Der Baubranche bricht das Neugeschäft weg
hek Frankfurt
Einen scharfen Rückgang zeigen die Auftragseingänge des deutschen Bauhauptgewerbes. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die Bestellungen im September preis- und kalenderbereinigt zum Vorjahresmonat um 22,6 % geschrumpft. Das sei der stärkste Rückgang im Vorjahresvergleich seit Februar 2005. Gemessen am Vormonat August waren es bereinigt um Preis-, Saison- und Kalendereinflüsse 3,6 % weniger.
Das Bundesamt relativiert die Einbußen insofern, dass sich der Jahresvergleich auf einen hohen Basiswert bezieht. Im September 2021 habe das Bauhauptgewerbe nämlich seinen bisherigen Höchststand erreicht. Der nominale Auftragseingang blieb im September mit 8,2 Mrd. Euro um 9,3% hinter dem Vorjahresniveau zurück. Nach neun Monaten steht ein preis- und kalenderbereinigter Bestellrückgang von 7,3% in den Büchern. Zugute kommt der Branche, dass die Orderbestände nach wie vor recht hoch sind.
Auch beim Umsatz ergeben sich tiefe Einschnitte. In realer Rechnung, also bei Herausrechnung der meist deftigen Preisaufschläge, zeigt der Jahresvergleich Einbußen von 7,8% im September und von 4,7% nach drei Quartalen. In jeweiligen Preisen legten die September-Erlöse um 8,1% auf 10,0 Mrd. Euro zu.
Die Daten zeigen, dass stark erhöhte Material- und Dieselpreise sowie der scharfe Zinsanstieg das Bauhauptgewerbe treffen. Zudem kamen auf vielen Baustellen die Arbeiten aufgrund fehlender Baustoffe zeitweise nur langsam voran.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie wertet die sinkende Nachfrage als „gebrochenes Versprechen der Bundesregierung an unseren Wirtschaftsstandort, da die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bau- und Investitionsoffensive ausbleibt“, wie Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller sagt. Die Unternehmen litten unter einer maroden Infrastruktur, die sich in gravierenden Mängeln im Straßennetz, aber auch im Schienenbereich und im Wohnungsbau zeigten. Die Politik vernachlässige die steigenden Preise.
Die Befürchtung, dass die öffentliche Hand ihre Bauinvestitionen nicht dem Preisanstieg anpasse, habe ich bestätigt. In einem Positionspapier fordern Bau- und Baustoffbranche sowie das Handwerk, die Neubauförderung massiv aufzustocken und eine degressive Abschreibung für Investoren ab dem neuen Jahr einzuführen. Sie verweisen auf die Mehrkosten erhöhter gesetzlicher Standards. So stiegen die Baukosten für ein Einfamilienhaus durch den neuen Förderstandard EH40 um 30 000 Euro. Einem Medienbericht zufolge wird sich die überarbeitete Neubauförderung des Bundes verzögern.
Derweil muss der Eigenheimbauer Helma seine Jahresprognose abermals senken. Demnach rechnet das Management nur noch mit einem mittleren einstelligen Millionengewinn vor Steuern für 2022. Wesentlicher Grund seien Gewährleistungen, die aufgrund der Insolvenz eines großen Subunternehmers bei der Tochter Helma Ferienimmobilien zu berücksichtigen seien. Zusätzlich seien die Auftragseingänge im zweiten Halbjahr weiter zurückgegangen. Das Marktumfeld sei sehr schwierig.
Gegen Ende September hatte Helma den Ausblick für das Vorsteuerergebnis bereits von 30 Mill. auf 20 Mill. Euro gekappt und die bisherige Umsatzschätzung von 360 Mill. Euro auf 300 Mill. bis 320 Mill. Euro zurückgenommen. Aktuell siedelt Helma den Jahresumsatz nun am unteren Ende der neuen Bandbreite an.
Mitte Oktober hatte der Aufsichtsrat den Vorstandsvorsitzenden Gerrit Janssen mit sofortiger Wirkung abberufen. Zum 1. November übernehme Andrea Sander den Vorstandsvorsitz, heiß es. Sie werde kommissarisch auch die Bereiche Finanzen und Controlling, IT und Investor Relations leiten.