Rufe nach Konsequenzen aus Korruptionsskandal
ahe Brüssel
Die Korruptionsvorwürfe unter anderem gegen die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili haben europaweit Entsetzen und Rufe nach Konsequenzen ausgelöst. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola kündigte am Montag bei der Eröffnung der Plenarwoche in Straßburg ein Verfahren zur Amtsenthebung Kailis an. Die mutmaßliche Bestechung der Griechin bezeichnete Metsola als Angriff auf die europäische Demokratie. Das EU-Parlament stoppte zunächst eine Abstimmung über geplante Visaerleichterungen für Bürger von Katar. Dem Emirat wird die versuchte Einflussnahme vorgeworfen.
Belgische Ermittler hatten in den vergangenen Tagen 16 Häuser in Brüssel durchsucht und 600000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Vier Personen wurden nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft festgenommen – darunter die 44-jährige Kaili, die dem EU-Parlament seit 2014 angehört. Sie werden der Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie versuchter Einflussnahme aus dem Ausland – mutmaßlich Katar – verdächtigt. Ermittler durchsuchten am Montag auch Räume im EU-Parlament in Brüssel. Das teilte die belgische Staatsanwaltschaft mit. Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden.
Metsola kündigte an, die Zugangsberechtigungen zum EU-Parlament mit Blick auf eine Reform zu überprüfen. So sollen Treffen mit Vertretern von Nicht-EU-Staaten noch transparenter werden.
Ethikbehörde vorgeschlagen
Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund, Ko-Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe Anti-Korruption, betonte, es müsse verpflichtende Angaben von Treffen mit Interessenvertretern geben – egal ob diese mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft oder Drittstaaten stattgefunden hätten. „Der Einfluss von Lobbyisten auf die EU-Politik muss nachvollziehbar sein.“
Das EU-Parlament plant nun zunächst am Dienstag eine Plenardebatte über die Korruptionsvorwürfe und eine Entschließung.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte am Montag die Bildung eines Ethikrats zur Überwachung der EU-Institutionen ins Spiel. Die Korruptionsvorwürfe seien „sehr schwerwiegend“, sagte sie. Wichtig wären klare und gleiche Standards und Kontrollmechanismen für alle Brüsseler Institutionen. Nach Angaben von der Leyens wird nun auch aufseiten der Kommission das Transparenzregister genau geprüft. In dem Register sind alle Treffen von EU-Kommissaren mit Interessenvertretern festgehalten.
In Griechenland ließ die Anti-Geldwäsche-Behörde alle Vermögenswerte von Eva Kaili einfrieren. Gleiches gilt demnach für ihre Eltern, ihre Schwester sowie ihren Lebenspartner, der ebenfalls festgenommen wurde. Untersucht würden Konten, Immobilienbesitz, Unternehmensbeteiligungen und ähnliche Vermögenswerte, hieß es. Die griechischen Sozialdemokraten haben sie bereits aus der Partei ausgeschlossen.
Auch in der Bundesregierung sorgten die Korruptionsvorwürfe für scharfe Reaktionen. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem „unglaublichen Vorfall“, der jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden müsse „mit der vollen Härte des Gesetzes.“ In Berlin sagte ein Regierungssprecher, Bundeskanzler Olaf Scholz habe „die Berichte natürlich zur Kenntnis genommen mit dem erwartbaren Entsetzen, dass so etwas offenbar möglich“ sei.