„Die USA könnten ein Game-Changer für Einhell werden“
Michael Flämig
Herr Kroiss, auf gewisse Weise übertreffen Sie Angela Merkel.
(Lacht) Ja?
Sie hat 16 Jahre ihr Amt ausgefüllt, Sie führen Einhell seit 20 Jahren als Vorstandschef.
Wenn in einer Firma das Management alle vier oder fünf Jahre wechselt, dann zieht die Mannschaft häufig nicht in die gleiche Richtung. Denn man braucht lange, um die richtigen Menschen sowie Produkte zu haben und damit die Kunden zu überzeugen. Nur so kann man eine Marke aufbauen.
Der Kapitalmarkt hat häufig eine kurzfristigere Sichtweise.
Es ist unser Glück, dass wir zwar börsennotiert, aber nicht von Quartalsergebnissen geprägt sind. Stattdessen gilt: Wir haben eine Langfriststrategie. Bereits vor 20 Jahren hatte ich die Vision, dass wir 1 Mrd. Euro Umsatz erreichen wollen. Das haben wir im Jahr 2022 geschafft.
20 Jahre zehren aber doch trotzdem an den Kräften.
Wenn Sie eine klare Vision haben, zehrt dies nicht an den Kräften, sondern gibt Ihnen Kraft. Ich teile meine Zeit aber auch so ein, dass mein voller Fokus auf Strategie, Kunde, Produkt und Marke ist.
Gehört es mittlerweile auch zu Ihren Aufgaben, einen Nachfolger aufzubauen?
Das wäre ein wenig früh.
Das heißt, Sie werden noch länger machen.
Meine persönliche Planung geht jetzt mal bis zum Jahr 2032. Bis dahin habe ich einen Plan, was ich mit Einhell erreichen will. Ich betrachte Einhell wie mein eigenes Unternehmen, und aus diesem Grund kaufe ich auch selbst regelmäßig Aktien hinzu.
Einhell-Produkte galten in meiner Jugend als Billigware.
Als ich angefangen habe, war Einhell im Prinzip ein Billigimporteur. Wir haben alles importiert, was die Baumärkte und vor allem Metro bei uns kaufen wollten. Wir hatten keinen Fokus und verkauften einfach alles und nichts. Einhell war aus Sicht der Endkunden keine Marke.
Was haben Sie geändert?
In den ersten Jahren haben wir step-by-step das Produktsortiment gestrafft und an der Produktqualität gearbeitet. Im nächsten Schritt haben wir begonnen, eigene Produkte zu entwickeln. Im Jahr 2009 starteten wir in Australien und erkannten dort den Trend, dass die Zukunft der Akku-Markt ist. Auch wenn zu dieser Zeit, ganz speziell in Europa, niemand etwas von Akku-Produkten hören wollte, haben wir trotzdem begonnen, die Akku-Plattform Power X-Change zu entwickeln.
Wie ist die Situation jetzt?
Die Wahrnehmung der Marke Einhell hat sich komplett verändert. Wir sind heute eine Marke mit einer klaren Positionierung, die mit den internationalen Top-Playern konkurrieren kann.
Wie wollen Sie Einhell weiterentwickeln?
Wir fokussieren uns auf den privaten Haus- und Gartenbesitzer als unsere Kernzielgruppe. Wir ermöglichen unseren Kunden kabellose Freiheit für alle Arbeiten im und rund um Haus und Garten, damit alle Heimwerkerprojekte und Gartenarbeiten mit Spaß und Freude erledigt werden können. Wir wollen daher die besten Akkus für unsere Zielgruppe entwickeln. Endurance, Performance und Safety sind die wichtigsten Attribute bei der Weiterentwicklung unserer Akkus. Wir sind auf einem guten Weg und konnten dies beweisen, indem wir mit unserem Plattform-Akku in den letzten 24 Monaten zweimal Testsieger bei unabhängigen Produkttests wurden.
Welcher Anteil der Einhell-Produkte läuft bereits mit Akku?
Wir liegen bei mehr als 44%. Im Laufe des Jahres 2023 wollen wir mehr als 50% erreichen, der Anteil soll bis zum Jahr 2027 auf mehr als 70% steigen. Unsere Akku-Plattform Power X-Change wird dann 450 kompatible Akku-Werkzeuge und -Gartengeräte umfassen, die mit unserer Plattformbatterie funktionieren. Bereits heute haben wir mehr als 250 Produkte auf unserer Plattform.
Warum ist der Akku so zentral?
Wir betrachten den Akku wie die Nespresso-Kaffeemaschine. Wenn der Kunde die Kaffeemaschine in der Küche hat, kauft er die Kapseln. Bei uns verhält es sich ähnlich. Wenn der Kunde unseren Akku hat und mit den ersten Geräten, die er kauft, zufrieden ist, dann wird er weiter ein treuer Kunde in unserer Plattform sein. Außerdem machen wir uns ständig Gedanken, welche Anwendungsmöglichkeiten wir unserer Kernzielgruppe zusätzlich anbieten können. Aus diesem Grund öffnen wir unsere Plattform für externe Unternehmen, die ihren Fokus beispielsweise auf Pool, Camping, Haushalt und E-Mobilität haben.
Akku-Kompetenz statt Billigware – wie kriegen Sie dies in die Köpfe?
Einhell kann nur gewinnen, wenn es eine starke Marke ist. Marke ist Emotion, wir müssen also den Endverbraucher mit unserer Kommunikation emotional erreichen. Wie gelingt das? Wir haben uns als Marke im Dominanzbereich positioniert: „Einhell. Die Akku-Kompetenz.“ Um diese Position schneller zu erreichen, sind wir Markenpartnerschaften eingegangen, mit Unternehmen, deren Positionierung ebenfalls im Dominanzbereich angesiedelt ist.
Sie sind beim FC Bayern gelandet.
Richtig. Denn der FC Bayern teilt die gleichen Werte wie wir. Dazu ist Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn unser Markenbotschafter. Er steht selbst wie kaum jemand anderer für Dominanz und ausdauernde Leistung. Die Partnerschaft mit dem FC Bayern München hat unserer Marke bereits im ersten Jahr einen Schub in Bezug auf Bekanntheit und Relevanz gegeben. Um die Marke Einhell international noch stärker zu positionieren, haben wir uns einen weiteren starken Partner mit einer hohen weltweiten Strahlkraft gesucht.
Und Sie sind fündig geworden . . .
Es uns gelungen, uns ab 2023 mit Mercedes Motorsport als „Official Tool Expert“ zu verbünden. Ab Anfang Januar ist Einhell Partner des Mercedes-AMG Petronas F1 Teams. Motorsport-Chef Toto Wolff ist unser Markenbotschafter, und die Einhell Akku-Geräte werden in der Formel-1-Box und im Hauptquartier des Mercedes-Teams eingesetzt.
Formel 1 und Akkus – passt dies zusammen?
Wir dachten am Anfang: nein. Wir, als Einhell, haben uns entschieden, dass wir nach 2025 benzinbetriebene Geräte aus unserem Produktsortiment nehmen. Auch die Formel 1 ist in einer Transformation, und wie Sie den Medien entnehmen können, wird in der Formel 1 ab der Saison 2026 die Hälfte der Energie des Verbrennungsmotors von einer Batterie und die andere Hälfte mit E-Fuel geliefert.
Sind FC Bayern und Formel 1 nicht zu teuer für Einhell?
Wir machen alles, was wir tun, mit Kopf und Verstand.
Was heißt dies für die Kosten?
Wir haben eine Wachstumsstrategie, daher können Sie davon ausgehen, dass sich unser prozentuales Marketingbudget nicht wesentlich erhöht. Wir stehen für Markenqualität zum besten Preis, das werden wir auch weiter tun. Aber mit einem ganz anderen Image.
Dominanz sollte sich in den Marktanteilen ausdrücken. Bei Garten führen Sie nach Stückzahlen in Deutschland mit 34%, bei Werkzeugen mit 17% nicht.
Sie sind gut informiert. Wenn Sie die Anteile zusammennehmen, liegen wir bei 24,9%. Damit sind wir Marktführer in Deutschland bei Akku-Werkzeugen und -Gartengeräten.
Und nun?
Meine Zielsetzung ist, dass wir unsere Marktanteile in unserer Zielgruppe weiter ausbauen, und dies nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern, in denen wir mit eigenen Tochtergesellschaften vertreten sind. Mein langfristiges Ziel ist es, in jedem Land, in dem wir eine eigene Tochtergesellschaft haben, Marktführer mit Akku-Werkzeugen und -Gartengeräten zu sein.
Wie sieht es aktuell aus?
In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind wir bereits sehr stark. In vielen großen europäischen Ländern sind wir zwar gut aufgestellt, haben aber noch sehr viel Potenzial wie zum Beispiel in England, Frankreich, Spanien und Italien. In Australien sind wir exzellent vertreten, genauso wie in Südamerika, wo wir im Jahr 2006 mit Chile begonnen haben. Mittlerweile sind wir auch stark in Argentinien, Kolumbien und Peru vertreten.
Welche Märkte wollen Sie zusätzlich erschließen?
Wir wollen in allen relevanten Do-it-yourself-Märkten eigene Tochtergesellschaften aufbauen. Jedes Jahr erschließen wir ein neues Land.
Wie ist die Reihenfolge?
Im Jahr 2021 sind wir nach Südafrika gegangen, von dort aus wollen wir step-by-step Richtung Norden expandieren. In 2022 ist es uns gelungen, ein kanadisches mittelständisches Unternehmen zu übernehmen, das seit März Teil der Einhell-Gruppe ist. Kanada ist auch deswegen ein wichtiger Markt, weil wir dort lernen können, was unsere Zielgruppe erwartet, um den Einstieg in den wichtigsten Markt der Welt vorzubereiten: die USA.
Welches Land peilen Sie 2023 an?
Im Jahr 2023 sind wir in abschließenden Gesprächen für die Übernahme eines thailändischen Unternehmens. Von Thailand aus kann Einhell in den südostasiatischen Raum expandieren. Wir wollen aber in 2023 alle Vorbereitungen treffen, um in 2024 unseren Einstieg in die USA zu realisieren. Die nächsten Länder auf unserer Prioritätenliste, um ein paar zu nennen, sind noch Japan, Indonesien und die Philippinen.
Wie wichtig sind die Vereinigten Staaten?
Die USA könnten, wenn wir alles richtig machen und Glück haben, richtige Unternehmen zu finden, ein Game-Changer für Einhell werden. Das Land ist der größte Do-it-yourself-Markt der Welt. Der US-Markt ist um ein vielfaches größer als der deutsche Markt, der die Nummer 2 ist.
Was bedeutet dies in Zahlen?
Die Deutschen gaben im Jahr 2021 546 Euro pro Kopf und Jahr für Do-it-Yourself aus, in den USA sind es 1163 Euro. Dies ist sicherlich auf die Art zurückzuführen, wie Amerikaner ihre Häuser bauen.
Welche Kriterien muss ein Zukauf erfüllen?
Für uns ist wichtig: Das Unternehmen muss einen Zugang zum Markt haben und logistisch gut aufgestellt sein. Wir steigen ein und übernehmen die Mehrheit, machen das noch drei bis fünf Jahre gemeinsam, fahren das ursprüngliche Sortiment nach unten und unsere Produkte nach oben. So gewinnen wir die Organisation des Unternehmens und Markt-Know-how.
Warum bauen Sie nicht selbst Vertriebsgesellschaften auf?
Das haben wir früher so gemacht. Es kostet wahnsinnig viel Energie, Zeit und Geld. Die Wahrscheinlichkeit, dass man von Beginn an die richtigen Menschen findet, ist sehr gering. Am Ende haben wir festgestellt, dass eine Übernahme nicht mehr kostet als ein Start von null in einem neuen Land.
Die Produktion hat Einhell ausgelagert. Haben Sie dies im Griff?
Wir haben die Fertigung zwar ausgelagert, aber wir machen außer dem Zusammenbau so gut wie alles selbst. Am Stammsitz Landau sitzen Technik und Design. In China gibt es eine große Technik- und Qualitätsabteilung, die unsere Produkte gemeinsam mit unseren externen Fertigungsstätten bis zur finalen Freigabe entwickelt. Wir sind dabei, die erste Produktion außerhalb Chinas für uns aufzubauen. Diese soll 2024 in Ungarn in Betrieb genommen werden. Dort fertigen wir nicht die Zellen, sondern machen das Packing.
Warum verlagern Sie einen Teil der Produktion aus China heraus?
Die Zero-Covid-Politik in China hat gezeigt, dass es zu riskant ist, sich ausschließlich auf dieses Land zu stützen. Ein signifikanter Prozentsatz unserer Produktion wird künftig außerhalb Chinas angesiedelt sein. Unsere Zielsetzung ist, Teile nach Vietnam beziehungsweise zurück nach Europa zu verlagern.
Wie sehen Ihre Mittelfristziele für Einhell aus?
Mein nächstes großes Ziel ist, dass wir 2027/2029 auf einen Umsatz von 2 Mrd. Euro kommen.
Welche Ziele haben Sie im laufenden Jahr?
Ich glaube, in 2023 wird es schwierig, mit bestehenden Kunden auf bestehender Fläche hohe Umsatzzuwächse zu erreichen. Unser Ziel ist es, neue Kunden international zu akquirieren und bei bestehenden Kunden zusätzliche Fläche durch Sortimentserweiterung zu gewinnen. Aus diesem Grund rechnen wir im laufenden Jahr mit einem Umsatzplus von etwa 3%. Wichtig ist, dass wir international weiter Marktanteile gewinnen.
Wie ist das Jahr 2022 gelaufen?
Wir haben einen Umsatz von 1,03 Mrd. Euro erreicht. Die Marge auf das Vorsteuerergebnis ist in dem Rahmen, den wir Mitte des Jahres gesetzt hatten.
Im November hatten Sie Umsatz- und Ergebniserwartungen ja leicht gedämpft. Warum?
Im zweiten Halbjahr hat man die Konjunkturentwicklung gemerkt. Der enorme Zinsanstieg hat für uns zudem die Vorratshaltung stark verteuert. Trotzdem kommen wir sehr gut durch, nachdem der Covid-Boom vorüber ist. Wir sind vermutlich das einzige Unternehmen in unserer Branche in Europa, das im letzten Jahr organisch gewachsen ist.
Der Corona-Boom hat sich auch in einem starken Anstieg der Vorsteuermarge niedergeschlagen. Welches Renditeniveau kann Einhell mittelfristig erreichen?
Jenes Niveau, das wir jetzt haben.
Das heißt, der Sprung von 5,4 % im Jahr 2019 auf nun rund 8,5 % ist dauerhaft?
Das ist mein Ziel. Daher haben wir uns für das laufende Jahr 8% bis 8,5% vorgenommen. Sie dürfen nicht vergessen: Die Firma ist in einer Transformation. Wir werden immer stärker zur Marke. Außerdem wächst der Anteil der Produkte mit Akkus. Zudem ist die Vertriebskanalstruktur komplett verändert, weil der Discount-Anteil kaum mehr eine Rolle spielt.
Wünschen Sie sich mehr Streubesitz der Aktie?
Das Einzige, was ich nicht beeinflussen kann, ist das.
Was kann Einhell tun, um stärker am Kapitalmarkt präsent zu sein?
Ein Aktiensplit wäre sicherlich von Vorteil, um die Liquidität zu erhöhen. Dies steht aber momentan nicht an. Darüber hinaus werden wir die Kommunikation mit Medien verstärken.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich vom Kapitalmarkt?
Die Finanzwelt ist teilweise ein wenig abgehoben und hat mit der Realwirtschaft oft sehr wenig zu tun. Ein Beispiel: Immer wird nur über Ebitda geredet. Wen interessiert dieses Ergebnis vor Abschreibungen auf Sachanlagen und Firmenwerte, Zinsen und Steuern? Mich nicht. Als Unternehmer interessiert nur das Vorsteuerergebnis. Das ist, was ich wirklich verdient habe. Ich bin dankbar und glücklich, dass wir unsere Entscheidungen flexibel und schnell treffen können und unabhängig sind. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, damit wir uns dynamisch weiterentwickeln können.
Aber wenn der Aktienkurs wie im letzten Jahr stark sinkt, tut es doch trotzdem weh.
Im Frühjahr 2020 wurde die Einhell-Aktie für 42 Euro gehandelt, bis Ende 2021 hatte sich der Wert einer Einhell-Aktie mit bis zu 227 Euro mehr als verfünffacht. Wie eigentlich alle großen Unternehmen der Welt haben wir 2022 eine Korrektur gesehen, aber wir denken und planen langfristig. Denn tatsächliche Werte bleiben. Es ist ja nicht logisch, dass unsere Aktie 30% weniger wert ist, obwohl wir den Umsatz um 12% gesteigert und das Ergebnis vor Steuern in 2022 ebenfalls erhöht haben.
Das Interview führte .