riskante Anlagen geprägt sind? Wird die attraktive Performance von ARPs in guten Zeiten durch Strategien erkauft, die in schlechten (und viel seltener auftretenden Zeiten) ungewöhnlich hohe Verluste einfahren? Ist es vielleicht dieses gemeinsame Tail-Risiko, dass alle ARPs in schlechten Zeiten ähnlich verhalten lässt? Wie viel Beta steckt drin?Dies sind die Fragen, die wir in unserem im Dezember 2018 im Journal of Portfolio Management erschienenen und mit dem Preis für das beste akademische Paper von EQDerivatives ausgezeichneten Aufsatz “Tail Risk in the Cross-Section of Alternative Risk Premium Strategies” beantwortet haben. Wir beginnen mit dem bei Anlegern beliebten Kapitalmarktmodell CAPM und beurteilen etwa 250 von sechs verschiedenen Investmentbanken angebotene ARP-Strategien anhand einer einfachen Benchmark: Wie viel Aktienrisiko (gemessen an ihrem Beta) steckt in einer ARP-Strategie?Wenn das Modell nützlich ist, müssen Unterschiede in den durchschnittlichen Betas der Strategien die Unterschiede in den durchschnittlichen Renditen erklären. Dies ist aber nicht der Fall. Unterschiede im Beta erklären die Unterschiede in den Durchschnittsrenditen nicht. Alles sieht wie risikoadjustierte Überrendite aus. Unser einfaches Modell ist nicht in der Lage, die Variation der Durchschnittsrenditen im Querschnitt zu erklären. Gut für die Produktanbieter (alles sieht wie Alpha aus), schlecht für den Wissenschaftler (das Modell taugt nichts).Wir benötigen ein Modell, das die empirischen Regelmäßigkeiten besser erklärt. Nicht erst seit 2018 wissen Anleger in ARP, dass in extrem schlechten Zeiten ARPs erheblichen Ansteckungseffekten unterliegen und viele Risikoprämien gleichzeitig im schlechtesten Perzentil ihrer Verteilung landen. Um dies zu modellieren, berechnen wir für jede Risikoprämie, wie sie sich in Situationen verhält, in denen (traditionelle) riskante Anlagen eine negative Rendite jenseits einer Standardabweichung aufweisen. Für alle Risikoprämien erhalten wir aus einer Zeitreihenregression ein sogenanntes “Downside-Beta”. ARPs, die im Tail ihrer Verteilung verklebt sind, zeigen ähnliche “Downside-Betas”.Wie aber wird ein solches “Downside-Beta” im Durchschnitt vom Kapitalmarkt entlohnt? Strategien mit ähnlichem Beta müssten ähnliche Auf- bzw. Abschläge auf ihre durchschnittliche Rendite hinnehmen. Gegeben, dass hohe “Downside-Betas” ein erhebliches Risiko für Anleger darstellen, müssten diese besonders entlohnt werden. Rationale Anleger sollten nur dann das Risiko mit traditionellen Märkten koordinierter Extremverluste auf sich nehmen, wenn sie auch besonders dafür entlohnt werden. Wir würden nicht nur erwarten, dass Strategien mit ähnlichen Downside-Risiken auch ähnliche Durchschnittsrenditen aufweisen, sondern auch, dass diese gemeinsame Anfälligkeit gegenüber Krisenzeiten im Durchschnitt positiv entlohnt wird. Die Übernahme von Downside-Risiken müsste sich besonders lohnen. Nicht belohnte RisikenDie Ergebnisse unserer Studie sind zweigeteilt. Die gute Nachricht (für den Wissenschaftler): Dieses Modell funktioniert viel besser als das vorherige. Unterschiedliche ARP-Strategien besitzen das gleiche “Downside-Beta”. Variationen im “Downside-Beta” erklären einen erheblichen Anteil an Variationen in historischen Renditen. Die schlechte Nachricht für Wissenschaftler und Investoren: Die Übernahme dieser Risiken wird nicht wie hypothetisiert entlohnt. Strategien mit hohem Downside-Risiko haben negative Renditen und Strategien mit geringem Downside-Risiko haben hohe Renditen. Man hätte das Gegenteil erwartet.Was erklärt dieses Phänomen? Die für Investoren positive Interpretation: Der historische Betrachtungszeitraum ist kurz (zehn Jahre) und enthält die Jahrhundertfinanzmarktkrise als negatives Extremereignis. Gemessen an zehn Jahren Daten ist diese überrepräsentiert. Strategien mit “Downside-Beta” haben daher – gemessen am Zeitraum – zu häufig extreme Verluste hinnehmen müssen. Hätten wir längere Zeitreihen, so würde sich der normale Zusammenhang einstellen.Die aus Sicht des Investors schlechtere Interpretation: Ein Großteil der Historie von ARP-Strategien besteht aus Backtests. Die enormen Freiheitsgrade von Backtests führen zu überangepassten Strategien, die im Kapitalmarktgleichgewicht so nicht existieren. Wenn Strategien mit hoher Rendite kein Downside-Risiko mehr aufweisen, verschwindet der Zusammenhang.—-Zuvor erschienen:- Ende der Dollarstärke – Implikationen für die Finanzmärkte (66), Berenberg- Der Dax bewegt sich auf dünnem Eis (65), M.M. Warburg & Co—-Bernd Scherer Geschäftsführer, Lampe Asset Management und Nick Baltas Executive Director, Head of R&D Goldman Sachs