Bundesregierung lobt EU-Kommission für Industrieplan
Der Industrieplan der EU-Kommission stößt an der Berliner Regierungsspitze auf positive Resonanz. In dessen Zentrum steht, den EU-Staaten befristet Beihilfen zu erleichtern. Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gehen die Vorschläge „alle in die richtige Richtung“. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht von einem „sehr guten Vorschlag“, mit dem die EU-Kommission die richtigen Schwerpunkte setze. Reservierter zeigen sich Vertreter der Industrie. Mit Widerstand ist aus Rom, Madrid und weiteren Hauptstädten zu rechnen.
Europa sei „entschlossen, die Clean-Tech-Revolution anzuführen“: So äußerte sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zur Vorstellung des groß angekündigten „Green Deal Industrial Plan“. Dieser sieht im Kern leichtere Staatsbeihilfen vor. Von der Leyen will Produzenten klimafreundlicher Technologien außerdem über vorhandene EU-Fördertöpfe besseren Zugang zu Finanzierung verschaffen. Das könne aber nur eine „Überbrückungslösung“ sein, bis es zusätzliche Finanzierungsinstrumente gebe, sagte von der Leyen.
Dieses Ansinnen – die Kommissionschefin spricht von einem „Souveränitätsfonds“ – wird auf dem EU-Gipfel in einer Woche zu kontroversen Diskussionen führen. Gleiches gilt für den Plan, die Beihilferegeln für längere Zeit aufzuweichen. Dies könne zwar keine Dauerlösung sein, betonte die Vizechefin der EU-Kommission Margrethe Vestager. „Um unser Ziel zu erreichen, so schnell wie möglich aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, kann jedoch Unterstützung erforderlich sein.“
Seit der Coronakrise sind die Beihilferegeln in der EU gelockert. Dies ist bis Ende dieses Jahres befristet. Die EU-Kommission will die Ausnahmen erweitern und für zwei Jahre bis Ende 2025 verlängern. Dafür benötigt sie die Zustimmung der EU-Staaten. Vielerorts gibt es Vorbehalte. Bei der Lockerung der Beihilferegeln müsse man „vorsichtig“ sein, sagte erst zu Wochenbeginn Italiens Premierministerin Giorgia Meloni.
Eine Reihe weiterer Regierungen hat Bedenken an die EU-Kommission herangetragen – sowohl was Staatshilfen betrifft als auch neue Fördertöpfe. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt zusätzliche Finanzierungsinstrumente auf europäischer Ebene vehement ab. Von der Leyen muss also erheblichen Widerstand gegen ihre Idee eines Souveränitätsfonds – schuldenfinanziert oder nicht – zur Kenntnis nehmen. Die EU-Kommission gibt sich jedenfalls zugeknöpft, auch eine ungefähre Größenordnung ist bis auf Weiteres nicht zu erfahren.
In der Industrie fallen die Reaktionen insgesamt verhalten aus. Die Konturen des Plans seien noch zu unscharf, findet Peter Adrian, Chef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Ob das Programm wirklich eine neue Agenda für Wettbewerbsfähigkeit setzt oder nur bisherige Programme unter einem neuen Namen fortführt, muss sich erst noch zeigen.“ Tanja Gönner, Chefin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), erkennt zumindest positive Ansätze: „Der Green-Deal-Industrieplan erkennt richtigerweise die zentrale Rolle der Industrie in der Transformation zur Klimaneutralität an.“ Sie verspricht sich insbesondere schnellere Förderverfahren mit weniger Bürokratie.
Unter EU-Parlamentariern gehen die Meinungen weit auseinander. Der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion Markus Ferber (CSU) wirft der EU-Kommission „Einfallslosigkeit“ und „Taschenspielertricks“ vor. Sie schiebe Geld von A nach B und recycle altbekannte Konzepte unter neuen Überschriften. Dagegen hält Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, einen „Game-Changer für die europäische Industriepolitik und unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit“ für möglich. Er hat Hoffnung, dass Firmen schneller an Genehmigungen kommen.
Der Linken-Politiker Martin Schirdewan dringt darauf, Beschäftigung zu sichern und strukturschwache Regionen zu fördern. „Angesichts der Steuererleichterungen in den USA dürfen wir uns aber nicht von der Großindustrie die Pistole auf die Brust setzen lassen.“ Experten sehen im Industrieplan der EU-Kommission eine klare Antwort auf amerikanische Subventionen im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA). EU-Abgeordnete der Grünen begrüßen die Pläne und machen sich für den Souveränitätsfonds stark.