DEVISENWOCHE

Zölle und Zinsen

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 10.7.2018 Am Beginn des dritten Quartals stehen die Währungsmärkte erstens unter dem Einfluss des ausufernden Handelsstreits zwischen den USA und anderen Ländern, insbesondere China, und zweitens den...

Zölle und Zinsen

Von Holger Achnitz *) Am Beginn des dritten Quartals stehen die Währungsmärkte erstens unter dem Einfluss des ausufernden Handelsstreits zwischen den USA und anderen Ländern, insbesondere China, und zweitens den Auswirkungen der US-Notenbankpolitik auf die Währungen verschiedener Schwellenländer, vorwiegend derjenigen mit hausgemachten Problemen und daher schwachen Fundamentaldaten.Nach der Steuerreform versucht Präsident Donald Trump nun mit der Einführung von Zöllen das exorbitante Handelsdefizit der USA zu reduzieren und amerikanischen Unternehmen weitere Anreize für inländische Investitionen zu geben. Im Visier hierfür steht vor allem China. Weniger bzw. teure Importe aus dem Reich der Mitte, so seine Logik, werden die Nachfrage ausgabefreudiger US-Konsumenten nach im Inland produzierten Gütern steigen lassen und so Beschäftigung und Wachstum sichern. Nach Wochen von Ankündigungen und teilweisen Dementis nahmen die Märkte die tatsächliche Einführung der Zölle sehr ernst: Der stark von der Zentralbank kontrollierte Renminbi (RMB) hat seit Anfang Juni 3,6 % gegenüber dem Dollar an Wert eingebüßt. Auch der chinesische Aktienmarkt zeigte Schwäche. Die eskalierende Auseinandersetzung mit den USA kommt zu bereits bestehenden Sorgen über eine zurückgehende Binnennachfrage und sich abschwächendes Kreditwachstum hinzu. Die Reaktion der Märkte weckt Erinnerungen an den Sommer 2015, als der chinesische Aktienmarkt in zwei Monaten rund die Hälfte seines Wertes verlor und die Zentralbank mit einer einmaligen Abwertung des RMB von 2 % Angst vor einer Abwertungsspirale auslöste. Vor drei Jahren waren es vor allem Privatanleger, die ihre Engagements reduzierten. Dieses Mal handelt es sich offensichtlich eher um die rationale Handlung institutioneller Investoren, die aufgrund einer veränderten fundamentalen Einschätzung agieren. Dies stimmt umso sorgenvoller. Renminbi unter DruckDie folgerichtige Antwort Chinas wäre – neben bereits seinerseits eingeführten Zöllen auf amerikanische Waren – eine Währungsabwertung in einer Größenordnung, welche die für US-Verbraucher entstehende Mehrbelastung ausgleicht. Vermutlich wäre dies aber nur der Auslöser für die Verhängung weiterer oder höherer Zölle durch die USA. Zudem zöge eine solche Abwertung auch weitere Verkäufe chinesischer Vermögenswerte internationaler Adressen nach sich, gegebenenfalls gefolgt von unvorhersehbaren Aktionen chinesischer Investoren. Diese Sorge erklärt auch die zugunsten des RMB erfolgte Intervention durch die Zentralbank in der vergangenen Woche. Wahrscheinlicher ist daher eine Kombination von Antworten, bestehend aus eigenen Zöllen, leichterer Geldpolitik, moderater Abwertung des RMB, gegebenenfalls Kapitalverkehrskontrollen sowie nicht monetären Maßnahmen wie höheren bürokratischen Hürden für die Aktivitäten amerikanischer Unternehmen im Land und gegen amerikanische Produkte gerichtete Kampagnen der staatlichen Medien. Um dem negativen Effekt auf das Wachstum zu begegnen, können staatliche Investitionen erhöht und fiskalpolitische Erleichterungen geschaffen werden. Insofern ist der Wechselkurs nur eines von mehreren Mitteln, den nachteiligen Auswirkungen der amerikanischen Zölle zu begegnen und wie ausgeführt mit dem Risiko der Kapitalflucht behaftet. Daher prognostiziert die Citigroup für das zweite Halbjahr 2018 einen Durchschnittskurs von 6,60 RMB pro Dollar, behaftet mit den Risiken einer weiteren Eskalation des Handelsstreits sowie einer über die bisherigen Erwartungen hinausgehenden Kontraktion des Kreditwachstums.Der Kapitalflucht weitgehend schutzlos ausgesetzt sahen sich die Währungen diverser aufstrebender Länder. Die Kombination negativer politischer Nachrichten (z. B. Argentinien, Brasilien, Türkei) sowie exogener Schocks (z. B. Ölpreis und US-Sanktionen gegenüber Russland) und die sich verstetigende Erwartung weiter steigender US-Leitzinsen führten zu Anleiheverkäufen in massiver Größenordnung, mit negativen Folgen für die Währungen der betroffenen Staaten. Das Beispiel Argentinien zeigte eindrucksvoll, wie schnell sich ein Stimmungswechsel internationaler Investoren wegen nicht umgesetzter politischer Absichtserklärungen (fiskalische Konsolidierung) vollziehen kann: Der argentinische Peso verlor innerhalb von neun Wochen 40 % an Wert. Verlorenes Vertrauen wiederherzustellen wird Zeit benötigen und umso schwerer fallen, wenn der unverändert weltweit führende risikofreie Zins der Welt weiter steigt: Der neue Fed-Chairman Jerome Powell signalisierte, dass die Federal Reserve den Leitzins jedes Quartal um 0,25 % anheben wird, so dass aus heutiger Sicht ein Niveau von 3,5 % 2019 erwartet wird. Nicht zuletzt durch den jüngsten Arbeitsmarktbericht wird sich die Notenbank bestätigt sehen. Auch die Zollpolitik wirkt zumindest kurzfristig inflationär. Die Risiken für diese Vorhersage liegen in Washington: Eine außerplanmäßige Verschlechterung des US-Haushaltsdefizits hätte vermutlich über dieses Niveau hinausgehende Zinsen zur Folge, aufgrund des Handelsstreits unterhalb der Erwartung liegende Wachstumsraten hätten einen gegenteiligen Effekt. Im US-Rentenmarkt überwiegt die Skepsis: Die zehnjährige US-Rendite ist zuletzt wieder gefallen, diejenige der eher an der Geldpolitik orientierten Anleihen mit zweijähriger Laufzeit gestiegen. Der viel beachtete Spread zwischen beiden Laufzeiten ist damit auf einem so niedrigen Niveau wie zuletzt 2007 – auch ein Signal für aufkommende Zweifel an der Fortsetzung des seit 2009 dauernden Aufschwungs. Euro bislang kaum belastetFür den Euro hat all dies bislang nur moderate Folgen: Der Handelsstreit belastet vorwiegend Deutschland wegen der Bedeutung sowohl Chinas als auch der USA für hiesige Unternehmen, aber nicht die Eurozone in ihrer Gesamtheit. Und die deutsche Wirtschaft zeigt sich weiter robust: Sowohl am Freitag bekannt gegebene Auftragseingänge als auch die gestern veröffentlichten Außenhandelsdaten lagen oberhalb der Erwartung. Die Exporte stiegen aber aufgrund positiver Entwicklungen in Europa, insbesondere im Handel mit den USA war ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen. Die Zinsdifferenz zum Dollar scheint auch in den jetzigen Kursen enthalten zu sein, so dass die nach Regierungsbildung in Italien und Regierungskrise in Deutschland zurückgehenden Bedenken für eine weitere Erholung des Euro sorgen könnten.—-*) Holger Achnitz leitet den Währungshandel bei der Citigroup in Deutschland.