Bilanzskandal

Déjà-vu für Software-Investoren

Die britische Softwarefirma Wandisco hat „signifikante, raffinierte und potenziell betrügerische Unregelmäßigkeiten“ bei der Buchung von Umsätzen festgestellt. Sie ist nicht die Erste aus der Branche.

Déjà-vu für Software-Investoren

Von Andreas Hippin, London

Das Softwareunternehmen Wandisco aus Sheffield hat der britischen Hightech-Branche diese Woche einen Bärendienst erwiesen. Wie die Gesellschaft per Pflichtveröffentlichung mitteilte, wurden „signifikante, raffinierte und potenziell betrügerische Unregelmäßigkeiten“ bei der Buchung von Umsätzen festgestellt, die ein hochrangiger Vertriebsmitarbeiter angegeben hatte. Man erwarte deshalb, dass der Umsatz im vergangenen Jahr lediglich bei 9 Mill. Dollar und nicht wie ursprünglich ausgewiesen bei 24 Mill. Dollar gelegen haben könnte.

Es bestehe nicht nur Ungewissheit über die finanzielle Position des am Londoner Wachstumssegment AIM notierten Unternehmens, sondern auch über die Fortführung des Geschäfts. Die Aktie wurde vor der Mitteilung vom Handel ausgesetzt und soll es auch bleiben, bis die Sache geklärt ist.

Sofort wurden Erinnerungen an Autonomy wach, deren Gründer Mike Lynch sich immer noch mit Händen und Füßen gegen die Auslieferung in die Vereinigten Staaten wehrt. Oder an das IT-Sicherheitsunternehmen Darktrace, dem ein Leerverkäufer vorgeworfen hatte, seinen Umsatz aufzupumpen. Es ist das Gefühl des Déjà -vu. Dabei haben die drei Unternehmen nichts miteinander zu tun.

Mit Disco hat Wandisco übrigens auch nichts zu tun. Der Name bezieht sich auf verteilte Systeme in einem Rechnernetz, das sich über einen sehr großen geografischen Bereich erstrecken kann (Wide Area Network Distributed Computing). Das Unternehmen hat nun die forensischen Bilanzprüfer von FRP Advisory mit einer unabhängigen Untersuchung der Vorgänge beauftragt.

Es ist ein weiterer Rückschlag für die Bemühungen der London Stock Exchange, Hightech-Unternehmen anzuziehen. Der Chipdesigner Arm aus dem IT-Ökosystem der Universität Cambridge entschied sich lieber für ein Initial Public Offering in New York. Wandisco, die eine weitere Firmenzentrale im kalifornischen San Ramon unterhält, liebäugelte zuletzt mit einer Zweitnotiz in den Vereinigten Staaten.

Das Unternehmen kam 2012 als einziges Tech-Unternehmen dieses IPO-Jahrgangs zum Preis von 180 Pence je Aktie an den Markt. Vor zehn Jahren erreichte es mit um die 1 524 Pence seinen höchsten Börsenwert. Nach einer wilden Achterbahnfahrt, die einen Absturz auf 73 Pence mit einschloss, notierte die Aktie zuletzt bei 1 310 Pence.

An der Nasdaq können Hightech-Firmen höhere Bewertungen erzielen als in London. Für viele britische Anleger sind nicht steile Wachstumshoffnungen, sondern Dividenden wichtig. Das erklärt aber nicht, warum London Tiefflieger wie Deliveroo anzieht – einen Online-Lieferdienst, der als hochkarätiges Technologieunternehmen angepriesen wurde und dessen Kursentwicklung den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde. Die Erfolgsgeschichten sind dünn gesät. Wenn Schatzkanzler Jeremy Hunt seinen Traum, Großbritannien zum nächsten Silicon Valley zu machen, verwirklichen will, muss er sich schwer anstrengen.

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