IPO

Frostiger Börsen­empfang für Ionos

Ionos ist der erste große Börsengang in Deutschland seit dem Debüt der Porsche AG im September. Sorgen der Investoren über die Wirtschaftsentwicklung haben den IPO-Markt ohnehin gebremst. Jetzt wird der Handelsstart der Webhostingfirma zum Flop, der die nächsten Börsenkandidaten entmutigt.

Frostiger Börsen­empfang für Ionos

Weltweit ist die Zahl der Börsengänge im vergangenen Jahr um fast die Hälfte zurückgegangen. Von Ionos – dem ersten Unternehmen, das in diesem Jahr in Europa an die Börse gegangen ist – wurde deshalb die Funktion eines Eisbrechers erwartet. Doch nachdem die Aktie am untersten Ende der Preisspanne zu 18,50 Euro zugeteilt wurde, ist nun am ersten Handelstag ein erster Kurs von 18,40 Euro unter dem Ausgabepreis festgestellt worden. Die Aktie beendete den Tag mit einem Schlusskurs von 17,54 Euro.

„Die Kursentwicklung ist heute ein wenig rätselhaft“, sagte Patrick Basiewicz, Analyst beim Broker Finncap, der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Preisgestaltung bei dem IPO sei so gewählt worden, dass es keine Probleme geben sollte. „Wenn die Aktie am ersten Tag nicht ordentlich zulegen kann, haben andere IPOs Probleme.“

Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die nächsten Börsenkandidaten wie der Tankkartenanbieter DKV Mobility, an dem der Finanzinvestor CVC beteiligt ist, sowie die Spezialglasfirma Schott Pharma aus Mainz oder die Stellenbörse Stepstone des Springer-Konzerns, der dem Private-Equity-Riesen KKR gehört, von dem beispielhaften Flop des Ionos-Debüts abgeschreckt werden.

Technologieunternehmen wurden ohnehin schon von zunehmend vorsichtigen Investoren besonders hart getroffen, die die Kurse und Bewertungen nach unten schickten, was eine Welle von Kostensenkungen und Stellenstreichungen auslöst. Doch konnten die Aktien der börsennotierten Ionos-Konkurrenten Godaddy und Squarespace in diesem Jahr um 12% bzw. 3,3% zulegen.

Vielleicht trug zu dem Flop von Ionos die Tatsache bei, dass der Börsengang der Firma selbst kein Geld einbringt: Der Mutterkonzern United Internet sammelt mit dem Ionos-IPO fast 292 Mill. Euro ein, der Finanzinvestor Warburg Pincus rund 97 Mill. Euro. Ionos jedoch fließen aus der Platzierung keinerlei Mittel für das geplante Wachstum zu.

Die Ionos-Erstnotiz ist nicht nur der erste Börsengang in Deutschland im laufenden Jahr. Laut Unternehmensberatung EY ist das IPO mit einem Emissionsvolumen von 447 Mill. Euro (480 Mill. Dollar) zugleich weltweit der größte Börsengang des noch jungen Jahres 2023.

Weltweit habe das IPO-Jahr 2023 relativ schwach begonnen: Bei 77 Börsengängen wurden im Januar insgesamt 2,55 Mrd. Dollar erlöst. Zum Vergleich: Im Januar 2022 – also vor dem Beginn des Ukraine-Krieges – spielten 98 Börsengänge insgesamt 31,9 Mrd. Dollar ein. Die Zahl der Börsengänge sank also gegenüber dem Vorjahresmonat um 21%, das Emissionsvolumen um 92%.

Laut Martin Steinbach, EY-Partner und Leiter des Bereichs IPO, hat sich 2022 „die IPO-Pipeline weiter aufgebaut“. „Einige der IPO-Kandidaten, die 2022 aufgrund des schlechten Marktumfelds nicht zum Zuge kamen, warten auf den richtigen Moment“, sagte Steinbach. „Zuletzt haben sich die Rahmenbedingungen verbessert: Die Volatilität ist seit Oktober kontinuierlich gesunken, zugleich haben sich die Aktienmärkte nach dem Tiefpunkt im Oktober positiv entwickelt, so dass auch wieder höhere Bewertungen in Reichweite scheinen. Das IPO-Fenster hat sich ein Stück weit geöffnet.“

Tatsächlich liegt der Volatilitätsindex Vix, das „Angstbarometer“, bei 19 – das Unterschreiten der Marke von 20 wird als Basis für IPOs angesehen. Doch die hohe Inflation, steigende Zinsen und der Ukraine-Krieg belasteten, so Steinbach, so dass IPOs keinesfalls Selbstläufer seien: „Angesichts der knapper werdenden Marktliquidität sind die Anleger selektiver und bevorzugen Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, die profitabel wirtschaften.“ Generell hätten die vergangenen Jahre gezeigt, dass sich IPO-Fenster sehr rasch öffnen und auch wieder schließen können.

Steinbach ist zuversichtlich, dass die Zahl der Börsengänge 2023 deutlich über dem Vorjahr liegt: Es seien „in Deutschland durchaus bis zu zehn Börsengänge möglich – darunter auch einige mit Milliardenbewertungen“. Grundsätzlich bestehe in Deutschland – bezogen auf die Größe der Volkswirtschaft – ein Potenzial von bis zu 30 Börsengängen. Somit bleibe „viel Luft nach oben“.

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