KOMMENTAR

1984

"Ich habe mir ,The Art of the Deal` durchgelesen", ließ Mark Fields, der CEO des US-Automobilherstellers Ford, kurz nach der Angelobung des neuen US-Präsidenten vor drei Wochen wissen. Mit der Lektüre des Bestsellers von Donald Trump aus dem Jahre...

1984

“Ich habe mir ,The Art of the Deal` durchgelesen”, ließ Mark Fields, der CEO des US-Automobilherstellers Ford, kurz nach der Angelobung des neuen US-Präsidenten vor drei Wochen wissen. Mit der Lektüre des Bestsellers von Donald Trump aus dem Jahre 1987 wolle er sein Verständnis dafür verbessern, welche Prinzipien die neue Regierung leiten. Immerhin redet Trump fast nur davon, im Sinne von “America First” bessere Deals für das Land und die “vergessenen Amerikaner” abzuschließen.In den Bestsellerlisten tauchte in den Tagen nach der Inauguration allerdings nicht “The Art of the Deal”, sondern ein anderer Titel erstaunlich weit oben auf. “1984”, die dystopische Zukunftsvision eines totalitären Staates von George Orwell aus dem Jahre 1949, gehört wieder zu den am meisten verkauften Büchern in den USA. Das ist nicht mehr als eine hübsche Anekdote, klar. Doch auch wenn man in der Kommentierung der politischen Geschehnisse in Amerika derzeit besonders vorsichtig sein muss, um den Lautstärkeregler nicht zu überdrehen, sei hier die Reihung der Lektüreempfehlungen eindeutig festgelegt: Erst “1984”, dann “The Art of the Deal”.Der Umgang mit dem Partner USA am Verhandlungstisch dürfte für Europa in Zukunft noch komplizierter werden, ein bisschen Verhandlungsgeschick kann da nicht schaden. Am Ende von Woche drei der Regierung Trump lässt sich allerdings kaum noch übersehen, dass mehr auf dem Spiel steht als Handelsbeziehungen oder die Mitgliedsbeiträge innerhalb der Nato. Die Freunde Amerikas sollten sich langsam Gedanken darüber machen, welche Unterstützung sie geben können, um die demokratischen Institutionen des Landes zu stabilisieren, das der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan einst als “strahlende Stadt auf einem Hügel” bezeichnete.Die Stadt mag immer noch auf einem Hügel liegen. Die Regierung vernebelt aber mit dem ständigen Geraune von unerhörten Terrorgefahren die Sicht, während sie mit der Abrissbirne gegen die Grundpfeiler der demokratischen Ordnung rauscht – ob nun aus Kalkül oder schierer Unbedarftheit. Bisher waren es die Medien, in den vergangenen Tagen sind es die Gerichte. Von “sogenannten Richtern” ist da die Rede, die nicht verstehen, “was jeder noch so schlechte High-School-Absolvent kapiert”. Dass nämlich nur der Präsident recht hat, weil nur der Präsident weiß, was gut ist für das Land. Wenn Trump etwa sagt, dass die Mordrate auf dem höchsten Stand seit 40 Jahren liegt, ist das deshalb nicht falsch. Es handelt sich eben um “alternative Fakten”, die ihren Beitrag leisten, die Nation wieder zu alter Größe zu führen. Zur Größe der frühen achtziger Jahre zum Beispiel.