LEITARTIKEL

Zeit für härteren Durchgriff

Sie sind geächtet, um nicht zu sagen verteufelt, gelten manchen auch als Gefahr für die Finanzstabilität. Nun werden sie mitunter auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt: Leerverkäufer. Dabei kommt dieser wenig verbreiteten Art der...

Zeit für härteren Durchgriff

Sie sind geächtet, um nicht zu sagen verteufelt, gelten manchen auch als Gefahr für die Finanzstabilität. Nun werden sie mitunter auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt: Leerverkäufer. Dabei kommt dieser wenig verbreiteten Art der Marktteilnehmer eine Signalfunktion zu. Vor einer übereilten Generalverurteilung sollte bedacht werden: Leerverkäufer können Fehlbewertungen in einem Markt identifizieren oder verhindern und gehen dafür Wetten mit hohem Risiko ein. Ob es einem passt oder nicht: Sie haben eine wichtige Rolle in der Marktwirtschaft. Der Rahmen für Shortseller ist dabei in den vergangenen Jahren enger gesteckt worden. Mit dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien nahm Europa nicht nur umstrittene Käufe um den Dividendenstichtag – besser bekannt als Cum/Ex-Geschäfte – ins Visier, sondern wollte auch womöglich eine unternehmensschädigende Negativspirale in einzelnen Titeln durch Herdenverhalten von kurzfristig agierenden Leerverkäufern unterbinden. Nach Vorgabe der europäischen Marktaufsicht müssen seit 2012 Netto-Leihepositionen gemeldet werden: ab einem Anteil am Aktienkapital von 0,2 % an die Aufsicht, wobei jeweils weitere Veränderungen um 10 Basispunkte mitgeteilt werden müssen. Beim Überschreiten von 0,5 % müssen die Positionen zudem öffentlich gemacht werden. Wie eine Untersuchung der ESMA zeigt, nutzen viele Leerverkäufer diese Vorgabe, um unter dieser Schwelle zu bleiben. Es ist deshalb ein starkes Signal, wenn die 0,5 %-Hürde überschritten wird.Allerdings gibt es Fälle, die von diesen Vorgaben nicht erfasst werden – zugleich aber für betroffene Unternehmen höchst störend sind. So äußern sich meist völlig unbekannte, selbst ernannte Research-Häuser mit ominösen Namen wie Gotham City oder Viceroy in Berichten, die sie über Medien und das Internet streuen, zu Unternehmen und werfen ihnen unrichtige Angaben oder die Vorspiegelung falscher Tatsachen vor. Oft bricht dann der Kurs des betroffenen Unternehmens ein, die Reputation des Managements ist angekratzt. Das kommt in Hongkong genauso wie in New York oder Frankfurt vor. Hierzulande sind ProSiebenSat.1, Ströer und Wirecard prominente Opfer. Dabei verkaufen die sogenannten Research-Häuser gerne vor der Publikation ihrer Machwerke die entsprechenden Aktien leer. Der Disclaimer – dass hier ein Interessenkonflikt vorliegt – ist oft nur im Kleingedruckten zu finden. Im Fall Muddy Waters/Ströer 2016 baute der Leerverkäufer seine Position just am Tag der Veröffentlichung stark ab, was ihm geschätzt 2,5 Mill. Euro Gewinn einbrachte.Eine Handhabe gegen die Verbindung von Research mit Short-Attacken ist schwierig. Die Urheber verschleiern oft ihre Herkunft. Trotzdem untersucht die Staatsanwaltschaft die Fälle von ProSiebenSat.1, Wirecard und Ströer. Die Verbindung von Short-Attacken zum Strafrecht ist dabei schwierig herstellbar. Sie lässt sich wohl nur über Kriterien der Marktmanipulation oder eine mangelnde Erfüllung von Transparenzpflichten herstellen. Hinzu kommt: Marktmanipulation ist zwar in Deutschland kein neues Thema, siehe Porsche und Volkswagen. Doch meist enden entsprechende Verfahren ergebnislos. Gemäß Angaben der Staatsanwaltschaft, die der Finanzaufsicht BaFin vorliegen, sind von 2015 bis 2017 nur gerade 20 Verfahren gemeldet worden, in denen es nach der Hauptverhandlung zu einer rechtskräftigen Verurteilung kam. Im selben Zeitraum wurden 38 Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren gemeldet. Insgesamt hatte die Staatsanwaltschaft aber über 1 000 Verfahren abgeschlossen. In Summe kam es also nur in 6 % der Fälle zur Verurteilung.Um hier weiterzukommen, müssen endlich Transparenzpflichten durchgesetzt werden. Research-Häuser egal welcher Provenienz sollten verpflichtet sein, ihre Leerverkaufsposition zu veröffentlichen, wenn sie die Absicht haben, zu diesem Titel einen Bericht zu veröffentlichen. Und um nicht auf umständliche Amtshilfeverfahren angewiesen zu sein, sollten Ermittler, um mögliche abgesprochene Handelsstrategien identifizieren zu können, zumindest in Europa die Handelsaktivitäten auf den unterschiedlichen Börsenplattformen bei begründetem Verdacht auch grenzüberschreitend untersuchen können. Es ist Zeit für einen härteren Durchgriff, der kapitalmarktschädigende Leerverkäufer abschreckt und fernhält. Dies wäre auch im Sinn von Shortsellern, die auf Basis von Fundamentaldaten und Erfahrung handeln und die nicht auf billigem Weg der Rufschädigung einen schnellen Profit ziehen wollen. —-Von Dietegen MüllerLeerverkäufern, die auf billigem Weg der Rufschädigung einen schnellen Profit ziehen wollen, sollte endlich die Hände gebunden werden. —-