Aufsichtsratsvorsitz

Art der Weidmann-Berufung verärgert Verdi

Der vorgesehene Einzug des einstigen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann in den Aufsichtsrat der Commerzbank stößt in der Branche überwiegend auf Zustimmung. Gewerkschaftsvertreter kritisieren aber die Art der Kommunikation scharf.

Art der Weidmann-Berufung verärgert Verdi

Von Mark Schrörs und Tobias Fischer, Frankfurt

Die beabsichtigte Berufung des früheren Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann (54) an die Spitze des Commerzbank-Aufsichtsrats wird in der Finanzbranche weitgehend positiv aufgenommen, doch stößt die Art der Kommunikation der Personalie im eigenen Hause teils auf Entrüstung. So seien Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wie der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Uwe Tschäge sowie Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann nicht in die Entscheidung eingebunden worden, den amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Helmut Gottschalk (71) nach der Hauptversammlung am 31. Mai 2023 durch Weidmann abzulösen. Beide gehören dem Präsidial- und Nominierungsausschuss des Kontrollgremiums an, dem Gottschalk vorsteht.

„Wir sind extrem verärgert, weil wir schon mehrfach sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass wir besser in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden wollen“, sagte Wittmann am Montag zur Börsen-Zeitung. „Selbst im obersten Entscheidungsgremium des Aufsichtsrates in personellen Fragen erfahren die Arbeitnehmervertreter nichts davon. Ich muss in einer Pressemitteilung lesen, wer künftig mein Vorsitzender ist.“ Die Bank hatte die Personalie am Samstag öffentlich gemacht. Die Commerzbank kommentierte dies auf Anfrage nicht. Im Markt ist zu hören, dass sich das Institut wegen eines Informationslecks gezwungen gesehen habe, früher als beabsichtigt ad hoc über die Personalie zu informieren. Zu dem Zeitpunkt hätten aber nur die Aktionärs-, noch nicht jedoch die Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats konsultiert werden können, mit der Folge, dass sich die Arbeitnehmerseite übervorteilt fühle.

Verdi will kantiger auftreten

In seiner vierjährigen Tätigkeit im Aufsichtsrat der Commerzbank sei es bereits das dritte Mal, beklagt Wittmann, dass ein Vorsitzender ins Amt kommt, ohne dass die Arbeitnehmerseite davon vorher auch nur in Kenntnis gesetzt worden sei. Infolgedessen stellt er eine härtere Gangart in der Zusammenarbeit mit der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat und mit dem Vorstand in Aussicht: „Wir werden kantiger werden müssen.“ Im Tarifkonflikt etwa wegen der Backoffice-Dienstleistungstochter ComTS wirft er dem Commerzbank-Vorstand unter Vorsitz von Manfred Knof mangelnde­ Gesprächsbereitschaft vor. „Die Tarifierung der Tochter­gesellschaften ist ein Beleg dafür, dass die Bank nicht mit ihrer Belegschaft kommunizieren kann.“ Die in der Finanzbranche vorherrschende überwiegend positive Einschätzung von Weidmann als fachlich versiert und politisch gut vernetzt teilt Wittmann. „Ich habe an ihn eine hohe Erwartungshaltung und glaube, dass er eine Bereicherung für die Commerzbank sein kann, was seine Reputation und sein Fachwissen angeht.“

Mit Weidmann erhält die Commerzbank einen international anerkannten Ökonomen und Finanzfachmann, der in Frankfurt und Berlin, aber auch weltweit gut vernetzt ist. In Finanzkreisen wird aber darauf verwiesen, dass Weidmann kein ausgewiesener Bankenexperte sei. Gleiches galt indes auch für Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber, als dieser nach seinem Ausscheiden Verwaltungsratschef der UBS wurde – und diesen Job nach verbreiteter Einschätzung sehr gut ausfüllte. Die Commerzbank kennt Weidmann indes nicht zuletzt aus seiner früheren Tätigkeit im Bundeskanzleramt. Zur Zeit der Weltfinanzkrise war er Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt und „Sherpa“ der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei G20- und G8-Gipfeln. In dieser Rolle war er wesentlich mit der Bewältigung der Finanzkrise in Deutschland und den Hilfspaketen der Bundesregierung befasst.

Zurück im Rampenlicht

Mit dem neuen Job und bereits mit der Verkündung rückt Weidmann wieder ins Rampenlicht, nachdem er seit seinem Ausscheiden bei der Bundesbank weniger öffentlich in Er­scheinung getreten war. Ende 2021 war Weidmann freiwillig vorzeitig als Bundesbankpräsident zurückgetreten – auch aus Frust über die ultralockere EZB-Geldpolitik in den vergangenen Krisenjahren. Zwischenzeitlich hatte sich Weidmann Hoffnungen gemacht, Ende 2019 die Nachfolge von Ex-EZB-Präsident Ma­rio Draghi anzutreten. Daraus wurde aber nichts. Die EU-Staats- und Re­gierungschefs gaben der Französin Christine Lagarde den Vorzug. 2011 war Weidmann mit da­mals 43 Jahren zum jüngsten Bundesbankpräsidenten berufen worden.

Kein großes Hindernis auf dem Weg zum neuen Job dürfte für Weidmann das Erfordernis einer sogenannten Cooling-off-Phase sein, also einer Zeit, die zwischen Ausscheiden aus dem Amt und Antritt der neuen privaten Tätigkeit vergehen muss. Im Bundesbankgesetz gibt es dazu keine expliziten Vorgaben. Dem Vernehmen nach gibt es aber in den Verträgen der Vorstandsmitglieder Regelungen. Entscheidend dürfte jetzt aber sein, was EZB sagt. Laut Code of Conduct der EZB müssen ehemalige Ratsmitglieder binnen zwei Jahren über Pläne für neue Tätigkeiten informieren. Die EZB teile am Montag auf Nachfrage mit, dass der Ethikausschuss bereits informiert worden sei und eine Stellungnahme veröffentlichen werde. Insider erwarten aber kaum Probleme, weil bis Mitte 2023 bereits 18 Monate seit Weidmanns Ausscheiden bei der Bundesbank vergangen sein werden.

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