Währungsunion

EZB plädiert für mehr Risikoteilung

Die Architektur der Eurozone steht auf dem Prüfstand. Die EZB befeuert die Diskussion nun mit einer Analyse und Plädoyers. Vor allem in Deutschland dürften die Vorschläge nicht jedem gefallen.

EZB plädiert für mehr Risikoteilung

ms Frankfurt

Die Euro-Währungsunion braucht eine größere Risikoteilung über Ländergrenzen hinweg, um mit Krisen besser fertigzuwerden – und das nicht nur über die privaten Kapitalmärkte, sondern auch durch fiskalische Vorkehrungen wie beim EU-Wiederaufbaufonds NGEU. Dafür plädiert die Europäische Zentralbank (EZB) in einem am Dienstag vorab veröffentlichten Aufsatz aus ihrem neuen Wirtschaftsbericht. Sie spricht sich darin auch für eine zentrale Euro-Fiskalkapazität aus.

Die EZB befeuert damit die Debatte über die künftige Architektur in der Eurozone, und vor allem in Deutschland dürften die Vorschläge nicht jedem gefallen. Die Architektur steht nach den Erfahrungen der Krisen in den vergangenen Jahren grundsätzlich auf dem Prüfstand. Am Mittwoch beispielsweise will die EU-Kommission­ neue Vorschläge zu den EU-Fiskalregeln machen. Zudem hat wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs und speziell der Energiekrise eine Debatte über neue EU-Geldtöpfe eingesetzt. In Deutschland wird das bislang verbreitet abgelehnt.

Die EZB hat sich bereits in der Vergangenheit für mehr Risikoteilung in der Eurozone ausgesprochen, dabei aber oft stark auf jene über die Finanz- und Kapitalmärkte abgezielt. Auch die Forderung nach einer Euro-Fiskalkapazität ist nicht ganz neu, aber im aktuellen Kontext ist sie dennoch bemerkenswert. Eine stärker gemeinsame Fiskalpolitik würde nach verbreiteter Einschätzung auch der EZB ihre Aufgabe erleichtern, für Preisstabilität zu sorgen.

Schocks besser absorbieren

In ihrer Analyse untersucht die EZB nun für verschiedene Währungsräume die Fähigkeit, länderspezifische Schocks zu absorbieren, indem sie sich auf den Kapitalmärkten da­gegen absichern oder diese durch Kredit- oder Finanztransfers abfedern. Im Wesentlichen kommt sie da­bei zu zwei Ergebnissen: Erstens ist die Risikoteilung („risk sharing“) in älteren, entwickelten Währungsräumen wie etwa den USA ausgeprägter als in der noch recht jungen Euro-Währungsunion. Zweitens er­folgt die Risikoteilung hauptsächlich über den Kapital- und Kreditkanal, weniger über den fiskalischen Kanal.

Für die Eurozone schlussfolgert die EZB, dass die Risikoteilung früher eher gering gewesen sei, etwa in der Weltfinanzkrise, dass sie aber zuletzt zugenommen habe. Das liege insbesondere an der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF – Recovery and Resilience Facility) als Teil des EU-Corona-Wiederaufbaufonds. „Aus normativer Sicht sprechen diese Ergebnisse für eine Art gemeinsamen öffentlichen Risikoteilungsmechanismus im Euroraum“, so die EZB. Dafür brauche es aber – für „das richtige Gleichgewicht“ – zugleich „starke Risikominderungsinstrumente“ wie etwa eine glaubwürdige Durchsetzung der Haushaltsregeln. Die EZB fordert nun erhebliche Fortschritte bei der EU-Banken- und Kapitalmarktunion und Schritte hin zu einer Fiskalunion. Das werde zu „Wohlfahrtsgewinnen“ führen.

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