Zwischen No Deal und No Brexit

Pfundkurs droht hohe Volatilität - Merrill Lynch sagt Spannbreite von 1,10 bis 1,50 Dollar je Pfund voraus

Zwischen No Deal und No Brexit

Mit dem Beginn der entscheidenden Phase in den Brexit-Verhandlungen könnte auch die Volatilität im Pfundkurs deutlich ansteigen. Je nach der politischen Entwicklung hält Bank of America Merrill Lynch Ausschläge im Bereich von 1,10 bis 1,50 Dollar je Pfund für möglich.sts Frankfurt – Während die Verhandlungen über den Brexit und das künftige Verhältnis von Europäischer Union und Vereinigtem Königreich in die entscheidende Phase gehen, wächst am Währungsmarkt die Nervosität. Denn das Pfund ist am Kapitalmarkt der “Blitzableiter” für jegliche Form von Brexit-Nervosität. Einer Studie von Bank of America Merrill Lynch zufolge drohen je nach Gang der Verhandlungen auch in den kommenden Monaten starke Kursausschläge in einer Spanne von 1,10 Dollar je Pfund (Brexit ohne Vereinbarung) bis 1,50 Dollar (Abblasen des Brexit).Insgesamt zeigt sich Merrill-Analyst Ben Randol allerdings eher zuversichtlich und prognostiziert für März 2019 – den avisierten EU-Austrittstermin – einen Kurs von 1,32 Dollar, was 2 % über dem aktuellen Niveau von 1,2920 liegen würde. Für den Euro sagt er einen Kurs von 87 Pence an, was unter dem derzeitigen Stand von 89,80 Pence läge. Implizit unterstellt Randol damit, dass die britische Premierministerin Theresa May mit ihren jüngsten Ideen zu den Brexit-Modalitäten bei der EU nicht durchkommt. Denn für dieses Szenario lautet seine Prognose auf 1,35 Dollar. Keine andere Währung im Universum der zehn wichtigsten Valuten (G 10) “kann sich aufgrund der bisher bekannten Unbekannten so viel bewegen”, stellt der Experte fest. Die 1,10-Dollar-Prognose basiert auf der Annahme, das Pfund werde von derzeitigem Stand aus erneut um 15 % abwerten, wie es direkt im Anschluss an das überraschende Votum der Briten für den Brexit im Juni 2016 geschah. Ein Wert von 1,50 Dollar entspricht in etwa dem Niveau vor der Volksabstimmung. Allerdings sind seither die US-Zinsen stärker als die britischen gestiegen. Damit würde also zusätzlich auch die Unsicherheit vor dem Brexit-Referendum wieder ausgepreist. Heftige SchwankungenZu einer ähnlichen Einschätzung wie Merrill Lynch kommt die Commerzbank, deren Prognose für März 2019 auf 1,33 Dollar je Pfund und 89 Pence je Euro lautet. “Angesichts der Brexit-Unsicherheit und der verhaltenen Zinserwartungen sehen wir wenig Aufwärtspotenzial für das Pfund”, schreiben die beiden Commerzbank-Analystinnen Thu Lan Nguyen und Antje Praefcke. “Da die EZB an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten und die Zinsen erst später im Jahr 2019 anheben wird, hat auch der Euro gegenüber dem Pfund wenig Argumente, um deutlich aufzuwerten.” Dies spreche für eine volatile Seitwärtsbewegung im Euro-Pfund-Kurs, “wobei die Schwankungen je nach Brexit-Newsflow teils heftig ausfallen können”.Merrill Lynch untersucht in ihrer Studie mehrere mögliche Szenarien. Die beiden Extremszenarien und damit die maximalen Werte für die Prognose sind: britischer EU-Austritt ohne Vereinbarung (No Deal) und Absage des Brexit, alle anderen Szenarien spielen sich dazwischen ab. Der Markt habe zuletzt für die Szenarien No Deal und No Brexit eine Wahrscheinlichkeit von 20 bzw. 7 % eingepreist, während eine Gruppe führender britischer Ökonomen von 50 bzw. 8 % ausgehe. Sollte es zu keiner Vereinbarung kommen, würde sich Merrill Lynch zufolge das Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich verlangsamen und die Bank of England werde darauf mit Zinssenkungen reagieren. Der Verzicht auf den Brexit – unabhängig von der rechtlichen Frage, ob die “Kündigung” der EU-Verträge rückgängig gemacht werden kann – würde der Studie zufolge das britische Wachstum in die Höhe springen lassen und zu zwei Zinsanhebungen im kommenden Jahr führen. Anzeichen von Stress”Wir haben nach wie vor eine Tendenz zu einem positiven Verhandlungsergebnis, das den Weg für eine nachhaltige Aufwärtsentwicklung des Pfund ebnet”, heißt es in der Merrill-Studie. “Wir räumen ein, dass es schlimmer werden muss, bevor es besser wird, denken aber, dass der Währungsvolatilitätsmarkt bereits Anzeichen von Stress zeigt.” Der Pfund-Kurs könne dieser Entwicklung folgen, “aber wir betonen weiterhin, dass der jüngste Aufwärtstrend in der No-Deal-Rhetorik (zufällig oder absichtlich) nicht den aktuellen Stand der Verhandlungen widerspiegelt”.