Sanktionen gegen Russland

Experten begrüßen ausgeweitetes Ölembargo

Ab sofort dürfen Importeure in der EU Diesel, Benzin, Heizöl und Schmierstoffe nicht mehr aus Russland beziehen. Auf dem Weltmarkt greifen Preisdeckel. Wird es an der Zapfsäule nun teurer?

Experten begrüßen ausgeweitetes Ölembargo

rec Brüssel

Das auf Diesel und andere Raffinerieprodukte ausgeweitete Ölembargo von Europäischer Union und G7-Staaten gegen Russland trifft unter Experten auf positive Resonanz. Zwar gibt es vereinzelt Sorgen, dass die Preise an hiesigen Zapfsäulen etwas steigen könnten. In erster Linie begrüßen Fachleute den Schritt aber als wirksame Sanktion. Weil Finanzsanktionen im Falle Russlands begrenzte Wirkung hätten, bleibe nur, Russlands Exporte zu beschneiden. „Die Preisobergrenze bewirkt dies“, sagt Robin Brooks, Chefvolkswirt des Bankverbands IIF.

Ab sofort dürfen Unternehmen aus der EU keine verarbeiteten Ölprodukte wie Diesel und Heizöl oder Schmierstoffe mehr von Russland beziehen. Für Schiffsladungen, die bereits auf dem Weg in die EU sind, gilt eine Übergangsfrist von 55 Tagen. Außerdem müssen sich Reeder und Versicherer aus der EU an Preisdeckel halten, wenn sie sich an Ölgeschäften Russlands mit anderen Ländern beteiligen: 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) für verarbeitete Ölprodukte wie Diesel und 45 Dollar pro Barrel für günstigere Erzeugnisse wie Heizöl. Darauf haben sich die EU-Staaten auf den letzten Drücker geeinigt und kommen damit einem gemeinsamen Vorschlag von EU-Kommission und G7-Staaten nach.

An den Märkten ist die Ausweitung der Sanktionen gegen Russland zunächst kaum ins Gewicht gefallen. Ein Embargo für Rohöl seitens der Europäischen Union und anderer großer Industriestaaten (G7) gilt bereits seit zwei Monaten. Die nunmehr beschlossene Ausweitung auf weiterverarbeitete Ölprodukte ist ebenfalls seit Wochen angekündigt. Auf die Einzelheiten mussten sich die EU-Staaten allerdings noch einigen und diese einstimmig beschließen.

Die Konsenssuche der EU-Diplomaten in Brüssel gestaltete sich schwierig. Denn im Ölgeschäft treffen gegensätzliche Interessen aufeinander. Eine Gruppe mittelosteuropäischer Staaten um Polen bevorzugt niedrigere Preisgrenzen, um Russlands Erlöse aus Ölexperten stärker zu schmälern. Dagegen bremsten Länder wie Griechenland, weil dort ansässige Reedereien lukrative Geschäfte mit dem Transport russischen Öls machen.

Eine der zentralen Fragen ist nun, wie stark die Preise für Diesel unter Druck geraten. Ökonomen weisen darauf hin, dass europäische Unternehmen Diesel von nun an aus weiter entfernt gelegenen Orten beziehen müssen. Beispiele sind die USA, Saudi-Arabien und Indien. Das zieht den Transport in die Länge. Außerdem drohen gewisse Engpässe: Es gibt Zweifel, dass Exporteure aus diesen Regionen den Bedarf in der EU decken können. Zudem droht Konkurrenz mit anderen Abnehmern aus diesen Ländern die Preise zu treiben.

Dennoch gelten Preissprünge als unwahrscheinlich, was die gelassene Marktreaktion zu bestätigen scheint. Ölimporteure hatten wochenlang Zeit zur Vorbereitung. An großen Häfen wie Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam seien „regelrechte Hamsterkäufe“ zu beobachten gewesen, schildert der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. „Die Diesellager sind voll bis zum Anschlag. Das wird die Preisanstiege begrenzen.“ Der Energieexperte Simone Tagliapietra vom Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel erwartet nach bisherigen Erfahrungen mit dem Teilembargo auf Öl zudem, dass Russland verbleibenden Abnehmern wie China und Indien erhebliche Rabatte gewähren muss, um seine Ölprodukte loszuwerden. Für IIF-Chefvolkswirt Brooks hält der Westen in Sachen Ölsanktionen „alle Trümpfe in der Hand“.

Wertberichtigt Seite 2

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.