Kapitalgedeckte Alterssicherung

Mit der Generationenrente ab Geburt gegen Altersarmut

In Deutschland sollte eine ergänzende kapitalgedeckte Alterssicherung eingeführt werden. Ungünstige Erwerbsbiografien ließen sich so ausgleichen. Ein Lebenszyklusportfolio ist dafür am aussichtsreichsten.

Mit der Generationenrente ab Geburt gegen Altersarmut

Die Idee einer Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente ist in Deutschland hoffähig geworden. So kündigte die Ampel-Koalition in ihrem Koali­tionsvertrag 2021 an, zur Stärkung der gesetzlichen Rente in die teil­weise Kapitaldeckung mittels eines aus Haushaltsmitteln finanzierten, dauerhaften und von einer öffentlichen Stelle verwalteten Fonds ein­zusteigen. Die teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch ist Skepsis angebracht, ob das inzwischen präzisierte Minister-Konzept die erhoffte Stärkung des Rentensystems für zukünftige Generationen erbringt. Vielmehr er­scheint uns ein anderer Weg zielführender, der jedem Bürger durch einen schon bei der Geburt beginnenden langfristigen Vermögensaufbau eine kapitalgedeckte Zusatzrente im Alter sichert.

Start mit 10 Mrd. Euro

Der Plan des Bundesfinanzministeriums sieht vor, einen kreditfinanzierten Kapitalstock von zunächst 10 Mrd. Euro einzurichten, der die Mittel auf den globalen Aktienmärkten anlegt. Die Erträge dieses Fonds sollen nach Abzug der vom Bund in Rechnung gestellten Darlehenskosten in circa zehn Jahren als weiterer Bundeszuschuss (derzeit jährlich 78 Mrd. Euro) der gesetzlichen Rentenversicherung zugeführt werden, um die absehbar steigenden Ausgaben (derzeit jährlich 340 Mrd. Euro) insbesondere aus dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation abzufedern. Diese kreditfinanzierte Aktienrücklage wird dann zu einer Entlastung führen, wenn über die nächsten zehn Jahre die erwirtschafteten Renditen deutlich über dem zu bedienenden Darlehenszins liegen. Das ist zwar zu erwarten, doch nicht ohne Risiko.

Bei einer erwarteten Rendite für weltweit diversifizierte Aktienanlagen von jährlich 8% abzüglich einem Darlehenszins von 2,5%, d.h. einer Überrendite von 5,5%, würde der Kapitalstock in zehn Jahren auf rund 17 Mrd. Euro anwachsen. Werden von da an die Überrenditen dem Fonds entnommen, könnten jährlich 0,94 Mrd. Euro der Rentenkasse zugeführt werden (circa 0,25% der aktuellen Ausgaben). Allerdings haben auch global diversifizierte Aktienanlagen eine Volatilität von circa 18%, so dass mittels der üblichen finanzmathematischen Modelle eine Wahrscheinlichkeit von rund 23% besteht, dass der Kapitalstock in zehn Jahren gar nicht anwächst und folglich keine Entlastungswirkung eintritt.

5000 Euro für jeden

In diesem Beitrag unterbreiten wir einen ergänzenden bzw. alternativen Vorschlag, die Haushaltsmittel für den spezifischen Zweck des Aufbaus einer ergänzenden kapitalgedeckten Altersversorgung in der ersten Säule für zukünftige Generationen zu nutzen. Konkret schlagen wir vor, für jedes Neugeborene einen Betrag von 5000 Euro auf ein Altersvorsorgekonto einzuzahlen, die Gelder an den globalen Kapitalmärkten anzulegen und sämtliche Erträge zu thesaurieren, so dass der Begünstigte frühestens ab dem 63. Lebensjahr über die akkumulierten Mittel in Form einer lebenslangen Leibrente verfügen darf. Über einen so langen Zeitraum werden die Renditechancen der weltweiten Aktienmärkte und zeitliche Risikoausgleicheffekte deutlich besser genutzt. Gleichzeitig wird für alle Bevölkerungsschichten eine von der individuellen Erwerbsbiografie unabhängige kapitalgedeckte Al­tersversorgung aufgebaut, welche die Gefahr von Altersarmut für zukünftige Generationen stark reduziert.

Der Generationenvertrag sollte unserem Vorschlag gemäß zur Geburt beginnen. Der Vertrag wird aufgrund einer staatlichen Transferleistung zugunsten aller im jeweiligen Jahr geborenen Kinder bei der im Koalitionsvertrag avisierten unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle geschlossen und von dieser professionell auf persönlichen Anlagekonten verwaltet. Die Einzahlung von 5000 Euro ist sozialpolitisch gerecht, da sie für alle geborenen Kinder identisch ist. Es gilt der Grundsatz der Gleichheit vor der Altersarmut. Dieser Grundsatz ist deshalb wichtig, weil kein Mensch, der heute geboren wird, seine Erwerbsbiografie kennen und sich darauf einstellen kann.

Steuern erst auf die Rente

In Anlehnung an die Regelungen für die Basisrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG) werden die auf den individuellen Anlagekonten angesparten Mittel nicht vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Form einer monatlichen lebenslangen Rente ausgezahlt. Eine Verrentung zu einem späteren Zeitpunkt ist möglich. Die Ansprüche aus der Generationenrente sind weder vererbbar, übertragbar, beleihbar, pfändbar noch kapitalisierbar. In der Ansparphase sind sämtliche Erträge in Form von Dividenden, Zinsen und Wertzuwächsen steuerbefreit, werden thesauriert und erneut am Kapitalmarkt angelegt. Erst die Rentenleistungen werden mit dem jeweiligen individuellen Steuersatz der nachgelagerten Besteuerung unterworfen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 EStG). Aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs werden Menschen mit hohen Alterseinkünften relativ stark und solche mit geringen Alterseinkünften wenig besteuert.

Nach dem Koalitionsvertrag 2021 soll die teilweise Kapitaldeckung als dauerhafter Fonds mit globalen Anlagen von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden. Neben einem wirksamen Schutz vor einer Zweckentfremdung der Mittel sind drei grundsätzliche Fragen zu klären:

(i) In welche Vermögenswerte und nach welcher Anlagestrategie sollen die Gelder investiert werden;

(ii) welche langfristige Rendite kann dadurch erzielt werden;

(iii) welche Risiken sind damit verbunden und wie können diese Anlagerisiken effizient reduziert werden. Mit Aktienanlagen können zwar hohe Wertzuwächse erzielt werden, damit gehen jedoch gleichzeitig hohe kurzfristige Verlustrisiken einher. Dies gilt auch für Anlagen in einzelne Anleihen oder Immobilien. Jedoch lassen sich durch die Nutzung von drei elementaren Techniken des Portfolio Managements Anlagerisiken deutlich reduzieren.

Die Streuung des Kapitals über eine Vielzahl von Einzelaktien reduziert die Auswirkungen von besonders schlechten Geschäftsentwicklungen einzelner Unternehmen. Eine hohe Streuung bieten globale Aktienportfolios wie etwa der MSCI World, der ein Portfolio von über 1600 Unternehmen aus 23 Ländern repräsentiert.

Zeitliche Risikodiversifikationseffekte basieren auf der Erfahrung, dass sich kurzfristig hohe positive und negative Renditen im Zeitablauf meist ausgleichen. Diese zeitlichen Diversifikationseffekte werden mit zunehmendem Anlagehorizont im­mer wirksamer. So verzeichnete zwischen 1970 und 2022 der MSCI World in 14 von 53 Jahren eine negative Jahresrendite. Beträgt der Anlagehorizont 20 Jahre, wurde ein anfänglich investiertes Kapital zumindest verdoppelt.

Clever ausgleichen

Schließlich kann ein Risikoausgleich durch Mischung des Portfolios über verschiedene Anlagenklassen (Aktien, Anleihen, Immobilien) erreicht werden. Idee ist es, die unterschiedlichen anlagetypischen Rendite-Risiko-Profile und nicht-gleichläufige Marktbewegungen zwischen den Anlageklassen auszunutzen. So verloren im Jahr der weltweiten Finanzkrise 2008 globale Aktienportfolios über 40% ihres Werts, während ein Portfolio aus deutschen Staatsanleihen eine positive Rendite von über 7% erwirtschaftete. Im schwierigen Börsenjahr 2022 verloren globale Aktien bislang 20% und Bundesanleihen 10% an Wert, während offene Immobilienfonds stabil mit 2,5% zulegten. Neben einer zeitlich konstanten Aufteilung kann die Allokation zwischen den Anlageklassen nach einer Umschichtungsregel zeitlich verändert werden. International verbreitet sind sogenannte Lebenszyklusstrategien, die etwa bei betrieblichen Altersvorsorgekonten in den USA oder auch im kapitalgedeckten Teil des schwedischen Pensionssystems angewendet werden. Typischerweise wird eine anfänglich hohe Aktienquote von bis zu 100% ab einem bestimmten Lebensalter sukzessive in Anlagen mit geringeren Schwankungen (Anleihen oder offene Immobilienfonds) umgeschichtet. Dahinter steckt die Idee, dass mit nahendem Renteneintrittsalter zeitliche Diversifikationseffekte weniger stark wirken.

Um die Wirkungsweise der Generationenrente zu illustrieren, werden Beispielrechnungen für verschiedene Anlagestrategien zunächst mit in der Vergangenheit realisierten Entwicklungen auf den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten durchgeführt. Betrachtet wird der Zeitraum von 1948 bis (November) 2022, in dem eine Reihe verschiedener Inflations-, Zins- und Kapitalmarktsituationen vorlagen. Repräsentant für die Wertentwicklung eines globalen Aktienportfolios ist der MSCI World Total Return Index. Ein Portfolio aus Bundesanleihen wird anhand des REXP-Index und (ab 1971) Immobilienanlagen durch ein gleichgewichtetes Portfolio aus offenen Immobilienfonds abgebildet. Für alle Zeitreihen werden die Jahresrenditen berechnet, davon die in diesem Jahr realisierte Inflationsrate sowie Verwaltungskosten von 0,2% abgezogen. Betrachtet werden folgende Anlagestrategien:

1. Mischportfolio 1 mit 70% globale Aktien, 20% Anleihen und 10% Immobilien.

2. Mischportfolio 2 mit 30% globale Aktien, 60% Anleihen und 10% Immobilien.

3. Lebenszyklusportfolio mit altersabhängiger Aktienquote, die in drei Schritten (50%, 75% auf 100%) hochgefahren und ab dem 55. Lebensalter um jährlich 5% zugunsten von Immobilien und Anleihen reduziert wird.

Ausgehend von einem anfänglichen Investitionsbetrag von 5000 Euro werden aus den Jahresrenditen (nach Kosten und Inflation) die Endvermögen dieser Anlagestrategien für sämtliche überlappenden 63-jährigen Anlagehorizonte seit 1948 berechnet und in eine lebenslange monatliche Leibrente (Zinsannahme 2%, Allgemeine Deutsche Sterbetafel 2018/20 plus Mortalitätstrend) umgewandelt.

Hätte man 5000 Euro ab Geburt bis zum 63. Lebensalter in den Lebenszyklusfonds angelegt, so wäre im schlechtesten Fall ein Endvermögen von 117000 Euro (Monatsrente von 525 Euro), im mittleren Szenario von 249000 Euro (Monatsrente 1120 Euro) und im besten Fall von 699000 Euro (Monatsrente 3150 Euro) entstanden. Die beiden Mischportfolios sind zwar zeitlich deutlich stabiler, liefern jedoch in jedem der betrachteten Szenarien geringere Resultate als der Lebenszyklusfonds mit einer altersabhängigen Aktienquote.

Über einen Zeitraum von 63 Jahren können weit mehr als die betrachteten 13 historischen Kapitalmarktszenarien eintreten. Auch sind die anzuwendenden Verrentungsfaktoren aufgrund von Änderungen der Lebenserwartung und des Zinsniveaus unsicher. Über einen so langen Zeitraum lassen sich daher nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen. Um die Robustheit der bisher erzielten Resultate zu untermauern, nutzen wir daher Simulationsmethoden, um die zukünftig erreichbare Monatsrente abzuschätzen (technische Details finden sich in Maurer/Schwintowski 2022). Dabei generieren wir 500000 alternative Szenarien der zukünftigen Wertentwicklungen (nach Inflation) der drei Anlageklassen, der zukünftigen Lebenserwartung und des im Verrentungszeitpunkt vorliegenden Zinsniveaus. Jedes dieser 500000 Szenarien führt zu einem Endvermögen im Lebensalter 63, 67 und 70, das mit dem aus heutiger Sicht unsicheren Verrentungsfaktor in eine lebenslange Monatsrente umgewandelt wird (siehe Tabelle unten).

Hohe Chance für mehr Rente

Das Lebenszyklusportfolio generiert für das 67. Lebensjahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eine Monatsrente von zumindest 1233 Euro, was über dem heutigen Durchschnittsrentenniveau liegt. Im eher pessimistischen Fall resultiert mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% eine Mindestrente von 493 Euro pro Monat, was über der aktuellen Grundsicherung im Alter liegt. Im eher optimistischen Fall beträgt die monatliche Zusatzrente mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% sogar 3084 Euro. Ein Vergleich mit den beiden anderen Anlagestrategien zeigt, dass das Lebenszyklusportfolio für alle Alter und für alle Wahrscheinlichkeitsniveaus jeweils höhere Monatsrenten liefert. Insbesondere gegenüber dem konservativen Mischportfolio 1 (Aktienquote 30%) fallen die Unterschiede hoch aus. So liegt im 67. Lebensjahr die mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% erreichbare Mindestrente beim Lebenszyklusportfolio mit 493 Euro deutlich über dem Grundsicherungsniveau im Alter, wogegen beim Mischportfolio 1 nur 260 Euro erreicht werden. Insgesamt bestätigt auch diese Auswertung, dass eine vergleichsweise hohe Aktienquote über langfristige Zeiträume selbst in ungünstigen Situationen die besten Aussichten bietet, eine Altersarmut vermeidende Zusatzrente zu erwirtschaften.

Zum Abschluss wird die Simulationsanalyse noch um das mögliche monatliche Versorgungsniveau aus der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzt. Dieses wird in einem ähnlichen Verfahren wie oben aus 500000 möglichen Szenarien der unsicheren Erwerbsbiografie und den zwischen Lebensalter 20 bis 67 angesammelten Rentenpunkten berechnet. Die in jedem Szenario erzielte gesetzliche Rente pro Monat wird durch die jeweils erreichte Generationenrente ergänzt, wobei die 5000 Euro bei Geburt im Lebenszyklusportfolio angelegt sind (siehe Tabelle oben).

Isoliert betrachtet würde aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% (also in 450000 der 500000 erzeugten Szenarien) eine Monatsrente von zumindest 445 Euro erzielt werden. Umgekehrt bedeutet dies, dass aufgrund ungünstiger Erwerbsbiografien 10% der Personen über eine gesetzliche Rente unterhalb Grundsicherungsniveaus im Alter verfügen werden. Die Gesamtversorgung aus gesetzlicher Rente und Generationenrente zusammen liegt jedoch bei zumindest 1028 Euro und damit deutlich über dem Grundsicherungsniveau im Alter. Detaillierte Auswertungen zeigen, dass weniger als 1% der Personen über eine Gesamtrente von weniger als 450 Euro verfügen. Hier zeigt sich die Stärke einer Kombination der beiden Systeme zur Vermeidung von Altersarmut. Ungünstige Erwerbsbiografien werden durch günstige Entwicklungen auf den internationalen Kapitalmärkten ausgeglichen und umgekehrt sorgt die gesetzliche Rentenversicherung für einen Ausgleich, wenn die Kapitalmärkte auch über sehr lange Zeiträume ungünstig verlaufen.

Fiskus profitiert doppelt

Was kostet ein solcher Systemwechsel? Bei jährlich 800000 Neugeborenen wären 4 Mrd. Euro pro Jahr in die Generationenrente zu investieren, also ca. 1% des Bundeshaushalts. Der Fiskus profitiert von einem solchen Systemwechsel zweifach: Zum einen erspart er sich weitgehend die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter. Zum anderen erzielt er aufgrund der nachgelagerten Besteuerung der Generationenrente von all denjenigen, die aufgrund weiterer Einkünfte deutlich über dem steuerlichen Grundfreibetrag liegen, substanzielle Steuereinnahmen. Die Früchte dieser Investition liegen jedoch in der fernen Zukunft. Wenn frühere Entlastungen im Haushalt erzielt werden sollen, könnte man über die Abschaffung steuerlicher Subventionen nachdenken, die bei dem hier vorgeschlagenen Systemwechsel für die zukünftigen Generationen nicht mehr benötigt werden. Die Entwicklung der kapitalgedeckten Altersvorsorgekonten sollte aber keinesfalls mit vom Bund in Rechnung gestellten Darlehenszinsen belastet werden.

Dieser Beitrag ist eine modifizierte und aktualisierte Version des am Leibniz Institute for Financial Research (SAFE) verfassten White Paper No. 90 (August 2022) „Die Generationenrente ab Geburt: Vorschlag für eine Altersarmut vermeidende ergänzende kapitalgedeckte Alterssicherung“.

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