Zuversicht für italienische Aktien

Positive Impulse durch EZB und EU-Wiederaufbauprogramm - Pharma- und Technologiewerte favorisiert

Zuversicht für italienische Aktien

Die meisten Analysten erwarten eine positive Entwicklung des italienischen Aktienmarktes in diesem Jahr. Wichtige Impulse dürften vor allem die dank der Europäischen Zentralbank (EZB) sehr günstigen Refinanzierungsbedingungen und das europäische Aufbauprogramm setzen. Risiken liegen in der instabilen politischen Lage.Von Gerhard Bläske, Mailand An der Mailänder Börse überwiegen zu Jahresanfang klar positive Einschätzungen über die Entwicklung im weiteren Jahresverlauf. Verschiedene Analysten erwarten einen Anstieg des Börsenindex FTSE Mib auf bis zu 27 680 (derzeit: 22 734) Punkte. Als ganz entscheidender Faktor für die Entwicklung wird eine effiziente und rasche Corona-Impfkampagne gesehen. Der Börsenindex hat das zurückliegende Jahr zwar mit einem Verlust von mehr als 5 % abgeschlossen. Doch nach dem massiven Einbruch im Frühjahr war die Entwicklung seit dem Sommer sehr positiv. Günstige RefinanzierungDiese Stimmung hält trotz der erneuten Verschärfung der Pandemie seit Oktober 2020 an. Genährt wird der Anstieg durch die niedrigen Zinsen, die hohe Sparquote der Italiener, die Ende Oktober rund 1 700 Mrd. Euro auf ihren Kontokorrentkonten liegen hatten, und eine Vielzahl von Steuererleichterungen und Boni. Impulse sollten außerdem aus dem Europäischen Wiederaufbauprogramm kommen, in dessen Rahmen Rom 209 Mrd. Euro erhalten soll, und dem massiven Staatsanleihen-Aufkaufprogramm der EZB, das vor allem Italien zugutekommt. Alessandro Tentori von Axa Italia weist darauf hin, dass das Land seit mindestens zehn Jahren nicht mehr so günstige Refinanzierungsbedingungen hatte wie jetzt.Antonio Cesarano von Intermonte schließt jedoch Rückschläge nicht aus. Mit einem halbwegs nachhaltigen Kursanstieg rechnet er frühestens vom zweiten Quartal an. Die Konjunkturerholung, die nach einem möglicherweise zweistelligen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im vergangenen Jahr 2021 wohl nur verhalten ausfallen wird, steht in engem Zusammenhang mit einer hohen Impfquote der Bevölkerung. Positiv für den Aktienmarkt ist, dass es kaum rentable alternative Anlagemöglichkeiten gibt. Risiko PleitewelleDie günstigen Finanzierungsbedingungen helfen Banken und Unternehmen. Viel hängt jedoch davon ab, wann staatliche Garantien und Hilfen auslaufen und welche Folgen das haben wird. Eine Pleitewelle bei Unternehmen und ein massiver Anstieg fauler Kredite bei den Banken wären jedenfalls Gift für Italiens Aktienmarkt. Auch die anhaltenden Spannungen und Konflikte in der Regierung könnten die Entwicklung der Aktien bremsen. Davide Andaloro von Goldman Sachs Asset Management sieht denn auch in der Politik den entscheidenden Faktor für die Entwicklung des Marktes. Das gilt etwa auch in Bezug auf eine mögliche Entspannung im Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China.Zu den Werten, die von einer positiven Entwicklung des Aktienmarktes besonders profitieren könnten, zählen Analysten unter anderem Pharmawerte wie Recordati und Diasorin. Der Zahlungsdienstleister Nexi, dessen Kurs schon 2020 stark gestiegen ist, oder Inwit (Mobilfunkmasten), der italienisch-französische Halbleiterproduzent STMicroelectronics sowie womöglich Telecom Italia (TIM) könnten Nutznießer der beschleunigten Digitalisierung, aber auch von Projekten im Rahmen des Recovery-Programms werden, heißt es in diversen Analysen. Gleiches gilt für den Kabelproduzenten Prysmian und Falck Renewables. Allerdings sind diese Werte im Vergleich etwa zu den Finanzwerten im Mailänder Börsenindex stark untergewichtet. Abgesehen von Energie- und Bankenwerten gibt es an Italiens Börse kaum Schwergewichte. Viele frühere Großunternehmen wie Pirelli, Falck, Montedison, Olivetti oder Fiat sind entweder verschwunden oder aufgekauft worden. Modewerte im FokusZu den Profiteuren unter den Börsenwerten könnte auch Enel, ein Energieversorger, der stark auf den Ausbau erneuerbarer Energien setzt, zählen. Je nach Erholung des Konsums und des Tourismus, beides wichtige Sektoren in Italiens Wirtschaft, stehen womöglich auch Modewerte wie Brunello Cucinelli, Moncler oder Prada, die zuletzt auch ihre Online-Geschäfte stark ausgebaut haben, im Fokus. Zumindest die China-Geschäfte der Unternehmen haben sich zuletzt positiv entwickelt, obwohl chinesische Touristen als Käufer in den Modeboutiquen im Bel Paese 2020 fast vollständig ausgefallen sind. Vor allem Bankenwerte werden dagegen abgesehen von möglichen Kreditausfällen auch von den durch die europäischen Aufsichtsbehörden stark eingeschränkten Dividendenzahlungen gebremst.Der Mailänder Börsenchef Raffaele Jerusalmi rechnet mit positiven Impulsen auch durch die Übernahme der bisher von der London Stock Exchange kontrollierten Borsa Italiana durch die Euronext. Das Closing sollte in der ersten Jahreshälfte erfolgen. Er erwartet sich durch die Allianz die nötigen Investitionen in die weitere Entwicklung, aber auch mehr Sichtbarkeit für den Mailänder Börsenplatz nach außen. Außerdem hofft er, dass mehr nationale Investoren bei italienischen Werten einsteigen. Unter den institutionellen Investoren sind Ausländer mit einem Anteil von 95 % stark übergewichtet. Sie ziehen sich aber im Fall einer Krise auch besonders schnell zurück.Die Börsenkapitalisierung der Mailänder Börse erreichte Ende 2020 rund 607 Mrd. Euro, was 37 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht, deutlich weniger als etwa in Frankreich (88 %). Positiv entwickelte sich das Mittelstandssegment Star, das das Jahr mit einem Plus von 13,7 % abschloss, während der “große” Index FTSE Mib mit einem Minus von 5 % schloss. Dank der guten Entwicklung im zweiten Halbjahr gab es im vergangenen Jahr 24 Börseneinführungen. Davon entfielen jedoch 23 auf das Kleinwertesegment AIM, das insgesamt nur auf einen Börsenwert von 5,8 Mrd. Euro kommt. Die Verlängerung von Steuergutschriften sowie diverse andere steuerliche Maßnahmen dürften AIM auch 2021 beflügeln. Erste Börsengänge sind angekündigt. Größere IPOs sind in Mailand derzeit nicht in Sicht. Börsengänge dürften auch 2021 vor allem im Kleinwertesegment AIM erfolgen.