Eine Reise, die es vielleicht wert war
Bundeskanzler Olaf Scholz ist an heimischer Front einer Menge Rechtfertigungszwängen für den „Antrittsbesuch“ in China unterlegen. Die erste Erklärung des Kanzlers nach dem Empfang durch Präsident Xi Jingping lautete denn auch: „Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin.“ In Peking sieht man es genauso. Deutschland gilt seit jeher als pars pro toto für die Beziehung zum EU-Block.
Seit dem Ukraine-Krieg und wesentlicher Eskalation der Spannungen mit der amerikanischen Regierung in Washington klammert sich Peking an das Narrativ, dass die Gegnerschaft zu den USA nichts an der „pragmatischen“ Wirtschaftskooperation mit Europa geändert hat. Das erfordert gerade in Zeiten heimischer Konjunkturprobleme vorzeigbare „Beweise“, dass Peking den Draht zu Europa nicht verloren hat und Investoren bei der Stange hält. Niemand eignet sich dazu besser als ein pragmatischer deutscher Kanzler samt seiner Wirtschaftsdelegation.
Hat sich die Reise damit aber auch aus deutscher und europäischer Sicht gelohnt? Drei Dinge stechen ins Auge. Scholz hat das Thema Ukraine eindringlicher zur Sprache gebracht, als das manche vermutet hätten, und damit einen Teilerfolg geerntet. Xi hat sich mit Äußerungen zur Ablehnung von nuklearen Drohgesten eine deutlichere Mahnung an die Adresse Russlands geleistet als je zuvor.
Was das ewige Reizthema der Behandlung ausländischer Firmen in China angeht, wagt sich Scholz mit der Bemerkung vor, dass sich als Ergebnis seiner Gespräche einige Probleme deutscher Firmen in China lösen werden. Nun, die geforderte Gleichbehandlung mit heimischen Firmen wird es wohl nie geben. Es gibt aber Unterschiede in der Behandlung je nach Herkunft. Mit dem Narrativ, dass deutsche Unternehmen weiter zu den „Guten“ in China gehören, punktet man nicht nur bei Behörden, sondern auch beim Verbraucher. Volkswagen und Adidas werden das zu schätzen wissen.
Bleibt noch Biontech und dessen Corona-Impfstoff, dem bislang aus politischen Gründen die Einreise nach China verwehrt ist. Nun soll eine erste Verabreichung an Ausländer in China gestattet sein. Man kann gar darauf hoffen, dass dies letztlich den Weg für eine Massenzulassung eines ausländischen Vakzins in China ebnet. Das wiederum könnte der Staatsführung einen graduellen und gesichtswahrenden Ausstieg aus der konjunkturell verheerenden Corona-Nulltoleranzpolitik erlauben. Vielleicht hat die Scholz-Reise nicht nur Biontech, sondern am Ende gar noch der Weltwirtschaft einen unschätzbaren Dienst erwiesen.