Telekomfirmen öffnen sich der Cloud
Die Schwergewichte der Telekommunikationsbranche haben auf dem Mobile World Congress (MWC) den Aufbruch zu neuen Ufern verkündet, um aus der Rolle des Netzbetreibers herauszuwachsen und mehr an Innovationen im digitalen Ökosystem teilzuhaben. „Es ist nicht mehr ein Telefon-Netzwerk. Es ist ein dezentralisierter und verteilter Supercomputer“, gab Telefónica-Chef José María Álvarez-Pallete in seiner Keynote am ersten Tag der weltgrößten Mobilfunkmesse als Ziel aus. Eine Open Gateway genannte Plattform soll die Grundlage für einen einheitlichen Standard schaffen, der von Unternehmen und Entwicklern rund um die Welt genutzt werden kann, um neue digitale Produkte und Services zu schaffen. Álvarez-Pallete verglich das Projekt mit dem Meilenstein des Mobilfunkstandards GSM, der die Entstehung einer globalen Mobilfunkindustrie ermöglicht habe. Zu den Unterstützern des Projekts gehören Big Player aus Ost und West, darunter AT&T, China Mobile, Deutsche Telekom und Vodafone, insgesamt 21 Mitglieder des Telekomverbands GSMA, der die Mobilfunkmesse in Barcelona ausrichtet.
Álvarez-Pallete machte deutlich, dass eine direkte Verknüpfung von Telekommunikationsinfrastruktur mit der Cloud ein entscheidendes Schlüsselelement dazu ist. Damit begibt sich die Branche auf einen Drahtseilakt zwischen Konfrontation und Schulterschluss mit Big Tech. Microsoft-CEO Satya Nadella war aus den USA zugeschaltet, um die Unterstützung mit der Cloud-Plattform Azure zuzusichern. Thomas Kurian, CEO von Google Cloud, unterstrich ebenfalls die „zahlreichen Möglichkeiten“, die Google mit ihren Cloud-Angeboten habe, um den „Telekommunikationsfirmen zu helfen, effizienter zu werden oder ihre Kunden besser zu verstehen“. Er begrüßte Open Gateway ausdrücklich als Chance, die beiden, Telekomfirmen und Cloud-Anbietern, zugutekomme. Während die Telekomnetzbetreiber in wachsendem Maße auf die Leistungen der Hyperskaler zurückgreifen, liegen sie teilweise mit denselben Konzernen über Kreuz. Neben Álvarez-Pallete machte auch Orange-Chefin Christel Heydemann deutlich, dass die Telekomfirmen in Europa für die milliardenschweren Investitionen in Netzinfrastruktur einen Beitrag derjenigen fordern, die für die größte Datenlast auf den Netzen verantwortlich sind. Dazu gehören neben dem Video-Streaming-Pionier Netflix auch an vorderster Front die Google-Tochter Youtube, ebenso wie Amazon Prime oder Meta.
Heydemann zufolge haben die europäischen Telekomfirmen in den vergangenen zehn Jahren rund 600 Mrd. Euro in die Netze investiert, ohne diese Investitionen angemessen amortisieren zu können. Nur wenn alle Beteiligten einen „fairen Anteil“ an den Kosten tragen würden, könnten die Netze ohne öffentliche Gelder weiter ausgebaut werden, betonte die Managerin. EU-Kommissar Thierry Breton signalisierte Verständnis für die Forderung einer fairen Lastenteilung.