Zulieferer kaum für Zukunft gerüstet

Berenberg Bank stuft Leonie und Lear in Erstbeurteilung auf Buy - Sell für Continental und BorgWarner

Zulieferer kaum für Zukunft gerüstet

Für die Autozuliefererbranche bleibt nichts, wie es war, heißt es in einer Studie der Berenberg Bank. Für die traditionelle Antriebstechnik werde “der Vorhang fallen”, Elektromotoren würden zur Norm. Viele der großen Autozulieferer müssten sich daher warm anziehen.amb Frankfurt – Verbrennungsmotoren sind von gestern, die Zukunft gehört den Elektromotoren – so heißt es in einer Studie der Berenberg Bank. Nicht nur die Autobauer selbst müssten sich umstellen, auch für die Zulieferer brächen neue Zeiten an. Das Team um Analyst Fei Teng kommt bei seiner Untersuchung der Autozuliefererbranche zu einem ernüchternden Ergebnis: Mit dem Nürnberger Zulieferer Leonie und dem US-Unternehmen Lear werden nur zwei Titel zum Kauf empfohlen. Schaeffler, Valeo und Delphi werden lediglich auf “Hold” gestuft, Continental und BorgWarner sogar auf “Sell”.Den Analysten zufolge war die Branche seit Erfindung des Automobils noch nie einem so heftigen Wandel unterworfen wie heute. Herausforderungen gebe es vor allem für die Unternehmen, deren Produktpalette stark am Verbrennungsmotor hänge, Chancen erwüchsen hingegen für diejenigen, die wichtige Komponenten für Elektromotoren herstellten. Auf Dauer erwarten die Analysten eine völlig andere Marktstruktur, mit zum Teil trüben Aussichten für die etablierten Autozulieferer sowie Potenzial für bislang völlig übersehene Adressen. Umstellung nicht einfachWer auf Komponenten für Benzin- oder Dieselautos wie Einspritzpumpen, Kupplungen, Getriebe, Zahnriemen, Tankleitungen oder Abgasanlagen setzt, wird der Studie zufolge zu den Verlierern gehören. Hybridfahrzeuge werden nach Ansicht der Analysten im Übrigen auch keine große Rolle spielen: Elektroautos würden ihnen in Sachen Wirtschaftlichkeit nämlich den Rang ablaufen. Die Anbieter von Teilen für herkömmliche Autos Continental, Schaeffler, Valeo, Delphi und BorgWarner müssten sich auf eine komplett neue Antriebstechnik umstellen. Das sei aber alles andere als einfach: Zum einen sei es nämlich ungewiss, wie schnell die Veränderung vonstattengehe, zum anderen träten neue Wettbewerber auf den Plan.Berenberg prognostiziert ab 2021 sinkende Einnahmen in der traditionellen Antriebstechnik. Das Problem: Am Markt werde dieser Bereich noch hoch bewertet. Sollte die Umstellung auf die neue Antriebstechnik nicht gelingen, könne so mancher eine böse Überraschung erleben. Zugutekommen würden die Veränderungen Anbietern von elektronischen Komponenten, Kabeln, Bordnetzen oder auch Halbleitern für die Autoindustrie, etwa Leonie, Lear und Delphi. Zukunftsmarkt KabeltechnikFavoriten sind Leoni und Lear. Der Leoni-Aktie, die erstmals beurteilt wird, werden 60 Euro zugetraut, deutlich mehr als die aktuellen 48,21 Euro. Die Analysten sehen den Konzern dank seiner Kabeltechnik sehr gut aufgestellt, um vom Megatrend Elektroantrieb zu profitieren. Sollten Elektromotoren 2025 ein Viertel des Marktes ausmachen, bedeute dies Wachstumsraten von rund 7,5 % p. a. für Leonis Kabeltechnik. Für den Gewinn je Aktie prognostizieren die Analysten für die Jahre 2017 bis 2019 Werte von 3,33 Euro, 4,20 Euro und 5,30 Euro. Dem Nürnberger Kabel- und Bordnetzspezialisten hatte im vergangenen Jahr ein Betrugsfall in Millionenhöhe und die teure Sanierung der Bordnetzesparte zu schaffen gemacht, der Gewinn fiel deutlich niedriger aus als 2015. Für 2017 ist das Unternehmen aber optimistisch, der Kurs hat sich seit vergangenem Sommer mehr als verdoppelt. Hohes WachstumDas Kursziel für Lear wird bei 175 Dollar angesetzt (aktuell 139,54 Dollar). Das US-Unternehmen werde ganz besonders vom Trend hin zu Elektroautos profitieren, heißt es in der Studie. Prognostiziert wird ein organisches Wachstum im Elektrobereich von 8,5 % p. a. bis 2020. Risiken durch den zyklischen Abschwung in anderen Sparten – etwa bei den Autositzen – würden dadurch mehr als überkompensiert. Darüber hinaus rechnet die Bank auch mit hohen Ausschüttungen, zudem sei die Bewertung noch sehr attraktiv. Für den Gewinn je Aktie werden für 2017 bis 2019 Werte von 15,52 Dollar, 18,86 Dollar und 22,62 Dollar erwartet. Lediglich eine marktkonforme Entwicklung wird für Schaeffler, Delphi und Valeo prognostiziert (“Hold”), die bisherigen Voten werden bestätigt. Für Schaeffler liegt das Kursziel bei 13 Euro und damit unter der aktuellen Notierung von 15,80 Euro. Die Analysten sehen für den Zulieferer aus dem fränkischen Herzogenaurach Risiken durch den zunehmenden Fokus der Autobauer auf Elektromotoren. Als Kursziel für den Zulieferer Delphi Automotive werden unverändert 70 Dollar genannt, ebenfalls unter der derzeitigen Notierung von 77,05 Dollar. Delphi sei bei elektronischen Komponenten zwar gut aufgestellt, Sorgen machen sich die Analysten aber wegen des Bereichs Antriebstechnik. Auch für den französischen Autozulieferer Valeo, der unter anderem Komponenten für Fahrerassistenzsysteme anbietet, wird mit unverändert 55 Euro ein unter der Notierung von 63,03 Euro liegendes Kursziel genannt. Auch hier sind die Risiken in der Antriebstechnik ausschlaggebend. Völlig überteuertFür völlig überteuert halten die Experten Continental und BorgWarner und raten zum Verkauf (“Sell”), in beiden Fällen wegen der zu starken Abhängigkeit von alter Technik. Für Continental liegt das Kursziel bei nur 150 Euro und damit weit unterhalb der momentanen Notierung von 201,20 Euro. Die Kostenstrukturen und diverse Altlasten erschwerten den Wettbewerb mit neuen Anbietern aus dem Bereich der Elektromobilität, heißt es in der Studie. Für den US-Zulieferer BorgWarner nennt die Bank ein Kursziel von nur 28 Dollar (aktuell 39,75 Dollar).Andere Analysten zeigen sich bezüglich Leoni viel skeptischer: So hat die Deutsche Bank das Kursziel für Leoni Ende März zwar von 27 auf 33 Euro angehoben, die Einstufung “Sell” aber bestätigt. Die Ziele für 2017 seien nur dank Sondereffekten erreichbar, heißt es, operativ laufe es für den Autozulieferer weiter nicht rund. Auch die Bewertung spreche für einen Verkauf. J.P. Morgan hat das Kursziel für Leoni von 31 auf 40 Euro angehoben, aber die Einstufung auf “Neutral” belassen. Die Aktie werde mit einem deutlichen Aufschlag zur Branche gehandelt und preise eine Margenerholung in den kommenden Jahren bereits ein, erklären die Analysten. Warburg Research teilt hingegen den Optimismus der Berenberg Bank und stuft die Aktie auf “Buy” mit einem Kursziel von 55 Euro. Der Autozulieferer sei auf gutem Weg, Umsatz und Profitabilität zu steigern. Optimismus für ContinentalContinental wird hingegen von vielen Analysten positiv beurteilt: So setzen Equinet, Warburg, die UBS und Goldman Sachs die Aktie auf “Kaufen”. J.P. Morgan, die Deutsche Bank und Morgan Stanley votieren zumindest mit “Neutral” oder “Halten”. Equinet hat die Einstufung für Continental nach einem Medienbericht über geplante Umstrukturierungen im Bereich Powertrain auf “Buy” mit einem Kursziel von 225 Euro belassen. Die Analysten begrüßen, dass der Autozulieferer sein Antriebsgeschäft auf den Zukunftstrend Elektromobilität ausrichten wolle. Drohende FahrverboteFür Schaeffler ist das Bild gemischt: Die Deutsche Bank, Kepler Cheuvreux und BNP Paribas stufen die Aktie auf “Buy”, J.P. Morgan votiert hingegen mit “Underweight”. Die Deutsche Bank verweist auf die drohenden Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in europäischen Städten. Zu den Profiteuren der sinkenden Nachfrage gehörten Zulieferer mit wenig Produkten für Dieselmotoren wie Schaeffler und Continental. Die Schaeffler-Aktie ist sogar “Top Pick” der Deutschen Bank.