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Zalando-Anleger schreien vor Glück

Europas größter Online-Modehändler überrascht seine Anleger mit einem unerwartet starken Ergebnissprung. Analysten empfehlen die Aktie derzeit reihenweise zum Kauf. Das Marktumfeld bleibt jedoch herausfordernd.

Zalando-Anleger schreien vor Glück

Zalando-Anleger schreien vor Glück

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

Zugegeben, den Slogan „Schrei vor Glück oder schick's zurück" nutzt Zalando schon länger nicht mehr. Nach Bekanntgabe vorläufiger Geschäftszahlen für das Jahr 2024 lässt sich der Spruch mit Blick auf die Kursreaktion aber durchaus anwenden. Immerhin ging es für die Titel zeitweise um knapp 17% auf fast 34 Euro nach oben. Damit hat die Aktie nicht nur ihre deutlichen Verluste aus den ersten zwei Wochen des neuen Jahres vollends wettgemacht, sondern dem Dax gleichzeitig zu einem neuen Allzeithoch verholfen.

Es war ein starkes Schlussquartal, das Zalando aus Sicht von Analysten abgeliefert hat. Sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Ergebnis hat der Berliner Modehändler die Erwartungen am Markt deutlich übertroffen und dadurch im Gesamtjahr vor allem bei der Profitabilität besser abgeschnitten als gedacht. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) wird sich laut dem Konzern für 2024 auf voraussichtlich rund 510 Mill. Euro summieren. Das sind 46% mehr als im Jahr zuvor. Der Umsatz habe dabei um knapp 4% auf 10,5 Mrd. Euro zugelegt.

Händler zieht mehr Kunden an

Grund für die Verbesserungen war laut dem Unternehmen ein mit Marketing forciertes Kundenwachstum und ein besserer Abverkauf der Waren. Dabei seien die höheren Werbeausgaben mehr als kompensiert worden, findet Analyst Richard Chamberlain von der kanadischen Bank RBC. Auf seiner Liste der „Global Top 30 Best Ideas“ sei Zalando mit vertreten. Baader-Analyst Volker Bosse sieht in den Zahlen zudem „ein starkes Zeichen, dass der Konzern in der Lage ist, seine Versprechen in einem insgesamt herausfordernden Umfeld für den Modehandel zu halten oder sogar zu übertreffen“.

Was den Online-Modehandel derzeit besonders herausfordert, ist nicht mehr so sehr ein schwächelndes Konsumklima – tatsächlich ist die Nachfrage laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland hierzulande in den vergangenen zwei Quartalen wieder gestiegen. Vielmehr sind es weiterhin die zahlreichen Konkurrenten, die mit teils aggressiven Methoden und immer neuen Shopping-Innovationen um die Gunst ihrer Online-Kunden buhlen.

Genannt seien hier natürlich die beiden in der Vergangenheit stark gewachsenen asiatischen Fast-Fashion-Schreckgespenster Shein und Temu. Zwar rechnen Marktexperten von Forrester damit, dass sich das Wachstum der beiden Plattformen in diesem Jahr deutlich verlangsamen wird, was unter anderem mit der hohen Zahl an Beschwerden über die Qualität der Waren, unethische Produktionsverfahren und unfaire Versandvorteile zusammenhänge. Dennoch werden die beiden Player das Feld deswegen nicht einfach tatenlos anderen überlassen.

Shein und Temu sind auch nicht die einzigen, die sich im Online-Modehandel zuletzt breiter gemacht haben. Seit September 2023 können Nutzer der Video-App Tiktok über die Funktion Tiktok Shop direkt auf der Plattform shoppen und Verkäufer ihre Produkte zum Beispiel über Live-Streams bewerben. Die Funktion ist derzeit in den USA, in Großbritannien und einigen asiatischen Ländern verfügbar – in den USA könnte die App, hinter der der in China ansässige Konzern Bytedance steht, allerdings in wenigen Tagen verboten werden. In Deutschland hatte Tiktok Shop den Marktstart zuletzt laut Insidern auf 2025 verschoben.

Dafür ist hierzulande und in weiteren Teilen Europas bereits die US-Liveshopping-Plattform Whatnot aktiv. Das 2019 gegründete Unternehmen hatte erst vor Kurzem von Investoren eine Finanzspritze von 265 Mill. Dollar erhalten und war dabei mit fast 5 Mrd. Dollar bewertet worden. Auf einen ähnlich hohen Wert kam im Oktober die litauische Second-Hand-Plattform Vinted, die seit einigen Jahren kontinuierlich wächst und 2023 auf einen Umsatz von 596 Mill. Euro kam – ein Plus von 61% im Vergleich zum Vorjahr.

Hoffnung auf Zukauf

Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung von Zalando liegt derzeit bei 8,6 Mrd. Euro. Um im Wettbewerb bestehen zu können, haben die Berliner zuletzt einen großen Schritt gewagt und im Dezember angekündigt, den kleineren Konkurrenten About You aus Hamburg zu übernehmen. Für das einst als Tochter der Otto Group gegründete Unternehmen bietet Zalando 6,50 Euro pro Aktie, was einem erheblichen Aufschlag auf den damaligen Aktienkurs entspricht. Dass About You noch Verluste schreibt und beim Umsatz zuletzt kaum vorankam, bereitete den Aktionären von Zalando in den vergangenen Wochen Bauchschmerzen.

Analysten konnten dem Deal, von dem sich der Konzern ein langfristiges Einsparpotenzial von 100 Mill. Euro erhofft, dennoch einiges abgewinnen. Mit Blick auf die Skaleneffekte biete er mittelfristig weiteres Ergebnis- und somit Kurspotenzial, schrieb etwa Baader-Experte Volker Bosse. Seine Empfehlung für die Aktie lautet derzeit “Add", und mit dieser positiven Einschätzung steht er nicht allein da: Von den auf Bloomberg erfassten 33 Analysten, die die Aktie von Zalando regelmäßig bewerten, raten derzeit 25 zum Kauf, 7 zum Halten und nur einer zum Verkauf des Papiers. Der durchschnittliche Zielkurs liegt derzeit bei gut 37 Euro, was etwa 15% über dem aktuellen Kursniveau liegt.

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