IM INTERVIEW: TIM ALBRECHT, DEUTSCHE ASSET MANAGEMENT

"Wir trauen dem Dax 15 000 zu"

Exportlastige deutsche Aktienindizes profitieren vom globalen Aufschwung

"Wir trauen dem Dax 15 000 zu"

Die zurückliegenden Turbulenzen an den Aktienmärkten schrecken Tim Albrecht nicht ab. Der Leiter DACH-Aktien der Deutschen Asset Management fühlt sich in seiner Zuversicht für den deutschen Aktienmarkt sogar bestärkt.- Herr Albrecht, wie beurteilen Sie die Korrektur des Aktienmarktes, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie?Die Korrektur bestärkt uns in unserem Optimismus für den deutschen Aktienmarkt. Wir fühlen uns nun sowohl aus strategischer als auch aus taktischer Sicht mit deutschen Aktien sehr wohl. Unserer Einschätzung nach wird sich der Ausverkauf am Rentenmarkt, der wohl zu der Korrektur beigetragen hat, nicht mit der zurückliegenden Dynamik fortsetzen. Wir denken auch, dass die Korrektur ein Stück weit technisch getrieben war. Viele Marktteilnehmer wurden nach der langen Phase mit extrem niedriger Volatilität auf dem falschen Fuß erwischt.- Welches Potenzial trauen Sie dem Dax zu?Wir trauen dem Dax auf Sicht von zwei Jahren 15 000 Punkte zu. Ende 2018 erwarten wir den Index bei 14 100 Punkten. – Worauf stützen Sie Ihre Zuversicht?Wir sind vor allem wegen des robusten makroökonomischen Umfelds und der Verfassung deutscher Unternehmen zuversichtlich. Zwar wird China häufig als der entscheidende Nachfragemotor für die deutsche Wirtschaft genannt. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Europäische Union mit einem Anteil von rund 60 % die wichtigste Exportregion für Deutschland bleibt. Entsprechend profitieren deutsche Unternehmen von der derzeit dynamischen Entwicklung der Konjunktur in Europa. Für den Euroraum rechnen wir in diesem Jahr mit einem erneut hohen Wirtschaftswachstum von 2 %. Für das Jahr 2017 liegt unsere Schätzung bei 2,3 %. Der Aufschwung in Europa wird vor allem durch den stärkeren Konsum getragen. In Deutschland erwarten wir zudem eine weitere Belebung der Investitionstätigkeit, die auch auf die hohe Kapazitätsauslastung zurückzuführen ist.- Was bedeutet dieses Umfeld für die Unternehmensgewinne?Es ist natürlich positiv. Wir rechnen für die Dax-Unternehmen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Gewinne um 8 %. Unser Ziel von 14 100 Punkten kann ohne eine Ausweitung der KGV-Bewertung erreicht werden.- Halten Sie die Bewertung somit für ausgereizt?Prinzipiell sprechen die stimulierende Zentralbankpolitik und der synchrone Aufschwung bei gleichzeitig immer noch moderater Inflation für höhere Bewertungen. Andererseits besteht aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums des Zyklus, der ungewissen Folgen des Endes der extrem lockeren Geldpolitik und der mittelfristigen Fragezeichen über Chinas Wirtschaftsmodell auch kein Grund zur Euphorie.- Welche Bedeutung hat die zurückliegende Aufwertung des Euro?Die Bedeutung des Euro für den Aktienmarkt wird häufig überschätzt. Zwar gibt es regelmäßig auf kurze Sicht ein Zusammenspiel, bei dem der Dax zur Schwäche neigt, wenn der Euro steigt. Auf längere Sicht bleibt von dieser Korrelation aber wenig übrig. Von einem schwächeren Wechselkurs bis zu besseren Absatzbedingungen im Ausland, höheren Gewinnen und einem steigenden Aktienkurs ist es meist ein sehr langer Weg. Ganz kann der typische Börsenreflex aber nicht ignoriert werden, der da lautet: Ein stärkerer Euro führt rein buchhalterisch dazu, dass im Ausland erwirtschaftete Gewinne in einem geringeren Euro-Betrag resultieren. Wir glauben aber, dass der Euro-Dollar-Wechselkurs nach der Rally von 1,05 auf rund 1,25 Dollar innerhalb eines Jahres nun zunächst eine Konsolidierungsphase durchlaufen wird und damit als Treiber für Gewinne und Aktienkursschwankungen deutlich an Dynamik verlieren wird. Bei den Währungsbewegungen seit Ende letzten Jahres handelt es sich ohnehin in erster Linie um eine Dollar-Schwäche und keine Euro-Stärke.- Welche Sektoren bevorzugen Sie?Die Auftragsbücher der Unternehmen werden von allen Regionen der Welt gut gefüllt. Von dem viel zitierten globalen synchronen Aufschwung profitieren die exportlastigen deutschen Aktienindizes besonders. Und wir sehen nicht nur Umsatzwachstum, sondern auch eine Margenausweitung über viele Branchen hinweg. Die Grundstoffsektoren Stahl und Chemie etwa profitieren von idealen Rahmenbedingungen. Eine steigende Nachfrage stößt auf ein teilweise rückläufiges Angebot. Neben klassischen exportorientierten Industriesektoren sind wir auch in Technologieaktien übergewichtet, da die Unternehmen unserer Einschätzung nach von strukturellem Wachstum profitieren werden. Ferner halten wir den Finanzsektor, der von der immer sichtbarer werdenden Zinswende profitiert, für interessant. Allerdings sind insbesondere die europäischen Banken einem stärkeren Druck ihrer US-Wettbewerber ausgesetzt, die unter der jetzigen US-Regierung in den Genuss eines Regulierungsabbaus kommen. Daher bevorzugen wir die Versicherer, vor allem solche mit soliden Bilanzen und großzügigem Ausschüttungsverhalten. Darüber hinaus behalten wir vor dem Hintergrund der sich verbessernden Arbeitsmärkte und Konsumstimmung in Europa zyklische Konsumwerte im Auge.- Wie stehen Sie zur Automobilbranche?Wir sind in der Branche leicht untergewichtet. Die Automobilhersteller stehen vor großen Herausforderungen, die Investitionen in Forschung und Entwicklung erfordern. Wir konzentrieren uns auf ausgewählte Zulieferer.- Nebenwerte haben in den zurückliegenden Jahren sehr stark outperformt. Sehen Sie hier noch Potenzial?Angesichts einer deutlichen Prämie auf Dax-Aktien muss man in diesem Bereich selektiv sein. Allerdings halten wird das Ertragspotenzial von Nebenwerten weiter für sehr gut. Außerdem profitieren Nebenwerte vom anhaltenden Interesse strategischer Käufer.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.