Healthineers schüttelt Philips-Malus ab
mic Erlangen
„Im Geschäftsjahr 2023 wollen wir da weitermachen, wo wir 2022 aufgehört haben“, sagte Siemens-Healthineers-Chef Bernd Montag mit Blick auf das vierte Quartal, das er als exzellent bezeichnete. Die zwei Mal angehobenen Prognosen wurden im Geschäftsjahr 2021/2022 erreicht. Man schlage daher eine um 0,10 Euro auf 0,95 Euro erhöhte Dividende vor, sagte Montag auf der Bilanzpressekonferenz in Erlangen. Damit wird 52% des Nettogewinns ausgeschüttet.
Das Wachstum des bereinigten Umsatzes ohne Schnelltest-Erlöse im laufenden Geschäftsjahr prognostizierte Finanzvorstand Jochen Schmitz auf 6 bis 8% nach 3,8% im vorherigen Turnus. Der Service wachse um mehr als 6%, zudem sei der Auftragsbestand im Geräte-Geschäft rekordhoch. Das bereinigte Ergebnis pro Aktie, das im vorherigen Geschäftsjahr ohne Schnelltest-Umsätze auf dem Niveau von rund 1,74 Euro je Aktie nahezu stagniert hatte, werde um 13 bis 24% zulegen.
Allerdings peilt das Management inklusive des hochprofitablen Schnelltest-Geschäfts und damit in absoluten Zahlen maximal eine Stagnation an. Die Erlöse sollen sich in der Bandbreite von –1% und +1% bewegen nach einem Plus von 5,9% auf 21,7 Mrd. Euro im Vorjahr. Das Ergebnis pro Aktie inklusive Schnelltest-Geschäft, bereinigt beispielsweise um Kaufpreiseffekte, sinkt voraussichtlich. Der Vorstand prognostiziert 2,00 bis 2,20 Euro pro Aktie nach 2,29 Euro (davon 0,55 Euro infolge der Schnelltests). Der Schnelltest-Umsatz wird der Prognose zufolge von 1,5 Mrd. Euro auf 0,1 Mrd. Euro zurückgehen.
Die Investoren bewerteten jedoch den Optimismus jenseits der Test-Umsätze positiv. In den vergangenen Wochen hatte die Bewertung der Medizintechnik-Branche darunter gelitten, dass Wettbewerber Philips anlässlich seines Milliardenverlustes eine negative Marktsicht vermittelt hatte. Die Healthineers-Aktie beendete den Xetra-Handel am Mittwoch als Dax-Tagessieger mit einem Kursplus von 3,9% auf 48,83 Euro.
Labortechnik wird umgebaut
Die Anleger ließen sich nicht irritieren von der Ankündigung, dass die Diagnostik-Sparte umgebaut wird. Dies soll 350 bis 450 Mill. Euro bis zum Jahr 2025 kosten und die Kosten vom Jahr 2025 an um rund 300 Mill. Euro jährlich senken. Montag verwies darauf, dass das Labor-Geschäft durch Zukäufe entstanden sei und es daher ein im Wettbewerbsvergleich sehr komplexes Portfolio aufweise. Neben dem aktuellen Atellica-System gibt es fünf alte Plattformen. Man werde die Zahl um mehr als die Hälfte verringern sowie Standorte und Stellen streichen, sagte Montag. Details nannte er nicht. Das Ziel: „Wir werden den Übergang zu einem reinen Atellica-Geschäft durch diese Maßnahmen beschleunigen.“
Montag räumte ein, dass Atellica langsamer als ursprünglich geplant vorankommt. Das Modell CI1900 für kleinere Labore werde im kommenden Kalenderjahr flächendeckend eingeführt. Ursprünglich war dies Ende 2021 geplant.
Auch die seit mehr als vier Jahren vertriebenen Großgeräte namens Atellica Solution werden langsamer als ursprünglich geplant ausgerollt. Ende September 2022 seien mehr als 6000 Einheiten installiert gewesen, erklärte das Unternehmen auf Nachfrage, ohne eine exakte Zahl zu nennen. Zwölf Monate zuvor seien es 5000 Geräte gewesen (siehe Grafik). Vor zwölf Monaten hatte das Unternehmen die Zahl der im September 2021 ausgelieferten – aber eben teils noch nicht installierten – Geräte mit mehr als 6000 angegeben (vgl. BZ vom 18.11.2021).
Der Diagnostik-Marktanteil, der beim IPO 15% betragen hatte, wurde zuletzt mit 14% angegeben. Siemens Healthineers senkte die Spartenziele bis zum Jahr 2025. Das Wachstum soll 3 bis 5% statt 4 bis 6% betragen. Die bereinigte Ebit-Marge wird, statt im prozentual mittleren Zehnerbereich zu landen, 8 bis 12% betragen. Die ursprünglichen Ziele sollten später erreicht werden, sagte Montag.
Die Synergie der Diagnostik-Sparte mit den übrigen Portfolio-Elementen sei nicht so groß wie unter anderen Healthineers-Sparten, sagte Montag. Dies sei aber kein neues Thema und kein Grund, neue Fragen aufzuwerfen – also, so der implizite Hinweis, aktuell über Portfolioveränderungen nachzudenken. Die erste Bürgerpflicht sei, das Geschäft zu der Profitabilität zu führen, die in ihm stecke.
Eine Neuaufstellung kündigte Montag auch für den früheren Zukauf Corindus an. Es solle sich stärker auf die Neurologie einstellen.
Schmitz erklärte, statt des traditionellen Preisverfalls von rund 2% komme es seit einem guten halben Jahr zu Preiserhöhungen. Die entsprechenden Aufträge führten erst innerhalb von drei bis 18 Monaten zu Umsätzen, so dass sich die Margen im laufenden Geschäftsjahr sequenziell verbessern würden.
In den Prognosen 2022/2023 für die Sparten spiegelt sich die Spaltung des Geschäfts. Während die ökonomischen Ergebnisse der Labordiagnostik einbrechen, wird den übrigen drei Sparten eine höhere bereinigte operative Marge (Ebit) bei zunehmender Erlösdynamik zugetraut.
Das Segment Imaging soll auf vergleichbarer Basis um 7 bis 9% (2021/2022: 5,8%) zulegen bei einem Anstieg der operativen Marge um 0,5 bis 2 Prozentpunkte auf 21 bis 22,5%. Die zugekauften Strahlentherapie-Spezialisten von Varian werden dem Management zufolge die Margen auf 16 bis 18% schrauben ausgehend von 13,1%. Der vergleichbare Varian-Umsatz soll um 9 bis 12% zulegen nach 6,5%. Produktionsrückstände im Vorjahr sollten aufgeholt werden, sagte Schmitz. Advanced Therapies wird um 6 bis 9% wachsen (2021/2022: 5,7%). Die bereinigte Ebit-Marge soll sich von 12,5% auf 13 bis 15% erhöhen.
Die Labordiagnostik kalkuliert mit einem Umsatzeinbruch von 19 bis 21% (2021/2022: +6,6%). Exklusive der Schnelltest-Erlöse beträgt das Plus 2022/2023 voraussichtlich 3 bis 5%. Die bereinigte operative Ebit-Marge soll in der laufenden Periode voraussichtlich bei 0 bis 3% landen (2021/2022: 15,4%). Im Kerngeschäft werden weitgehend unverändert 2 bis 4% erwartet. 150 bis 200 Mill. Euro der geplanten Umbaukosten bis 2025 von 350 bis 450 Mill. Euro sollen schon im laufenden Geschäftsjahr verbucht werden. Davon entfielen 100 bis 150 Mill. Euro auf die prognostizierte Marge, weitere 50 Mill. Euro würden bereinigt, sagte Schmitz.
Wertberichtigt Seite 2
Siemens Healthineers | ||
Konzernzahlen nach IFRS 1 | ||
in Mill. Euro | 2021/22 | 2020/21 |
Umsatz | 21 714 | 17 997 |
Forschung und Entwicklungskosten | 1785 | 1 546 |
Vertrieb/Verwaltung | 3408 | 2817 |
Ebit2 | 3 655 | 3 142 |
Bildgebung | 2 254 | 2 076 |
Labordiagnostik | 933 | 721 |
Varian | 402 | 221 |
Neuartige Therapien | 240 | 254 |
Finanzergebnis | −127 | −170 |
Ertragsteuern | 746 | 658 |
Jahresüberschuss | 2 054 | 1 746 |
Ergebnis je Aktie (Euro) | 1,81 | 1,57 |
Freier Cashflow | 1 652 | 2 259 |
Eigenkapital | 19 836 | 16 321 |
Beschäftigtenzahl | 69 500 | 66 100 |
1) Geschäftsjahr endet am 30. September;2) bereinigt Börsen-Zeitung |