Deutscher Sparkassen- und Giroverband

Ein kluger Kopf

Ulrich Reuter führt die deutschen Sparkassen bis zum Ende des Jahrzehnts. Der neue Präsident bringt vielfältige Fähigkeiten mit. Er hat bereits ein Programm.

Ein kluger Kopf

Von Michael Flämig, München

Wer ist Prof. Dr. Ulrich Reuter? Die Frage ist für die Finanzwirtschaft noch relevanter geworden. Denn erwartungsgemäß haben die Sparkassen den 60-Jährigen zu ihrem Präsidenten gewählt. Der aktuelle Chef des Sparkassenverbands Bayern wird von Januar an sechs Jahre lang den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) führen.

Klar ist: Reuter ist kein Mann, der sein Profil noch entwickeln muss. Er weiß vielmehr, wie er die Zukunftsfähigkeit der Gruppe sichern kann. Die Basis dieser Fertigkeiten sind sein kluger und analytischer Kopf sowie die immerwährende Bereitschaft, sich in Fachthemen hineinzuknien.

Er sei über den zweiten Bildungsweg zu seinen Aufgaben gekommen, erinnerte sich der gebürtige Aschaffenburger 2021 im Interview der Börsen-Zeitung: „Und immer dann, wenn es interessant wurde, hat man zu Beginn meiner beruflichen Entwicklung gesagt: Ab hier macht das jetzt jemand anders.“

So war es bereits, als Reuter 1985 die Bayerische Beamtenfachhochschule für Rechtspflege als Diplom-Rechtspfleger verlassen hatte. Als Angestellter in der Kommunalverwaltung habe es geheißen, das sei Sache der Juristen, berichtet Reuter. Nach seinem – überwiegend berufsbegleitendem – Jurastudium sei die Auskunft gewesen, diese interessante Sache mache nicht mehr der Rechtspfleger, sondern der Richter oder Staatsanwalt. „Ich habe mir dann gesagt“, erzählt Reuter, „das kann ich auch.“ Seine Schlussfolgerung: „Also habe ich mich in die Aufgaben eingearbeitet.“

Sicherlich: Dies ist eine Selbstverständlichkeit für jede Führungskraft. Reuter allerdings, der zeitweise einen Lehrauftrag hatte, ist wirklich schnell. Wenn er am gestrigen Tag in das Statement zu seiner Wahl hineinschreiben ließ: „Vor uns liegen anspruchsvolle Jahre voller Veränderungen“, so ist dies auch als Ankündigung zu verstehen. Reuter wird angesichts dieses Veränderungsdrucks sofort loslegen, selbst 100-Tage-Schonfristen braucht er nicht.

Die drei Ziele

Dies zeigte sich in der Art und Weise, wie er 2021 seine Aufgaben in Bayern anpackte. Wenige Wochen nach Amtsantritt stand er in dem langen Börsen-Zeitung-Interview Rede und Antwort, ohne kaum einen Blick in seine Unterlagen zu benötigen. Seine Tätigkeiten in der Kanzlei Gleiss und Partner (1991 bis 1993) und vor allem in der Deutschen Bank (1993 bis 2001) sichern, dass der verheiratete Vater zweier Kinder auch bei Themen der gesamten Finanzwirtschaft auskunftsfähig ist.

Welche Herausforderungen sieht Reuter für die Sparkassen? Vor seinem Antritt in Berlin wird Reuter sich bedeckt halten, schließlich ist Helmut Schleweis in Amt und Würden. „Wir haben beim DSGV einen amtierenden Präsidenten, der die laufenden Themen und Geschäfte sehr gut gestaltet“, wehrte er entsprechend Fragen auf der Jahrespressekonferenz des Sparkassenverbands Bayern in der vergangenen Woche ab.

Als Antwort nach den Herausforderungen findet sich in dem Statement zur Wahl aber ein Hinweis: „Ich möchte mit meiner Arbeit dazu beitragen, unsere erfolgreiche Gruppe weiter nachhaltig, zukunftsfähig und schlagkräftig zu positionieren.“

Wer nur die Schlagworte liest, der übersieht, dass Worte im Fall von Reuter stets einen Hintergrund haben. Das Trio nachhaltig-zukunftsfähig-schlagkräftig illustriert dies beispielhaft, wie seine Einschätzung auf der Pressekonferenz vor wenigen Tagen zeigt – denn dort füllte er die Schlagworte schon mit etwas Inhalt.

„Die Herausforderungen der Sparkassen insgesamt liegen auf der Hand“, so seine Feststellung. „Wir müssen uns in die Lage versetzen, die ökologisch-soziale Transformation so zu begleiten, wie es unserem Marktanteil entspricht.“ Dies sei ein entscheidender Punkt für die gesamte Sparkassen-Finanzgruppe.

Seine Position zum Schlagwort Zukunftsfähigkeit: „Wir sehen auch, dass sich das Kundenverhalten weiter verändert, zum Teil sprunghaft.“ Dies sei abzulesen daran, wie die Kunden die Sparkassen digital nutzten: „Hier werden wir natürlich auf der Höhe der Zeit bleiben müssen.“ Es ist davon auszugehen, dass er damit nicht nur die Digitalisierung des Kundenkontakts, sondern auch die internen Prozesse über die zentrale IT-Gesellschaft im Blick hat.

Die Schlagkräftigkeit – der abschließende Teil des Trios – gilt es laut Reuter auch vor Ort zu sichern: „Wir müssen natürlich die Sparkassen stabil und stark im Regionalmarkt halten.“

Der künftige DSGV-Präsident sagte allerdings nicht, wie er diese drei Ziele erreichen will. In Bayern aber hat er vorgemacht, was dazu gehört. 17 Monate nach seinem Amtsantritt verkündete er, worüber seine Vorgänger immer nur gesprochen hatten: Die LBS Bayern schließt sich mit der LBS Südwest zur größten öffentlich-rechtlichen Landesbausparkasse zusammen. Im Interview der Börsen-Zeitung im Februar vergangenen Jahres formulierte Reuter schon seine Marschlinie, die auch bundesweit gelten dürfte: „Alle Sparkassen wollen, dass sich die Zahl der Verbundunternehmen und Dienstleister stärker konzentriert und damit die Leistungsfähigkeit der Anbieter möglichst gesteigert wird.“

Realismus ist allerdings dabei in einer dezentralen Gruppe und mit den Bundesländern als Miteigentümern Trumpf. Ob er die Landesbanken fusionieren wolle, lautet die Frage auf der Jahrespressekonferenz in Bayern. „Auch Herr Schleweis betont ja immer wieder, dass es nicht in der Macht eines DSGV-Präsidenten liegt, Fusionen voranzutreiben, weil die Entscheidung auf der Eigentümerseite liegt“, so die Antwort von Reuter: „Dem ist eigentlich auch aktuell nichts hinzuzufügen.“

Nicht nur vor diesem Hintergrund müssen DSGV-Präsidenten einen möglichst kooperativen Führungsstil pflegen. Er sei ein Teamplayer, sagte Reuter schon Anfang 2021 zur Börsen-Zeitung: „Es geht ja darum, insgesamt die Gruppe voranzubringen.“ Dass er versteht, ein Netzwerk aufzubauen, hat er in den 18 Jahren als Landrat im Landkreis Aschaffenburg bis 2002 bewiesen. Das CSU-Mitglied erhielt zuletzt in der Kommunalwahl 70% der Stimmen.

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