ADB warnt vor übertriebenem Konjunkturpessimismus

China und Indien bleiben trotz Rückschlägen die Motoren des globalen Wachstums, betont die Asiatische Entwicklungsbank in ihrer neuen Prognose

ADB warnt vor übertriebenem Konjunkturpessimismus

eh Hongkong – Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) hat ihre Wachstumsprognose für die Schwellenländer der Region wegen der nur zögerlichen Erholung der Industrieländer und der stockenden Dynamik in China von 6 auf 5,8 % leicht nach unten korrigiert. Doch gleichzeitig warnt das Institut mit Blick auf die stabilen asiatischen Arbeitsmärkte und die wachsende Bedeutung des robusten Dienstleistungssektors vor einem übertriebenen Konjunkturpessimismus. Die infolge niedriger Rohstoffpreise fallende Teuerung verschaffe den asiatischen Notenbanken zudem erheblichen Freiraum in der Gestaltung ihrer Geldpolitik, wird argumentiert.All das hat auch weitreichende Bedeutung für andere Kontinente. “China und Indien bleiben auch 2015 die großen Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft”, betonte ADB-Chefökonom Shang-Jin Wei am Dienstag in Hongkong. Die Volksrepublik trägt 2015 schätzungsweise 33,6 % und Indien 15,3 % zum globalen Wachstum bei. Es folgen die USA mit 12,7 %, die Eurozone mit 5,5 %. Diese Aufteilung zeige, dass die Region als Ganzes immer weniger von Exporten und Sachinvestitionen abhängig sei. Das trifft insbesondere auf China zu, dessen Bruttoinlandsprodukt nach Schätzungen der ADB wegen der anhaltend schwachen Ausfuhren und rückläufigen Investitionstätigkeit im Industrie- und Immobiliensektor im laufenden Jahr um 6,8 % expandieren wird. “Das ist nach wie vor eine sehr respektable Zahl”, sagte Wei mit Blick auf manche ökonomischen Abgesänge.Im März ging das auch von der Schweiz und Deutschland mitgetragene Entwicklungsinstitut für die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft aber noch von einem Wachstum von 7,2 % aus. Die bremsenden Faktoren würden allerdings durch einen rasant expandierenden Dienstleistungssektor, einen wachsenden Arbeitsmarkt und abnehmende Immobilienleerstände zumindest teilweise kompensiert. Die seit Jahresmitte höhere Volatilität an Chinas Festlandbörsen sei keine direkte Gefahr für die Stabilität der Realwirtschaft, heißt es, da sie als Finanzierungsquelle von Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spiele.Die ADB hat ihre Wachstumsprognose für Indien von 7,8 auf 7,3 % nach unten korrigiert. Deutlich an Tempo gewonnen haben in den vergangenen Monaten hingegen die Volkswirtschaften Vietnams und Bangladeschs. Sie sind dank ihrer günstigen Demografie, der flexiblen Arbeitsmärkte und vor allem auch der sich verbessernden makroökonomischen Eckdaten Nutznießer des strukturellen Anpassungsprozesses, den weiter entwickelte asiatische Schwellenländer gegenwärtig durchlaufen. Während die ADB im Frühjahr für Vietnam für das laufende Jahr noch von einem Wachstum von 6,1% ausging, hat sie ihre Prognose jetzt auf 6,5 % nach oben korrigiert.Die ADB ruft in ihrer aktualisierten Wachstumsprognose die asiatischen Schwellenländer zu beschleunigten Reformen etwa des Arbeitsmarktes auf. So seien Frauen in vielen der regionalen Volkswirtschaften nach wie vor nur schlecht integriert. Erfahrungen in anderen Regionen hätten gezeigt, dass eine höhere Erwerbsbeteiligung weiblicher Arbeitskräfte das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen um bis zu 30 % anheben könne. Daraus ergebe sich mittelfristig ein enormes Wachstumspotenzial.Die weltweit volatilen Kapitalflüsse stellen die asiatischen Schwellenländer nach Meinung der ADB zumindest kurzfristig vor Herausforderungen. Wei weist dabei vor allem auf die Kapitalabflüsse aus der Region hin. Sie hätten wegen der sich abzeichnenden geldpolitischen Wende in den USA seit dem zweiten Quartal 2014 die bisherigen Nettozuflüsse ersetzt. Mit dem damit verbundenen Abwertungsdruck seien auch die Risiken gestiegen.Das treffe insbesondere auf Länder zu, die in hohem Maße in Fremdwährung notierte Schulden in ihren Büchern führten. “Panik ist aber nicht angesagt, weisen die meisten Volkswirtschaften der Region doch nicht nur gesunde Zahlungsbilanzüberschüsse auf, sondern verfügen darüber hinaus auch über hohe Währungsreserven.”Dennoch ruft die ADB die Schwellenländer auf, die grenzüberschreitenden Geldflüsse gerade in Zeiten erhöhter Unwägbarkeiten durch makroprudenzielle Maßnahmen besser zu managen. Er rief nicht direkt zur Einführung von Kapitalverkehrskontrollen auf. Doch zeigte er mit Verweis auf China auf, dass dessen relativ geringe Abhängigkeit von ausländischen Portfolioinvestitionen und die geltenden Restriktionen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr das Land vorderhand relativ gut vor externe Schocks schützen. Das treffe vor allem auch auf Direktinvestitionen zu, die sich in Zeiten erhöhter Volatilität als weit stabiler erweisen würden als ausländische Anlagen in Aktien oder Anleihen.