Null-Covid-Strategie

China lockert Corona-Politik

Mit einer wesentlichen Lockerung von Quarantäne- und Testbestimmungen und dem Verzicht auf großflächige Lockdowns verabschiedet sich China von der sozial kontroversen und wirtschaftsschädigenden Null-Covid-Politik.

China lockert Corona-Politik

nh Schanghai

Die Pekinger Regierung hat am Mittwoch ein neuen landesweit geltenden Regelkatalog für den Umgang mit Corona in Umlauf gebracht, mit dem sich das Land im Nachgang zu aufsehenerregenden Protesten in der Bevölkerung weitgehend von der berüchtigten Null-Covid-Strategie verabschiedet und sich auf reduzierte Corona-Kontrollmaßnahmen beschränkt. Als wichtigster der insgesamt zehn Punkte des neuen Regelkodex gilt das Zurückdrehen der zentralen Zwangsquarantänemaßnahmen für nachgewiesene Corona-Ansteckungsfälle und ihre Kontaktpersonen.

Ab sofort dürfen nachweislich mit Corona angesteckte Personen, die sich als asymptomatisch erweisen oder nur milde Krankheitssymptome aufweisen, in ihrem häuslichen Umfeld bis zur Genesung isolieren. Bislang galt die Grundregel, dass alle von einer Corona-Infektion betroffenen Bürger und ihre Erstkontakte in eine zentrale Quarantäneeinrichtung mit teilweise katastrophalen Unterbringungsbedingungen verfrachtet wurden. Dabei hatte ein einziger Corona-Fall in einer chinesischen Großstadt im Durchschnitt die Internierung von etwa 70 in der Regel coronafreien Personen zur Folge. Gleichzeitig kam es in den Wohngebäuden der in Zwangsquarantäne gebrachten Personen je nach lokaler Gegebenheit zu Lockdown-Maßnahmen für sämtliche Bewohner.

Die Aufhebung der Zwangsquarantäne geht Hand in Hand mit einer gelockerten Neudefinition von „Hochrisikogebieten“. Dies dürfte dazu führen, dass sich künftige Lockdown-Maßnahmen nur noch auf einzelne Lokalitäten beschränken werden und keine wochenlangen Vollsperrungen von großen Wohnanlagen, Stadtteilen oder Ballungsgebieten mehr drohen, an denen sich Ende November eine Welle von Straßenprotesten in Chinas wichtigsten Großstädten entzündet hatte.

In einem weiteren entscheidenden Schritt verabschiedet sich die Regierung von dem zentral verordneten Massentestregime und den Zugangsbeschränkungen zu öffentlichen Einrichtungen, Geschäften und Restaurants auf Basis eines negativen Testergebnisses, das in die chinesische Corona-App eingeht und bislang alle 48 oder 72 Stunden neu vorgewiesen werden musste. Dies schafft eine wesentliche Entlastung bei den vom Staat und den Lokalregierungen getragenen Kosten für eine stetige landesweite Testschleife, die bislang auch für Gegenden mit minimaler Corona-Inzidenz oder sogar monatelanger „Null-Covid-Bilanz“ galt.

Mit dem Zurückfahren der Massentestverfahren und der andauernden Nachweispflicht für ein negatives Testergebnis wird eine wesentliche Voraussetzung für die Lockerung von Mobilitätsbeschränkungen und auch Konsumhindernissen geschaffen. Zum einen ist es chinesischen Bürgern nun wieder möglich, sich unabhängig vom 48-Stunden-Testrhythmus frei zu bewegen, zur Arbeit zu gehen, einzukaufen oder sich bewirten zu lassen. Zum anderen führt das gelockerte Test- und Nachweisregime auch zur Aufhebung der Beschränkungen für Reiseaktivitäten. Die Lockerung der Testvorschriften gilt als entscheidende Voraussetzung, um den seit Sommer extrem gebremsten chinesischen Waren- und Dienstleistungskonsum wieder anzuregen und die Tourismusbranche sowie das Messe- und Konferenzwesen aus einer Krise zu befreien. Auf Industrieebene wiederum sind damit wieder normalisierte Produktionsverhältnisse mit der Abkehr von wochen- oder monatelangen Internierungen von Arbeitskräften auf Werksgeländen möglich.

Den Ankündigungen vom Mittwoch waren Sitzungen des chinesischen Politbüros und des Staatsrates vorangegangen, auf denen die Weichen für eine „Optimierung der Corona-Politik“ mit besonderer Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation gestellt worden waren. Seit Oktober hatten sich Chinas Wirtschaftsdaten in praktisch allen entscheidenden Bereichen wieder massiv verschlechtert und die von Peking stets versprochene konjunkturelle Erholung unter den Gegebenheiten des Null-Covid-Regimes ad absurdum geführt. Nun rechnen die Experten für 2023 zwar mit einer signifikanten Wachstumsbeschleunigung, befürchten indes gleichzeitig Störeffekte im Falle einer raschen Virusverbreitung im Zuge eines gelockerten Kontrollregimes.

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