China

Politische Testpflicht

Die EU habe mit Empfehlungen für eine Testpflicht für Reisende aus China eine gemeinsame Antwort gefunden, behauptet Gesundheitsminister Lauterbach. Das ist allenfalls nur die halbe Wahrheit.

Politische Testpflicht

Nun also doch: Nach tagelangem Zögern verhängt die Bundesregierung eine Testpflicht für Reisende aus China. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gibt sich erleichtert: Europa habe eine gemeinsame Antwort auf die Pandemie-Lage in China gefunden. Das ist allenfalls die halbe Wahrheit.

Es stimmt schon: Der Krisenstab der EU hat mit seinen Empfehlungen für eine Testpflicht und andere Maßnahmen zum Seuchenschutz im Flugverkehr ein Signal der Geschlossenheit gesendet. Grundsätzlich ist das ein guter und richtiger Schritt der Prävention – schon weil auf China im Kampf gegen die Pandemie kein Verlass mehr ist. Ob und wie die EU-Staaten diese Empfehlungen umsetzen, liegt allerdings in den Händen jeder nationalen Regierung. Hier wird es mit der Einigkeit, so der Eindruck aus den Beratungen in Brüssel, schnell wieder vorbei sein.

Virologen haben immer wieder auf das latente Risiko hingewiesen, das Coronavirus könnte gefährlich mutieren und die Pandemie verschlimmern. Reisende aus China, so eine verbreitete Befürchtung, könnten eine ge­fährliche Mutation des Coronavirus einschleppen, was überwunden geglaubte Gegenmaßnahmen zum Schaden der Wirtschaft nötig machen würde. Dieses Risiko ist nach Lage der Dinge überschaubar: Weder die Weltgesundheitsorganisation WHO noch die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC finden Anhaltspunkte dafür. Nur ziehen sie daraus unterschiedliche Schlüsse: Die ECDC hält eine Testpflicht für überzogen, die WHO bringt Verständnis auf. Auch andere Fachleute sind uneins. Ja, was denn nun?

Das eigentliche Problem liegt deshalb gar nicht so sehr in vermeintlichen Gesundheitsgefahren des Reiseverkehrs mit China. Es liegt in uneinheitlichem Vorgehen in Europa. Italien hat zu Beginn der Pandemie besonders tragische Erfahrungen mit dem Coronavirus gemacht, das mutmaßlich aus China eingeflogen war. Deshalb kann es nicht verwundern, dass die Regierung in Rom mit besonders drastischen Kontrollen vorgeprescht ist. Andere Länder sehen die Testpflicht vor Abflug in China dem Vernehmen nach gar nicht als notwendig an, weil es keine Direktflüge aus China gibt. Sie sehen das Problem vielmehr im Transit. Die Bundesregierung wiederum orientiert sich recht präzise an den Empfehlungen aus Brüssel.

Mal wieder droht ein Flickenteppich. Das ist eine berechtigte Sorge der Flugbranche. Europas Regierungen könnten diese Sorgen entkräften, indem sie nationale Befindlichkeiten hintanstellen und im Sinne einer höheren Sache an einem Strang ziehen. Zu Beginn der Pandemie horteten die einen Schutzausrüstung, während die anderen Grenzkontrollen im Binnenmarkt wieder hochzogen. Solche Egoismen und Alleingänge dürfen sich nicht wiederholen.

Deshalb sind Entscheidungen über eine Sonderbehandlung von Reisenden aus China sehr wohl hauptsächlich politischer Natur – aber in anderem Sinne, als die Regierung in Peking unterstellt: Nicht eine vermeintliche Stigmatisierung von Chinesen ist das Problem. Sondern Un­stimmigkeiten innerhalb Europas bis zu offener Zwietracht. Das macht ein abgestimmtes Vorgehen so wichtig. Nicht auf Empfehlungen kommt es dabei an, sondern auf die Umsetzung.

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