VON DER IWF-FRÜHJAHRSTAGUNG

Absage an "alarmistisches Gerede"

Keine Untergangsstimmung bei IWF- und G 20-Treffen - Strukturreformen sollen es jetzt richten

Absage an "alarmistisches Gerede"

Von Mark Schrörs, zzt. WashingtonWas ist vor der IWF-Frühjahrstagung und dem G 20-Treffen in Washington nicht alles gewarnt und schwarzgemalt worden: Die Weltwirtschaft am Rande der Rezession, das Finanzsystem kurz vor der nächsten Mega-Finanzkrise – so lauteten nicht wenige Einschätzungen. Befeuert worden waren sie nicht zuletzt vom neuen Weltwirtschaftsausblick und dem neuen globalen Finanzstabilitätsbericht, die der Internationale Währungsfonds (IWF) traditionell vor den Sitzungen vorgelegt hatte – garniert mit der Forderung nach einer “sofortigen, proaktiven Antwort” der politischen Entscheidungsträger, und zwar global koordiniert.In Washington aber war dann von Untergangsstimmung wenig bis gar nichts zu spüren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte hernach, die G 20-Staaten seien sich einig gewesen, dass sie trotz der schwächelnden Weltwirtschaft das “alarmistische Gerede” nicht weiter schüren wollen. Es gebe Abwärtsrisiken und das Wachstum der Weltwirtschaft sei nur moderat. Die globale Wirtschaft lege aber weiter zu. Die logische Konsequenz: kein neues koordiniertes Maßnahmenpaket.Tatsächlich liegt das nun vom IWF prognostizierte Wachstum von 3,2 % in diesem und 3,5 % im nächsten Jahr zwar deutlich unter den Raten aus der Zeit vor der Weltfinanzkrise. Aber der Vergleich mit dieser Phase hinkt insofern, als das damalige Wachstum nicht nachhaltig war, weil es auf Verschuldung und Blasen an vielen Immobilienmärkten weltweit basierte. Die Bundesbank sieht denn auch die Abschwächung als “Korrektur” von Übertreibungen. Lage stabilisiertUnd natürlich gibt es aktuell zwar Gefahren wie die Flüchtlingskrise, die geopolitischen Krisenherde oder den Terror. Es gibt allerdings auch gegenläufige Entwicklungen wie die jüngste Stabilisierung an den internationalen Finanzmärkten. Auch die Lage in den Schwellenländern scheint ein wenig besser als zuletzt vielfach befürchtet. Die Gefahr, dass die Weltwirtschaft erneut in die Rezession abstürzt, scheint aktuell gering.Das heißt nicht, dass nun die Zeit für Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit ist. Auch das war in Washington nach den Sitzungen von IWF und G 20, die IWF-Chefin Christine Lagarde eine Art “kollektive Therapie” für den Umgang mit düsteren Perspektiven nannte, immer wieder zu hören. Es verändert aber die Perzeption, wie gegenzusteuern ist, damit es mit einem stärkeren, sichereren Wachstum weltweit klappt.Statt neuer Konjunkturpakete und geldpolitischen Lockerungen rückt das Thema Strukturreformen immer stärker in den Mittelpunkt, wie in deutschen Delegationskreisen mit großer Genugtuung beobachtet wurde. In seinem Weltwirtschaftsausblick hat der IWF diesem Thema eigens ein ganzes Kapitel gewidmet. Dahinter steckt die zunehmende Erkenntnis, dass die Geldpolitik an ihre Grenzen stößt und auch der Spielraum der Fiskalpolitik angesichts hoher Schuldenberge rund um die Welt eingeschränkt ist.Das Problem mit Strukturreformen ist aber bekanntermaßen, dass sich die “Erträge” meist erst langfristig zeigen – weswegen auf kurzfristige Wahlerfolge schielende Politiker den mitunter schmerzlichen Weg häufig meiden. Auch so erklärt sich der mangelnde Fortschritt bei den Brisbane-Zusagen. 2014 hatten die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer vereinbart, ausgehend vom weltwirtschaftlichen Wachstum Ende 2013 zusätzlich 2 % Wachstum im Zeitraum bis 2018 durch Reformmaßnahmen zu erzielen. Nach Einschätzung des IWF und der Industrieländerorganisation OECD wurden bislang Maßnahmen komplett implementiert, die gerade mal 0,8 % der avisierten 2 % erbringen. Die noch ausstehenden Reformmaßnahmen sind zum Teil mit erheblichen Implementierungsrisiken verbunden.Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Vítor Constâncio, nannte das unlängst ein “blamables Ergebnis”. Und auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann kritisierte in Washington, der Anteil der voll umgesetzten Reformen sei “verschwindend gering”.Warum nun alles ganz anders werden sollte, blieb aber auch in Washington unklar. Wohl auch deshalb sagte Weidmann, es könne einen die Sorge umtreiben, dass am Ende doch wieder das Heil “in kurzfristigen Stimuli” gesucht werde – also in der Fiskal- oder Geldpolitik. Währungskrieg vermeidenAuf jeden Fall keinen Ausweg wollen die Staaten in einem “Währungskrieg” oder in Handelsprotektionismus suchen. Diese Bekenntnisse untermauerten sie in Washington sowohl im IWF-Rahmen als auch im G 20-Kreis. Vor allem in Japan gibt es Unmut über die jüngste Stärke des Yen. Zudem nimmt vielerorts die Debatte über eine wirtschaftliche Abschottung gegenüber der Welt zu – nicht zuletzt im US-Vorwahlkampf.Im Kreis der G 20 übernimmt übrigens im kommenden Jahr Deutschland den Vorsitz – und hat damit großen Einfluss, die globale wirtschaftspolitische Agenda zu bestimmen.