Yuan wird zum US-Wahlgewinner

Strammer Aufwertungstrend für Chinas Währung - Lockruf für ausländische Investoren

Yuan wird zum US-Wahlgewinner

Angesichts des Ausgangs der US-Wahlen bescheinigen Devisenmarktpropheten dem Yuan einen klaren Aufwertungstrend. Im Sog der chinesischen Währung dürfte auch der Aktienmarkt zunehmend in Hausse-Stimmung geraten – denn ein starker Renminbi stärkt das Vertrauen ausländischer Investoren.Von Norbert Hellmann, SchanghaiNeben Joe Biden haben die US-Präsidentschaftswahlen einen weiteren Gewinner hervorgebracht: den chinesischen Yuan. Der neue “President-Elect” Biden gilt zwar nicht zwangsläufig als Taube in Sachen China-Politik, doch steht er zumindest für Entspannung und vor allem einen kalkulierbareren Kurs. Das könnte sich als Balsam für die von Donald Trumps handelspolitischen Attacken strapazierten Nerven der Marktteilnehmer erweisen.Analysten beeilen sich jedenfalls, den Wahlausgang zum Anlass für eine grundsätzliche Korrektur ihrer Devisenmarktprognosen zu nehmen, und legen nun statt eines volatilen Zickzackkurses einen anhaltenden Aufwertungstrend für die chinesische Valuta als Basisszenario vor. Damit wird es wahrscheinlicher, dass der Yuan auf ein Anfang 2018 erreichtes Hoch gegenüber dem Dollar zueilt (siehe Chart). Optimistische KursmarkenZu den neuen Yuan-Bullen gehört auch die US-Investmentbankenriege. Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley haben die Devisenmarktprofis in Research-Bulletins zu Yuan-Dollar-Deals angeregt und optimistische Kursmarken für die chinesische Devise gesetzt. Goldman Sachs etwa sieht den Yuan binnen Jahresfrist auf eine Marke von 6,30 Yuan zum Dollar zueilen. Dies würde für die traditionell schwankungsarme chinesische Währung eine weitere Aufwertungsbewegung von 4 % bedeuten. Gegenwärtig liegt der Kurs bei 6,62 Yuan zum Dollar.Morgan Stanley zufolge sprechen drei wesentliche Gründe dafür, Long-Positionen im Yuan einzugehen, nämlich eine vermutete Reduzierung der Handelsstreitigkeiten zwischen Peking und Washington, eine insgesamt gestärkte Zahlungsbilanzposition Chinas und auch eine anhaltende globale Schwächungstendenz des Dollar. In jedem Fall bedeutet dies einen klaren Szenario-Wechsel, nachdem das Gros der Analysten den Yuan-Dollar-Kurs noch zur Jahresmitte bei Werten oberhalb von sieben verortet hatten.Nun gibt es sogar Stimmen, die wie vor drei Jahren sogar davon ausgehen, dass der Yuan-Dollar-Wechselkurs eine Fünf vor dem Komma aufweisen könnte. Dieses Szenario wird im Devisenhändlerjargon gern als “High Five” bezeichnet. Es würde allerdings voraussetzen, dass Chinas Zentralbank, die mit dem Setzen von handelstäglichen Referenzkursen zum Dollar ein gewaltiges Wörtchen mitzureden hat, bereit wäre, den Yuan flexibler als bislang im Markt mitgehen zu lassen. Dafür spricht wiederum die Beobachtung, dass die handelspolitischen Vorteile eines schwächeren Yuan im Kalkül der chinesischen Wirtschaftsplaner inzwischen eine geringere Rolle spielen.China ist zwar immer noch Exportweltmeister, doch hat sich der Beitrag der Ausfuhren zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer Studie der Weltbank zufolge von 27 % im Jahr 2010 auf gut 18 % verringert. Während China in der vergangenen Dekade stark auf den Außenhandel als Wirtschaftswachstumstreiber angewiesen war, haben sich die Prioritäten mittlerweile klar verschoben. Auch im neuen Fünfjahresplan wird es im Wesentlichen darum gehen, Chinas Binnenkonsum weiter anzuwerfen und damit auch Importmengen zu steigern. Bei einer solchen Politik ist eine Abwertungspolitik nicht dienlich, sondern eine erstarkende heimische Währung gefragt. Handbremse lösenDie fundamentale Stärke der chinesischen Wirtschaft dürfte schon im kommenden Jahr wieder für überdurchschnittliche Wachstumsraten sorgen (siehe Grafik). Gleichzeitig sieht man von geldpolitischer Seite keinen weiteren Lockerungsbedarf. Für ausländische Anleger spricht das wachsende Zinsdifferential zwischen China und den auf Ultralockerungskurs befindlichen USA erst recht für eine Positionierung im Yuan.Freilich sind Chinas Notenbanker seit jeher darauf bedacht, eine allzu rasche Yuan-Aufwertung zu verhindern. Sie möchten nicht über Gebühr schwankungsanfällige kurzfristige Kapitalströme anlocken. Dennoch spricht das Ziel einer langfristigen Förderung des Binnenkonsums dafür, die Handbremse ein wenig zu lockern und einer marktgetriebenen, aber fundamental abgesicherten Aufwärtsbewegung des Yuan mehr Entfaltungsspielraum zu geben.Eine grundsätzliche Aufwertungstendenz und ein verstärktes Engagement von ausländischen institutionellen Investoren dürften sich auch als Treiber für Chinas Aktienmarkt darstellen, urteilen Analysten. Insbesondere auf der sogenannten Nordschiene im Rahmen der Handelsverknüpfung (Stock Connect) zwischen den Märkten in Hongkong und Schanghai sowie Shenzhen entsteht kräftige Bewegung. So haben ausländische Investoren, die von Hongkong aus im chinesischen Festlandmarkt agieren, seit Anfang November ein Nettoengagement in chinesischen A-Aktien in einem Umfang von über 5 Mrd. Dollar getätigt.Zwar färbt eine ausländische Kapitalzufuhr relativ gering auf das aktuelle Handelsgeschehen und den marktbreiten Leitindex Shanghai Composite ab, für den längerfristigen Trend aber sind die Auslandsengagements mehr als nur ein Zünglein an der Waage. So sehen die Marktteilnehmer eine neue Chance für einen wachsenden Risikoappetit und wieder anziehende Handelsumsätze, die geeignet sind, den seit vier Monaten währenden Seitwärtstrend bei den A-Aktien zu durchbrechen.Die Wahlergebnisverkündung ließ den Index zu Wochenbeginn um 1,9 % anziehen, am Dienstag kürzte der Shanghai Composite allerdings wieder um 0,4 % auf 3 360 Punkte ein. Dabei reagierten die Anleger vor allem säuerlich auf neue chinesische Inflationszahlen, die mit einem Anstieg um gerade einmal 0,5 % ein Elfjahrestief beim Verbraucherpreisindex ausweisen. Dies gilt als ein Hinweis darauf, dass der Binnenkonsum nach der Corona-Delle noch nicht so richtig in Gang gekommen ist.Auch der Durchbruch des US-Pharmakonzerns Pfizer bei der Entwicklung eines Impfstoffs zur Abwehr des Coronavirus zündet im chinesischen Markt nicht. Zum einen, weil sich China ausgerechnet hatte, im Impfstoffrennen mit heimischen Projekten vorne mitmischen zu können. Zum anderen hat ein neuer Impfstoff angesichts gegenwärtig minimaler Corona-Fallzahlen und eines bereits gut erholten Wirtschaftswachstums im Reich der Mitte einen wesentlich geringeren Konjunktureffekt als in westlichen Industrieländern.