Melonis Kabinett aus konservativen älteren Herren
Von Gerhard Bläske, Mailand
Eine so schnelle Regierungsbildung hat es in Italiens Nachkriegsgeschichte selten gegeben. Obwohl die neue Regierungsmannschaft unter Premierministerin Giorgia Meloni stark reaktionäre Züge trägt, ging alles glatt.
2018 hatte Staatspräsident Sergio Mattarella den als Wirtschafts- und Finanzminister vorgesehenen europafeindlichen Paolo Savona abgelehnt. Mit Giancarlo Giorgetti (55) auf diesem Posten hat Mattarella keine Probleme. Die Nummer 2 der Lega war in der Regierung Draghi Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Er verfügt über großen wirtschaftlichen Sachverstand und wird von seinem Vorgänger Daniele Franco als „perfektest geeignet“ für den Posten bezeichnet. Er teile mit Giorgetti die Auffassung, dass Italiens Wirtschaft vor allem vom produzierenden Sektor abhänge, sagte Franco.
Giorgetti, Sohn eines Fischers und einer Arbeiterin, hat an der Mailänder Universität Bocconi Wirtschaft studiert und steht für eine gewisse Kontinuität. Dies ist angesichts der Herausforderungen wie dem neuen Haushalt, der hohen Verschuldung und geplanter neuer Hilfsprogramme für Unternehmen und Haushalte von großer Bedeutung. Doch der Steuerfachmann und Rechnungsprüfer aus Lazzago Brabbia in der norditalienischen Provinz Varese ist stets loyal zu seinem Parteichef Salvini gestanden und fordert wie dieser eine laxere Haushaltspolitik. Er vertritt teilweise protektionistische Positionen und spricht sich gegen das Ende des Verbrennermotors 2035 aus, weil dies das Ende der italienischen Autoindustrie bedeuten würde.
Ein kluger Schachzug Melonis war es, den parteilosen bisherigen Minister für den ökologischen Umbau, Roberto Cingolani (60), als Berater in die Regierung zu holen. Er ist unentgeltlich für die Regierung tätig. Cingolani ist ein anerkannter Physiker, der von 1989 bis 1991 am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung arbeitete und über viele Jahre das Genueser Forschungsinstitut Istituto Italiano di Tecnologia leitete.
Nur sechs der 24 Kabinettsmitglieder sind weiblich. Die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia stellt neun Minister. Alle klassischen Ressorts wie Außen, Innen, Verteidigung, Justiz oder Landwirtschaft, sind männlich besetzt. Das Landwirtschaftsministerium, das nun den Zusatz „Ministerium für Ernährungssouveränität“ trägt, was angesichts der europäisch geprägten Agrarpolitik eigentümlich klingt, erhielt Melonis Schwager Francesco Lollobrigida. Er steht der Premierministerin sehr nah und ist Großneffe der Schauspielerin Gina Lollobrigida.
Giorgettis Nachfolger als „Minister für wirtschaftliche Entwicklung und des Made in Italy“ (!) ist mit Adolfo Urso (65) ebenfalls ein langjähriger Meloni-Vertrauter. Der Ex-Neofaschist und Ex-Journalist war unter Berlusconi Vizeminister im gleichen Haus und zuletzt Präsident der für die Kontrolle der Geheimdienste verantwortlichen Parlamentskommission Copasir. Der Soziologe hat sich wiederholt gegen einen zu starken Einfluss ausländischer Unternehmen in Italiens Wirtschaft ausgesprochen.