Volatilität

Zinswende: Die Rückkehr der Value-Werte?

Die zunehmende Skepsis gegenüber Growth-Aktien ist anhand der Volatilitätsindizes ablesbar. Ein Vergleich der Volatilitätsindizes des Nasdaq 100 und des Dax zeigt eine deutlich aufgehende Schere.

Zinswende: Die Rückkehr der Value-Werte?

Die Zinswende ist da. Erstmals seit dem Jahr 2019 haben die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen temporär die Nulllinie überschritten. Zehnjährige US-Treasuries wurden mit +1,9% ebenfalls auf einem Post-Pandemie-Hoch gehandelt.

Lange Zeit waren die Aktienmärkte gegen steigende Zinsen resistent. Doch Anfang 2022 trifft sie die Zinswende mit voller Wucht. Der US-Technologie-Index Nasdaq100 ist 18% unter sein Allzeithoch aus dem November 2021 gestürzt. Dagegen hat sich der deutsche Leitindex Dax relativ stabil gehalten. Mit 8% liegt der Drawdown vom Allzeithoch weniger als halb so hoch. Erleben wir jetzt das Comeback der Value-Werte? Während der Nasdaq100 mit seinen Technologiewerten ein klassischer Growth-Index ist, steht der deutsche Leitindex für Value. 18% des Dax sind der Industrie zuzuordnen. Mit SAP und Infineon verfügt der Index gerade mal über 13% Technologiegewicht.

Aber der Reihe nach. Nicht nur im vergangenen Jahr, sondern auch längerfristig stellt der Nasdaq100 den Dax deutlich in den Schatten. Im exzellenten Börsenjahr 2021 lag der Kursgewinn des Nasdaq100 bei 28%, beim Dax-Kursindex (ohne Dividenden) waren es 13%. Längerfristig sehen die Zahlen sogar noch beeindruckender aus: Über die vergangenen zehn Jahre erwirtschaftete der Nasdaq100 Zuwächse von 621% (Dax: 100%). Eine wichtige Quelle für diese imposanten Zahlen waren die extrem niedrigen Zinsen – und das gleich auf mehrere Arten. Zum einen haben die Niedrig- bzw. Negativzinsen die Finanzierungskosten gesenkt und damit die Gewinne erhöht. Zum anderen haben die nicht vorhandenen Zinsen mit dem Argument der Alternativlosigkeit immer mehr Angelegerinnen und Anleger in Aktien getrieben.

Schauen wir genauer auf die Gewinnentwicklung: Über die vergangenen zehn Jahre konnten die im Nasdaq100 enthaltenen Unternehmen ihre Gewinne um 180% steigern, bei den Dax-Werten waren es 64%. Das klingt zunächst einmal viel – die Gewinne sind jedoch langsamer gestiegen als die Kurse. Während der Kurs beim Dax-Kursindex nur eineinhalbmal so stark angestiegen ist, liegt dieser Faktor beim Nasdaq100 bei mehr als drei. Entsprechend stark haben sich die Kurs-Gewinn-Verhältnisse verteuert. Während das KGV des Dax Ende 2021 bei moderaten 15 stand, lag es beim Nasdaq100 knapp oberhalb von 40. Übertroffen wurde dieser Wert historisch ausschließlich in den Jahren der Technologieblase. Auch die Bewertungsdifferenz zwischen Nasdaq100 und Dax hat damit den höchsten Wert seit 2002 erreicht.

Im Fall der Growth-Unternehmen des Nasdaq100 wurde das Gewinnwachstum dabei nicht unwesentlich von einer erhöhten Leverage Ratio angetrieben. Diese beschreibt das Verhältnis aus Schulden und Assets. Mit den Niedrigzinsen haben die Technologieunternehmen des Nasdaq100 ihre Schuldenquote kontinuierlich erhöht. 2020 erreichte die Leverage Ratio ein Allzeithoch von 34, Ende 2021 stand sie noch immer bei 31. Zum Vergleich: Ende 2011 war die Leverage Ratio halb so hoch. Dagegen haben die im Dax enthaltenen Value-Unternehmen ihre Leverage Ratio im Zehnjahreszeitraum nur marginal erhöht, von 16 auf 19.

Die Zahlen zeigen eindrucksvoll, zu welcher Bedrohung ein weiterer Zinsanstieg für Growth-Aktien werden kann. Bei hohen Schuldenquoten schlagen steigende Finanzierungskosten überproportional auf die Gewinne durch. Erschwerend kommt hinzu, dass das Argument der Alternativlosigkeit von Aktien wegfällt. Die hohen Renditen der Vergangenheit scheinen also kaum wiederholbar. Diese zunehmende Skepsis gegenüber Growth-Werten ist auch anhand der Volatilitätsindizes ablesbar. Ein Vergleich zwischen dem Volatilitätsindex des Nasdaq100 und dem des Dax zeigt eine deutlich aufgehende Schere. Tatsächlich war die Differenz zwischen den beiden Volatilitätsindizes in den vergangenen zehn Jahren nur an einem von hundert Handelstagen noch stärker ausgeprägt.

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