Deutsch-amerikanische Chipallianz
Europas Primus im Halbleitergeschäft, der Dax-Konzern Infineon, bekommt künftig mehr Konkurrenz in seinem Heimatmarkt bei der Fertigung von Leistungschips auf der Basis von Siliziumkarbid-Technologien. Der US-Chiphersteller Wolfspeed und der Autozulieferer ZF mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee kündigten an, auf dem Feld moderner Chiptechnologien ein gemeinsames Zentrum für Forschung und Entwicklung (F&E) im Saarland zu errichten.
Kern der engeren Zusammenarbeit beider Unternehmen ist allerdings der beabsichtigte Bau einer Fertigungsfabrik der Amerikaner im saarländischen Ensdorf. An der nach Angaben des Duos „weltweit modernsten und größten 200-mm-Siliziumkarbid-Halbleiterfertigung“ wollen sich die Schwaben finanziell beteiligen. „ZF beabsichtigt, diesen Neubau mit einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag im Tausch gegen Wolfspeed-Stammaktien zu unterstützen. Als Teil dieser Investition erhält ZF eine Minderheitsbeteiligung an der Fabrik in Ensdorf.
Die Kontrolle und operative Leitung der neuen Fabrik liegt bei Wolfspeed“, heißt es dazu in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Faktisch steigen die Schwaben bei dem an der Nyse gelisteten US-Konzern indirekt ein. Wolfspeed bringt derzeit 9,8 Mrd. Dollar auf die Waage. Nach der Ankündigung gewann die Aktie des deutlich kleineren US-Wettbewerbers von Infineon in New York zeitweise 3 % auf über 79 Dollar an Wert.
Infineon und Wolfspeed haben eine „gemeinsame“ Vergangenheit. Vor mehr als sechs Jahren wollten der frühere Siemens-Ableger den Anbieter aus dem US-Bundesstaat North Carolina mehrheitlich für 850 Mill. Euro übernehmen. Die Verwaltung von Wolfspeed (ehemals Cree) war seinerzeit für die Transaktion. Doch das Vorgaben scheiterte im Februar 2017 am Veto von Washington. Die damalige US-Regierung untersagte das Vorhaben mit der Begründung, dies gefährde nationale Sicherheitsinteressen der USA.
In der Tat baut Wolfspeed mikroelektronische Bauelemente, die das US-Militär anwendet. Seinerzeit regierte US-Präsident Donald Trump das Land. Nach dem gescheiterten Versuch schluckte zwei Jahre danach Infineon den kalifornischen Konkurrenten Cypress zum stattlichen Preis von 9 Mrd. Euro.
Wolfspeed und ZF kennen sich bereits gut. Beide Konzerne arbeiten seit 2019 nach eigenen Angaben in der Entwicklung hocheffizienter elektrischer Antriebsstränge auf Basis von Siliziumkarbid-Komponenten zusammen. Die erweiterte strategische Kooperation fokussiert sich im Bereich F&E auf Siliziumkarbid-Systeme und -Bauteile für Mobilitäts-, Industrie- und Energieanwendungen.
Beide Partner trommeln derweil für Subventionen der EU, um das Bauvorhaben im kleinsten deutschen Flächenbundesland auch mit staatlichen Förderhilfen aus Brüssel und aus Berlin zu finanzieren. In der Pressemitteilung von ZF und Wolfspeed heißt es dazu wie folgt: „Sowohl das gemeinsame Forschungszentrum als auch die Wolfspeed-Fabrik sind integrierter Teil des ‚wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse („Important Project of Common European Interest – IPCEI) für Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien‘, dessen beihilferechtliche Genehmigung durch die Europäische Kommission noch aussteht.“
Diese Initiativen seien ein „wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen industriellen Transformation“, so beide Konzerne. „Sie stärken die Widerstandsfähigkeit der europäischen Lieferketten und unterstützen gleichzeitig den Europäischen Green Deal und die strategischen Ziele von Europas digitaler Dekade“, ließ sich ZF-Vorstandschef Holger Klein zitieren. „Mit ZF haben wir einen starken Partner an unserer Seite, der sowohl branchenführende Erfahrung in der Skalierung von Komponenten für die Elektromobilität mitbringt als auch die Fähigkeit besitzt, Innovationen in Siliziumkarbid-Systemen und Leistungsbauelementen zu beschleunigen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Partnerschaft die Siliziumkarbid-Halbleitertechnologie auf ein neues globales Niveau heben und die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Effizienz in einer Vielzahl von Branchen unterstützen wird“, so Gregg Lowe, Präsident und CEO von Wolfspeed.
Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research mit Sitz in Duisburg, begrüßt die angekündigte vertiefte Allianz: „ Der weltweite Bedarf nach Siliziumkarbid-Chips wächst parallel zu den weltweiten Verkäufen von Elektroautos exponentiell (…) Für das Saarland und für die beiden Unternehmen Wolfspeed und ZF wurde (…) eine zukunftsträchtige industrielle Zusammenarbeit gestartet.“
Die Initiative kommt zu einer Zeit, in der die Region Asien-Pazifik als global dominierender Markt etwas an Einfluss verliert. Grund dafür ist die grassierende Corona-Pandemie in China, die Peking mit drastischen Lockdowns einzudämmen versuchte. Nach Aufgabe dieser Politik breitet sich die Seuche in dem Land aus.