KAPITALMÄRKTE

Zerreißprobe für den Dollar

Die digitalen Zentralbankwährungen werden 2021 ein Top-Thema sein. Doch die Musik spielt vorerst beim analogen Dollar, Euro und Yuan. Bezüglich deren Entwicklung divergieren die Meinungen der Analysten.

Zerreißprobe für den Dollar

Von Wolf Brandes, FrankfurtDie Diskussion um digitale Zentralbankwährungen hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Das technologische und ökonomische Design wird bestimmen, ob das schöne neue Geld Auswirkungen auf die Wechselkurse des alten Geldes hat. Mit digitalen Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDC) befassen sich mittlerweile die meisten Zentralbanken. “Ursprünglich getrieben von der Angst vor einem geldpolitischen Kontrollverlust angesichts der wachsenden Beliebtheit von innovativen Zahlungslösungen und Kryptowährungen, hat das Interesse an staatlich kontrolliertem digitalen Geld angesichts der Corona-Pandemie noch einmal deutlich zugenommen”, meint Esther Reichelt von der Commerzbank. Sie ist sicher: “Digitale Zentralbankwährungen werden kommen. Unklar ist jedoch noch, ob sie den Devisenmarkt umkrempeln.” EuroDie Einflussfaktoren auf den Markt werden im kommenden Jahr nach Meinung der Analysten analog-fundamental bleiben. Und die einhellige Meinung lautet: Alle gegen den Dollar. Laut Martin Güth von der LBBW hat der Euro gegenüber dem Dollar eine fünf Jahre währende Phase der Bodenbildung zu einem Abschluss gebracht. Jetzt werde es für die Gemeinschaftswährung weiter aufwärtsgehen, insbesondere wegen der Einigung der EU-Staaten auf den Wiederaufbaufonds. Damit werde die EU künftig als große Anleiheemittentin am Markt präsent sein. Die europäische Integration geht noch weiter, meint Güth: “Für den Erhalt des Euro dürften in Zukunft im Zweifelsfall große Geschütze aufgefahren werden. Ein EU-Finanzministerium zeichnet sich am Horizont ab, Gegengewicht zur mächtigen EZB.” Per Jahresende erwartet die LBBW einen Kurs von 1,23 Dollar je Euro.Auch von jenseits des Atlantiks dürfte der Euro Schützenhilfe erwarten. Bantleon-Fondsmanager Tobias Frei erwartet, dass die ultraexpansive US-Geldpolitik auf dem Dollar lastet. Auch die guten Verbindungen der designierten Finanzministerin Janet Yellen zur Fed seien Dollar-negativ zu werten. Für Frei ist aber der Spielraum begrenzt: “Beim Kurs von 1,23 Dollar dürfte kurzfristig die Luft bereits dünn werden.” Ähnlich argumentiert Allianz Global Investors. Die US-Währung sei im historischen Vergleich noch überbewertet und eine expansive Geldpolitik schwäche die Währung eines Landes für gewöhnlich.Vontobel Asset Management führt zusätzlich an, dass das Währungspaar Euro-Dollar in der Regel in Jahren der Handelsexpansion nicht unter seinem Fair Value notiert. Und diesen sieht das Haus bei einem Euro von 1,28 Dollar.Die langfristigen Bewertungsfaktoren zeigen laut Nomura eine deutliche Dollar-Überbewertung von rund 16,4 % gemessen an einem Durchschnitt verschiedener Bewertungsmodelle. Die hohe Überwertung müsse zu der 2020 erfolgten fünfprozentigen Abwertung des Dollars addiert werden. Nomura gibt außerdem zu bedenken, dass “sich die Diversifizierung in andere Nicht-Dollar-Anlagen fortsetzen wird.” Die anstehende Überprüfung des Korbs der Sonderziehungsrechte (SZR) könnte auch an der Stelle zu einer Reduzierung der Dollargewichtung führen.Keine Euro-Dollar-Prognose ohne einen Blick auf die Coronakrise: Ingrid Szeiler, Anlagechefin bei Raiffeisen Capital Management, sieht den Dollar auch deshalb unter Druck, weil bei einem das positiven “Impfszenario” die Pandemie Mitte des nächsten Jahres kaum noch ein Thema sein dürfte – “und sich die jüngsten Bewegungen an den Devisenmärkten bestätigen und damit fortsetzen.” PfundDie Meinungen über die Entwicklung der britischen Währung gehen auseinander. Nach dem schwersten Wirtschaftseinbruch der vergangenen 300 Jahre glaubt Tobias Frei von Bantleon, dass das dienstleistungsorientierte Großbritannien mit einem frühen Zugang zu Impfstoffen positiv überraschen kann. Eine Aufwertung des Pfunds zum Euro um 10 % wäre aus seiner Sicht durchaus möglich. Komplett anders die Sicht von RCM-Anlagechefin Szeiler, die Brexit-Unsicherheiten und die schlecht vorbereitete Umstellung der Wirtschaft als einen schweren Brocken sieht und ein Erreichen der Parität im Jahresverlauf für möglich hält. YuanIn der Ruhe liegt die Kraft des Yuan. “Eine möglichst stabile Währung mit geringer Volatilität dürfte das Hauptziel Chinas auch im Jahr 2021 sein”, so Stefanie Hotze-Jen, zuständig für die Währungsstrategie der DWS. Sie erwartet einen Dollar von 6,8 Yuan zum Jahresende 2021. Denn während die chinesischen Behörden die Aufwertung des Yuan 2020 toleriert haben, “werden sie einer deutlichen weiteren Aufwertung wohl kaum tatenlos zusehen.”Vielfach gilt die chinesische Währung gegenüber anderen Währungen aber trotz der jüngsten Zugewinne noch als strukturell unterbewertet. Doch daran werde sich so schnell nichts ändern, meint Tobias Frei: “Ein Abbau dieser Fehlbewertung wird sich jedoch über mehrere Jahre hinziehen und mit der Flexibilisierung des chinesischen Kapitalverkehrs einhergehen.” Emerging MarketsDer Dollar ist tendenziell ein Dreh- und Angelpunkt für Schwellenländer und die Schwäche des Greenback ist grundlegend für eine starke Entwicklung der Emerging-Markets-Währungen. Seema Shah, Chefstrategin des US-Investmenthauses Principal Global Investors, hebt hervor, dass Investoren in diesen Regionen damit Währungsgewinne zusätzlich zu den starken Aktienrenditen erzielen können. Wer selektiv vorgehen will, dem rät Sven Schubert von Vontobel auf Mexiko, Brasilien und Südafrika zu setzen. Die Währungen werden laut ihm “Hauptnutznießer eines günstigeren Wirtschaftsausblicks 2021 sein”.Umstritten sind die Aussichten für die türkische Lira. Ingrid Szeiler kann sich durchaus vorstellen, dass die Lira nach den starken Verlusten 2021 zulegen wird. Andererseits sieht auch sie die angespannte Situation der Türkei hinsichtlich der kurzfristigen Auslandsschulden und niedrigen Reserven als Anlass zur Besorgnis. Laut der DWS überwiegen bei der Türkei auch im kommenden Jahr die Risiken. Die wirtschaftliche Situation in der Türkei sei nach wie vor angespannt, die Unsicherheit an den Finanzmärkten groß. Auch die Neubesetzung an der Notenbankspitze überzeuge noch nicht ganz. Und selbst wenn angesichts der hohen Inflationsrate weitere Zinserhöhungen folgen, erwartet die DWS, dass die Lira unter Druck bleiben wird.