IM BLICKFELD

Yuan statt Dollar

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.9.2017 Wie viel kostet ein Barrel Rohöl am Weltmarkt? Die Antwort ist einfach, sollte man denken: fast 58 Dollar beispielsweise für die Sorte Brent Crude. Aber welcher geneigte Leser kann auf...

Yuan statt Dollar

Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtWie viel kostet ein Barrel Rohöl am Weltmarkt? Die Antwort ist einfach, sollte man denken: fast 58 Dollar beispielsweise für die Sorte Brent Crude. Aber welcher geneigte Leser kann auf Anhieb sagen, wie viel das Fass Rohöl einer der gängigen Sorten aktuell in Yuan kostet? Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Finanzmarktakteure diese Information in nur wenigen Jahren ständig präsent haben werden. Derzeit finden am Ölmarkt und im internationalen Finanzsystem weitreichende Veränderungen statt, die bislang aber nur eingeschränkte Aufmerksamkeit erfahren. Die Veränderungen könnten langfristig die Rolle des Dollar als wichtigste Handels- und Reservewährung in Frage stellen. Ins Rampenlicht geratenEin wenig ins Rampenlicht geraten ist die Entwicklung kürzlich durch zwei Ereignisse. Zum einen hat Venezuela – das Land, das weltweit über die größten Erdölreserven verfügt – in Aussicht gestellt, den Energieträger künftig nicht mehr in Dollar, sondern nur noch in anderen Währungen wie dem Yuan zu verkaufen. Kurz vorher berichtete eine japanische Finanzzeitung von Plänen der chinesischen Regierung, Erdöl-Futures in Yuan aufzulegen, die mit Gold unterlegt werden sollen. Was auf den ersten Blick als eine abwegige Idee erscheint – der Energieträger hat eigentlich wenig mit dem Edelmetall zu tun -, entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als ein durchaus relevanter Versuch Chinas und befreundeter Länder, sich dem ökonomischen Einfluss der USA zu entziehen und dazu beizutragen, dass sich auch auf ökonomischem und finanziellem Terrain die unipolare, vom Dollar dominierte Welt zu einem multipolaren Finanzsystem wandelt. Vom System abgehängtDiese Bestrebungen dürften durch die jüngsten Drohungen des amerikanischen Finanzministers Steven Mnuchin, China bei fehlendem Wohlverhalten in der Nordkorea-Krise vom internationalen Finanzsystem abzuhängen, in Peking an Dringlichkeit gewonnen haben. Mit von der Partie ist Russland, das 2014 im Gefolge der Krim-Krise die Erfahrung machen musste, wie effektiv auch nur die Drohung eines Rauswurfs aus den internationalen Finanznetzwerken wie Swift sein kann. Darauf hat Moskau mit der Schaffung eines eigenen Zahlungssystems russischer Banken reagiert, das Visa und Mastercard ersetzen kann oder zumindest ergänzen soll.Um das Kalkül Chinas zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in die Geschichte erforderlich. Nach dem Untergang des vom Dollar dominierten Finanzsystems von Bretton Woods gelang es dem damaligen US-Außenminister Henry Kissinger 1975, durch einen Deal mit dem damals mit Abstand wichtigsten Ölproduzenten Saudi-Arabien die Basis für das aktuelle globale Finanzsystem zu schaffen. Die Führungsmacht der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verpflichtete sich, den Energieträger nur noch gegen Dollar zu verkaufen. Damit wurde die Rolle der US-Devise als wichtigste Handels- und Reservewährung der Welt auch nach dem Ende von Bretton Woods festgeschrieben. Länder mit einem großen Handelsüberschuss wie China, Japan und Rohstoffländer wie Russland sind nach wie vor gezwungen, ihre Überschüsse in amerikanischen Staatsanleihen anzulegen. Dieses Arrangement stabilisiert den Außenwert des Dollar. Es sorgt zudem dafür, dass US-Treasuries als sicherer Hafen gelten und sich einer hohen Nachfrage erfreuen – trotz der enormen Verschuldung der USA. Der US-Regierung gibt dies unter anderem die Möglichkeit, die Rüstungsausgaben auf sehr hohem Niveau zu halten. Zunahme der SpannungenMit der Verschärfung der handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China und dem Ausbruch des neuen Kalten Krieges zwischen den Nato-Ländern und Russland ist in Peking das Bedürfnis entstanden, sich dem finanziellen Druckpotenzial Washingtons zu entziehen und die Position der USA zu schwächen. Ausdruck dieses Bestrebens sind auch die Gründung der Shanghai Cooperation Organization (SCO), deren Mitgliedsländer mittlerweile drei Milliarden Menschen bzw. 42 % der Weltbevölkerung umfassen, sowie die Einrichtung der New Development Bank, die langfristig als Konkurrenzveranstaltung zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds IWF zu sehen ist. Zum Schlag ausgeholtNun aber holt Peking offenbar zu einem weiteren Schlag aus, der wohl schon seit einigen Jahren vorbereitet wird: Sowohl die People’s Bank of China als auch die russische Notenbank treten seit Jahren am Goldmarkt in großem Stil als Käufer auf und haben umfangreiche Edelmetallreserven angelegt. So hat die russische Notenbank allein 2016 rund 201 Tonnen Gold gekauft. Russland ist damit weltweit der größte staatliche Käufer des Edelmetalls. Binnen zehn Jahren wurden die Goldbestände der Bank um 1 250 Tonnen auf 1 700 Tonnen vergrößert. Die People’s Bank of China hatte im dritten Quartal 2001 noch 394 Tonnen, aktuell sind es mehr als 1 840 Tonnen. Diese Bestände stehen als Grundlage für die Yuan-basierten Öl-Futures zur Verfügung.Diese Futures könnten den globalen Ölhandel deutlich diversifizieren oder sogar auf eine neue Basis stellen. Bisher war es für Ölförderländer nur wenig attraktiv, beispielsweise in der chinesischen Währung zu verkaufen, weil der Yuan eine deutlich geringere internationale Akzeptanz aufweist als der Dollar. Die Umtauschmöglichkeit in das international als Wertträger akzeptierte Gold könnte derartige Geschäfte aber deutlich interessanter machen.Neben das Dollar-basierte Finanzsystem könnte damit in der langfristigen Perspektive ein weiteres System treten, das mit Gold unterlegt ist. Ein solches System, sofern es sich etablieren lässt, würde die Position des Dollar schwächen und hätte sogar das Potenzial, den Greenback als führende Handelswährung abzulösen. Dies ist allerdings vorerst Zukunftsmusik, zumal den USA zahlreiche Möglichkeiten bleiben, derartige Projekte zu behindern. Zu nennen sind beispielsweise die Parteinahme in den innenpolitischen Konflikten Venezuelas oder die Bemühungen, SCO-Mitglied Indien als engen Kooperationspartner zu gewinnen. Zudem ist der Yuan nach wie vor an den Dollar gebunden, Peking lässt nur sehr begrenzte Kursbewegungen zu. Bis jetzt sind noch alle Versuche, die Führungsrolle des Dollar zu beenden, schon im Ansatz gescheitert. Allerdings handelt es sich aktuell um den bisher möglicherweise aussichtsreichsten – wenn auch sehr langfristig angelegten – Versuch, den Greenback anzugreifen.Um aber abschließend die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Das Barrel Rohöl notiert derzeit zu rund 340 Yuan.